Königsberger Klopse im Atomschutzbunker

EDITORIAL: Königsberger Klopse im Atomschutzbunker

MELDUNGEN: Streit um das Demokratiefördergesetz | Junge Menschen besorgt über Potsdamer “Geheimtreffen” | Verständlichkeit der Haushaltsreden | Anlaufstelle gegen Verschwörungerzählungen | Digitalisierung der Verwaltung u.v.m.

WAHLTREND: BSW stabilisiert sich um die 6 %

BUCH: Die Brandstifter. Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen

FUNDSTÜCK: And the Winner is ...

STAKEHOLDER: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Liebe Leserin, lieber Leser,

es wehte ein Hauch von Gerhard Schröder durch die Gottlieb-Daimler-Schule 1 in Sindelfingen, als Olaf Scholz letzten Montag verlautbarte: „Ich bin Kanzler und deswegen gilt das“. Es war seine Klarstellung zur Taurus-Debatte und kam – bei allen Unterschieden der beiden Sozialdemokraten – dem „Es ist notwendig und wir werden es machen. Basta!“ von Schröder zur Agenda 2010 schon recht nahe. Doch natürlich ist der Streit über die Lieferung des Marschflugkörpers auch mit dem Kanzler-„Machtwort“ nicht beendet. Zudem sorgte auch das Bundeswehr-Leak weiterhin für Gesprächsstoff. Mehr Hintergründe:

  • Wie die plötzliche Präsenz auf der Weltbühne an der schwäbischen Schule nachhallt, hat der Böblinger Bote zusammengefasst (€).
  • Welches Zerrbild die russische Seite über Scholz‘ „Taurus-Agenda“ in die Welt setzt, hat die FR recherchiert.
  • Verteidigungsminister Boris Pistorius liefert in der prekären Lage hingegen ein „Glanzstück der politischen Kommunikation“ gegen Putins Spaltungsversuche ab, wie Jörg Lau bei der Zeit (€) erklärt.
  • Welches Prädikat für die „Bundeswehr der Zukunft“ gilt, ist noch hochfraglich. Die gleichnamige Projektgruppe hat aber nun ihren Bericht veröffentlicht.
  • Golem wundert sich, warum Huawei nun am Webex-Fail des geleakten Taurus-Gesprächs Schuld haben soll.
  • Wenig glanzvoll, aber zur Oscar-Verleihung passend, nennt die Sprecherin des russischen Außenministeriums die abgehörten Bundeswehr-Offiziere „Inglourious Basterds„.

Vom außen- zum innenpolitischen Konfliktherd: Der Haushalt 2025 steht an und wirft seine Schatten voraus. Finanzminister Lindner will von jedem Ressort Einsparvorschläge bis zum 19. April. Individuelle Ausgabenwünsche der Ministerien sollen vorab nicht mehr angemeldet werden dürfen. Das mag für die Staatskasse hilfreich sein, für den Zustand der Koalition ist es eine weitere Belastungsprobe. Der Bundeshaushalt soll Anfang Juli im Kabinett beschlossen und im Spätherbst im Bundestag verabschiedet werden. Warum dies zu einem echten Kraftakt für die Ampel werden könnte, erläutert Birgit Marschall von der Rheinischen Post.

Vizekanzler Robert Habeck wird seine US-Reise somit ganz recht gekommen sein: Kapitolsbilder statt Koalitionszoff. Eine drohende zweite Amtszeit von Donald Trump, die China-Politik und natürlich der Ukraine-Krieg standen auf dem Programm.

  • Nach drei Städten in vier Tagen bleiben für den Stern sechs Fragen.
  • “Solve the fucking problems!” – Vor US-Studierenden formulierte Habeck eine deutliche Forderung an die Politiker:innen des Landes.
  • Natürlich ließ ihn die Bundespolitik auch in Übersee nicht in Ruhe: Auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs (hier im Original) reagierte er unwirsch. Aber auch andere Experten waren über Argumentation und Mandatsauslegung der Kassenprüfer verwundert (€).

Die politische Lage in den USA bleibt dabei im Jahr der Präsidentschaftswahl angespannt (siehe Buch der Woche). Auch hier spielt Desinformation eine wichtige Rolle im Wahlkampf. Welche Bedeutung die Plattform TikTok dabei im Guten haben kann, zeigte Journalist Jonathan Katz, als er die republikanische Senatorin Katie Britt auf der Plattform der Falschaussage überführte. Das rief sogar Saturday Night Live und Scarlett Johannson auf den Plan. Warum die US-Politik eine Einflussnahme durch die App befürchtet und die chinesische Kontrolle beenden möchte, berichtet Heise.

