Havarie bei der Werteunion

EDITORIAL: Havarie bei der Werteunion

MELDUNGEN: Fehlzeiten-Ranking im Bundestag | Anti-Geldwäschebehörde in Frankfurt | Repräsentativität in Umfragemethoden | Neue Podcast-Serie zur Demokratie | Initiative “KI gegen Rechts” u.v.m.

WAHLTREND: Ampel-Parteien stoppen Abwärtstrend

BUCH: Die Ukraine in Europa. Traum und Trauma einer Nation

FUNDSTÜCK: Bubatz am Sido-Punkt

STAKEHOLDER: Ukrainische Botschaft in Deutschland

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bilder machen Geschichten und Geschichten entscheiden über Erfolg und Niederlage in der Politik. Das weiß auch Hans-Georg Maaßen. Doch mit seiner professionell inszenierten Parteigründung auf dem Rheindampfer “Godesia” letzte Woche hat er der Berichterstattung und seinen Kritikern nun zahlreiche Vorlagen geliefert.

Denn nur wenige Tage nach ihrem Stapellauf gehen bei der Werteunion die ersten Mitglieder von Bord. Ihnen ist der Kurs zu “links”. Vor allem, dass Maaßen seinen ehemaligen politischen Heimathafen CDU als “Premiumpartner” bezeichnet hat, war für die Ultrarechten in der Formation ein Schlag ins Kontor. Besonders mit dem Landgang des rechtslibertären Buchautors Markus Krall und von Max Otte, ehemals AfD-Kandidat fürs Bundespräsidentenamt, verlor er zwei wichtige Besatzungsmitglieder. Andere wollen zudem juristisch gegen die Parteigründung vorgehen und so das ganze Projekt versenken.

  • Die Hintergründe der Austritte analysiert David Grzeschik für die Rheinische Post.
  • Der Thüringer Werteunion-Politiker Albert Weiler erwägt unterdessen bereits eine Kandidatur als Ministerpräsident. Seine Erfolgsaussichten kommentiert Lars Sänger bei der Tagesschau.
  • Satirisch interpretiert Stefan Kuzmany die Gründung der Werteunion als “Operation Stauffenberg” .
  • Unterdessen reagiert die CDU auf die Parteigründung – und plant den Parteiausschluss von Werteunion-“Schnuppermitgliedern”.

Streit gibt es auch am anderen Ende des politischen Spektrums. Die neue Linken-Gruppe im Bundestag ist den internen Zerwürfnissen treu geblieben. Nach dem Rückzug von Dietmar Bartsch setzte sich das ihm nahestehende Duo aus Heidi Reichinnek und Sören Pellmann mit 14 zu 13 Stimmen bei der Wahl zur neuen Führung denkbar knapp gegen Clara Bünger und Ates Gürpinar durch – die eigentlich von den Parteivorsitzenden favorisiert wurden. Die Hintergründe dazu kennt die taz. Zudem bitter: Durch den Verlust des Fraktionsstatus ist für die Linke auch der Sitz von André Hahn im Parlamentarischen Kontrollgremium weg, den nun Marc Henrichmann von der Union bekommt. Hahn hatte noch dagegen geklagt.

Bei der Hauptverursacherin dieser Entwicklungen läuft es dagegen besser: Das Bündnis Sahra Wagenknecht gründete seinen ersten Landesverband in Sachsen – in Abwesenheit der Namensgeberin. An der Spitze stehen eine ehemalige Linken-Bundestagsabgeordnete und ein Unternehmer. Die dortige Landtagswahl ist zwar noch sieben Monate entfernt, Wagenknecht schloss aber bereits jetzt mögliche Kooperationen mit CDU und AfD nicht aus.

Werteunion, BSW, Dava – Extra 3 hat den Trend zur eigenen Partei in der neuesten Folge aufs Korn genommen und mit “Partei4You” ergründet, welche Parteien die Bürger:innen spontan aus der Taufe heben würden.