Nachdem schon Olaf Scholz ankündigte, auf TikTok präsent sein zu wollen, macht Gesundheitsminister Karl Lauterbach nun Nägel mit Köpfen oder vielmehr Videos mit Musik: Im Interview mit t-online sprach er über seine TikTok-Pläne. Ein Hauptziel ist es, der AfD nicht die Plattform zu überlassen. Weitere Hintergründe zur politischen Kommunikation dort:

  • Der thüringische SPD-Politiker Lutz Liebscher ist bereits seit rund vier Jahren auf TikTok aktiv und ordnet Scholz’ TikTok-Bestrebungen beim Spiegel (€) ein.
  • Welche Bundesministerien noch über einen Auftritt bei TikTok nachdenken, weiß t-online.
  • Wie die AfD momentan die Plattform mit einer “Videoflut” dominiert, hat Benjamin Laepple auf LinkedIn analysiert.
  • Die entstehende Gegenbewegung auf TikTok untersucht der Spiegel (€).

Ein Thema, das letzte Woche auf allen sozialen und in den klassischen Medien aufgegriffen wurde, war der Internationale Frauentag am 8. März:

  • Die Männerdominanz in deutschen Landesparlamenten betrachtet der NDR, während die BILD die Präsenz von Frauen in der Politik allgemein grafisch darstellt.
  • Im internationalen Vergleich aller nationalen Parlamente erreicht der Bundestag mit einem Frauenanteil von 35,3 % nur Platz 47, wie eine aktuelle Rangliste der Interparlamentarischen Union zeigt.
  • Über das Frauenbild der AfD klärt das ZDF auf.
  • Wie Politikerinnen mit Anfeindungen umgehen, diskutieren Saskia Esken und Julia Klöckner bei der Rheinischen Post.
  • In Irland scheiterten währenddessen zwei Referenden, die das Frauenbild der irischen Verfassung modernisieren sollten.
  • Weitere Meldungen zur Gleichstellung finden Sie weiter unten im politticker.

Relativ große Einigkeit besteht hingegen darin, dass nach Frank-Walter Steinmeier endlich eine Frau als erste Bundespräsidentin ins Schloss Bellevue einziehen soll. CDU-Politikerin Karin Prien könnte sich aber auch einen “Mann mit typisch weiblichen Eigenschaften” als Bundespräsidenten vorstellen. Dies erklärte sie im Rahmen einer parteiübergreifenden Forderung von Spitzenpolitikerinnen, die nun eine gemeinsame Kandidatin finden wollen. Welche Kandidatinnen hierfür hoch im Kurs stehen, weiß Holger Lührig beim zwd-Politikmagazin

Nur wenige Hundert Meter von Steinmeiers Amtssitz entfernt wurde am Dienstag der Ernstfall geprobt: Wie lässt sich das Bundeskanzleramt im Katastrophenfall verlegenWas hinter der Übung steckt, hat Caspar Schwiering für den Tagesspiegel beobachtet. Drohende Szenarien sind aber nicht etwa herabstürzender Weltraumschrott, sondern durchaus apokalyptische Varianten wie ein globaler Atomkrieg. Dass dieser Ende 2022 näher war als bekannt, zeigen nun Recherchen der New York Times.

Was dann im Atomschutzbunker der Regierung auf den Tisch gekommen wäre, ist unbekannt und bleibt es hoffentlich auch. Der Kanzler ließ nun aber wissen, dass er gern mal Königsberger Klopse zubereitet. Mehr Rezept-Tipps aus dem Kanzleramt gibt es hier.

 

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
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Politticker
Digitalisierung der Verwaltung

80 % der Bürger:innen stehen der digitalen Verwaltung skeptisch gegenüber; nur die Wenigsten glauben an eine erfolgreiche Umsetzung der Pläne. Dies zeigt eine bundesweite Umfrage der Stadtwerke Lübeck Gruppe, die rund 5.000 Menschen zur digitalen Verwaltung befragt hat. Dabei zeigen sich selbst unter kommunalpolitischen Entscheider:innen Zweifel an der Umsetzung und es werden vor allem Kompetenzschulungen für Mitarbeitende und eine sichere digitale Infrastruktur vermehrt gefordert. Die befragten Bürger:innen wünschen sich besonders einen…

Anlaufstelle gegen Verschwörungerzählungen

Für Angehörige von Verschwörungsanhänger:innen kann deren “Abdriften” in entsprechende Erzählungen oft eine große Belastung darstellen. Aus diesem Grund plant die Bundesregierung nun eine Anlaufstelle für Betroffene, teilten das Innen- und Familienministerium gemeinsam mit. Sie soll Angehörigen Hilfsangebote und Kontakte bieten und so einen Beitrag zur Extremismusprävention und zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten. Als ersten Schritt planen die Ministerien die Vernetzung bestehender staatlicher und zivilgesellschaftlicher Stellen, die bereits in diesem…