“I need ammunition, not a ride” – dieser Satz ging vor zwei Jahren um die Welt und wird dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als Antwort auf das Evakuierungsangebot der USA zugeschrieben. Ob er so fiel, ist unklar. Genau wie die Opferzahlen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Mindestens 31.000 ukrainischen Soldat:innen hat er bisher das Leben gekostet, wie Kyjiw am Wochenende das erste Mal offiziell mitteilte. Eine neue Recherche unabhängiger russischer Medienportale schätzt die Verluste Russlands auf 120 Tote pro Tag. Der Merkur ordnet diese Zahlen im Vergleich zu anderen Quellen ein. Weitere Hintergründe:

  • Wo die Ukraine zwei Jahre nach der Invasion steht, erklärt der DLF im Audioformat.
  • Der Tagesspiegel zeigt anhand von Satelliten-Karten, wie stark viele ukrainische Städte bisher zerbombt worden sind.
  • Welche drei Schlüsselfaktoren 2022 zum Einmarsch Russlands in die Ukraine führten, erklärt Nickolay Kapitonenko beim IPG-Journal.
  • Wie der Krieg den deutschen Parteien die Suche nach eindeutigen Positionen erschwert, überlegt Kristin Schwietzer in ihrer MDR-Kolumne.
  • Der Kreml möchte derweil den Spielraum der westlichen Botschaften in Russland weiter einschränken, wie Table.Media berichtet.
  • In eigener Sache: Welche Rolle Antisemitismus im Kontext des Krieges spielt, hat polisphere mithilfe eines Trackings ausgewählter Social-Media-Accounts verfolgt. Nun wurden zentrale Erkenntnisse zusammengefasst.
  • Welche historischen Mythen das Bild der Ukraine in Deutschland immer noch prägen, thematisiert unser Buch der Woche.

Dass der Krieg in der Ukraine auch vor hochrangigen diplomatischen Besuchen nicht halt macht, musste gestern Außenministerin Annalena Baerbock erfahren. Im südukrainischen Mykolajiw musste ihr Besuch abgebrochen werden, weil ihre Kolonne von einer russischen Aufklärungsdrohne verfolgt wurde. ntv-Reporter Jürgen Weichert war dabei und schildert seine Eindrücke.

 

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
Politticker
Fehlzeiten-Ranking im Bundestag

Zwei Bundestagsfraktionen fallen durch häufige Fehlzeiten auf: Sowohl AfD als auch Linke bleiben Sitzungen besonders oft fern. Bei der AfD fehlen im Schnitt etwas mehr als zehn Prozent der MdB, bei der Linken sind es ebenfalls knapp zehn Prozent. Im Gegensatz dazu wird die FDP-Fraktion als besonders präsent ausgewiesen, hier fehlen durchschnittlich nur 4,7 %. Dies zeigt eine Auswertung der Plenarprotokolle, die vom Handelsblatt durchgeführt wurde. Neben den Abwesenheiten…

Anti-Geldwäschebehörde in Frankfurt

Die neue Anti-Geldwäschebehörde der EU soll in Frankfurt am Main angesiedelt werden. Das entschieden vergangene Woche das EU-Parlament sowie Vertreter:innen der EU-Mitgliedstaaten. In der engeren Auswahl waren zudem acht europäische Hauptstädte wie Dublin, Paris und Madrid. Die “Anti-Money Laundering Authority” (Amla) soll EU-weit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bekämpfen und dafür als direkte Aufsicht für Kredit- und Finanzinstitute fungieren. Zudem soll die Behörde Koordination und Unterstützung für nationale Aufsichtsbehörden anbieten. Mit…

Repräsentativität in Umfragemethoden

Die Qualität repräsentativer Umfragen – und damit deren Vertrauenswürdigkeit – hängt stark von der gewählten Umfragemethode ab. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat daher drei verschiedene Erhebungsmethoden untersucht und gegenübergestellt: Telefon-, Online- oder Mixed-Mode-Verfahren wurden im “Praxistest” miteinander verglichen. Dabei schnitten reine Online-Umfragen im Hinblick auf Repräsentativität eher schlecht ab: Da hier keine reine Zufallsstichprobe genutzt wird, schwanken die Ergebnisse der Umfrage ungewöhnlich stark und werden als dementsprechend unzuverlässig gewertet. Besonders ältere Menschen…