Verständlichkeit der Haushaltsreden

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger drückte sich bei den Reden zum Bundeshaushalt 2024 unter den Kabinettsmitgliedern am verständlichsten aus, Umweltministerin Steffi Lemke war dagegen am wenigsten verständlich. Kanzler Olaf Scholz und Oppositionsführer Friedrich Merz liegen eher im Mittelfeld. Zu diesem Schluss kommen Kommunikationswissenschaftler:innen der Universität Hohenheim, die die knapp 100 Haushaltsreden im Hinblick auf deren formale Verständlichkeit analysiert haben. Hürden stellen dabei besonders Fremd- und Fachwörter, Nominalisierungen, Anglizismen und “Monster- und Bandwurmsätze” dar….

Junge Menschen besorgt über Potsdamer “Geheimtreffen”

75 % der Kinder und jungen Erwachsenen haben die Correctiv-Recherchen zum Potsdamer “Geheimtreffen” wahrgenommen, 58 % machen sich Sorgen aufgrund des Plans der “Remigration”. Bei Personen mit Migrationshintergrund steigt dieser Wert auf 73 %. Dies fand eine Online-Umfrage der Körber-Stiftung heraus, die ca. 2.000 Personen zwischen 12 und 25 Jahren befragte. Die Befragten äußern jedoch nicht nur Sorge, sondern fordern auch einen offenen Umgang mit dem Thema: 65 % wünschen sich…

Streit um das Demokratiefördergesetz

Ein zivilgesellschaftliches Großprojekt der Ampel-Koalition steht vor dem Aus: Das Demokratiefördergesetz, das bereits Ende 2022 vom Kabinett beschlossen wurde, hat wohl wenig Chancen durchs Parlament zu kommen. Grund dafür ist zum einen ein neues Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, in dem die Zuständigkeit des Bundes infrage gestellt wird: Es bleibe unklar, warum eine bundesgesetzliche Regelung zur Bekämpfung demokratiefeindlicher Phänomene notwendig sei, wenn alternativ auch ein (koordiniertes) Vorgehen der Länder denkbar…

Wahltrend
Wahltrend 11.03 politnews

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Annika Brockschmidt

Die Brandstifter

Nach seinen Siegen bei den US-Vorwahlen am „Super Tuesday“ scheint Donald Trump die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner nicht mehr zu nehmen zu sein. Wie es historisch dazu kommen konnte, dass heute in der Partei der Trumpismus vorherrscht, Verschwörungserzählungen gepflegt werden und offen autoritäre sowie rassistische Ansichten den Ton angeben, erklärt Annika Brockschmidt in ihrem neuen Buch.

Die Journalistin beschreibt die Geschichte der Grand Old Party anhand zentraler Personen und historischer Entwicklungen und zeigt auf, dass der Abschied vom Konservatismus und die Radikalisierung der Partei bereits lange vor Trump begonnen hatten, speziell mit der Ablehnung des New Deal in den 1940er Jahren. Angesprochen werden auch die Rolle des christlichen Nationalismus sowie frühere Ansätze von Akteuren wie Barry Goldwater, Pat Buchanan oder Newt Gingrich, die die politische Kultur der USA durch Populismus in ihrem Sinne verändern wollten. Neu und besonders besorgniserregend ist aus Sicht der Autorin die heutige Bereitschaft vieler in der Partei zum Autoritarismus und antidemokratischen Griff nach der Macht.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@gtconway3d

And the winner is …

Wie man Donald Trump live im Fernsehen auflaufen lässt, zeigte Gastgeber Jimmy Kimmel bei der gestrigen Oscar-Verleihung: Nachdem Trump Kimmel während der Übertragung auf seiner Plattform Truth Social angegriffen hatte, las der Moderator den Tweet auf der Bühne vor und konterte schlagfertig mit einer Anspielung auf Trumps laufende Strafverfahren – wie Rechtsanwalt George Conway hier feststellt.

Stakeholder der Woche

Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wurde 2004 gegründet und fungiert seitdem als zentrale Stelle des Bundes für den Bevölkerungsschutz. Zu diesem Zweck bündelt das BBK alle Bereiche der zivilen Sicherheitsvorsorge fachübergreifend zu einem wirksamen Schutzsystem. Seinen Hauptsitz hat das BBK in Bonn, die Leitung hat seit 2022 Präsident Ralph Tiesler inne.

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11. März 2024