Neue Podcast-Serie zur Demokratie

“Stützen und Gefahren für die Demokratie”, damit setzt sich ein neues Serienformat im Rahmen des Podcasts Table.Today auseinander, der von Table.Media gemeinsam mit der Hertie-Stiftung betrieben wird. “Table.Today Democracy” soll ab heute einmal monatlich erscheinen und einen Austausch zwischen den Table.Media-Chefredakteur:innen Helene Bubrowski und Michael Bröcker und Vertreter:innen der Hertie-Stiftung ermöglichen. In der heute erschienenen ersten Folge spricht Elisabeth Niejahr, Hertie-Geschäftsführerin im Bereich “Demokratie stärken”, über das deutsche Wahlrecht,…

Initiative “KI gegen Rechts”

Rechtsradikale Kommunikation und gezielte Radikalisierung in sozialen Netzwerken sichtbar machen: Dieses Ziel verfolgt die Initiative “KI gegen Rechts”, die von der Faktenkontor-Gruppe diesen Monat gegründet wurde. Mithilfe von Medienmonitoring und KI-basierter Analyse möchte die Initiative nicht nur rechte Kommunikation identifizieren, sondern auch zentrale Akteure und deren Vernetzung abbilden. Insbesondere zur Analyse großer Datenmengen wird dabei künstliche Intelligenz eingesetzt. Die Initiative sucht nun nach Unterstützung durch Wissenschaftler:innen und Expert:innen sowie…

Wahltrend
Wahltrend 26 Februar 2024

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Franziska Davies (Hrsg.)

Die Ukraine in Europa. Traum und Trauma einer Nation

Der seit zwei Jahren andauernde massive Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, hat letztere zu einem wichtigen Gegenstand der politischen Auseinandersetzung in Deutschland gemacht. Allerdings spielen dabei noch immer historische Mythen und Unkenntnis eine nicht unwesentliche Rolle in der Debatte – etwa, die Überzeugung, die Ukraine gehe uns nichts an und sei doch irgendwie bloß ein Teil Russlands.

Wie komplex die Geschichte des Landes eigentlich ist, zeigt der Sammelband der Historikerin Franziska Davies. In 17 Beiträgen behandeln internationale Historiker:innen und Publizist:innen die Geschichte und Gegenwart der vielfältigen Verflechtungen der Ukraine, z.B. mit Polen, Belarus oder Deutschland. So thematisieren mehrere der Essays, warum das Land lange Zeit ein blinder Fleck für die Deutschen war und wie hierzulande weiterhin existierende imperialistische Denkmuster, die Idealisierung Russlands oder einfach Ignoranz gegenüber der Ukraine fortwirken. Interessante Einsichten liefert der Band außerdem zum komplizierten Verhältnis der Ukraine zu Polen, zum Holodomor, zum ukrainischen Nationalismus oder zur Radikalisierung Russlands seit den 1990er Jahren.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@Karl_Lauterbach

Bubatz am Sido-Punkt

Bevor vergangene Woche das Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis verabschiedet wurde, traf sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach mit dem bekannten Rapper Sido – und sorgte damit auf Twitter/X für reichlich Aufmerksamkeit, positive wie negative. In der Ampel-Koalition warb Lauterbach hingegen per Brief an die Abgeordneten für das Gesetz, den Table.Media hier veröffentlicht hat.

Stakeholder der Woche

Ukrainische Botschaft in Deutschland

Die Botschaft der Ukraine fungiert als diplomatische Vertretung des Staates in Deutschland und kümmert sich zudem um konsularische Angelegenheiten wie die Ausstellung von Visen und Hilfestellungen für ukrainische Staatsbürger:innen in Deutschland. Ihren Sitz hat die Botschaft in Berlin-Mitte. Der ukrainische Botschafter in Deutschland ist derzeit Oleksii Makeiev.

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27. Februar 2024