Liebe Leserin, lieber Leser,
zu Beginn ein Transparenzhinweis in eigener Sache, den treue Leser:innen dieses Newsletters vielleicht schon kennen oder erahnen: Ich kann mit Karneval, Fasching und deren Derivaten wenig bis nichts anfangen und halte es mit der emotionalen Involvierung da wie Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Szene. Eine Ausnahme ist aber der politische Aschermittwoch, der als diskursiver Kristallisationspunkt aktueller politischer Debatte als Untersuchungsobjekt jedes Jahr wieder sehr aufschlussreich ist.
- Die besten Sprüche des rhetorischen Schaulaufens hat die Rheinische Post zusammengestellt.
- Warum sich Markus Söder ein paar Seitenhiebe gegen Friedrich Merz nicht verkneifen konnte, erklärt Nikolaus Doll bei der Welt. Kritik bekam er zudem für seinen Margot-Honecker-Vergleich gegenüber Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
- Wenn Sie noch Bedarf an politischen Spitzen haben, können wir das traditionelle Aschermittwochskabarett von Arnulf Rating (hier zum Nachhören) empfehlen.
- Auch Jens Spahn hat dieses Jahr im Karneval eine Rolle gespielt, wie unser Fundstück der Woche weiter unten dokumentiert.
Was sich jedoch im baden-württembergischen Biberach an der Riß abspielte, war weder pointiert noch witzig: Die Grünen mussten ihre dortige Aschermittwoch-Veranstaltung wegen gewaltsamer Proteste absagen. Parteivorsitzende Ricarda Lang wurde außerdem bei einer Veranstaltung in Schorndorf beschimpft und bedrängt. Auch Robert Habeck bekam auf seiner dreitägigen Reise durch Sachsen, Thüringen und Bayern viel Ablehnung zu spüren. Kurzzeit-FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich bediente unterdessen besonders geschmacklos Anti-Grünen-Narrative und verglich die grünen Spitzenpolitiker:innen mit “Kühen beim Schlachten”.
- Wie die Grünen zu so einem Feindbild wurden, analysiert Björn Dake.
- Katrin Göring-Eckardt erklärt im Stern, wie sie die Partei neu ausrichten würde – mit einem Fokus auf ländliche Räume.
Ganz und gar ernst wurde es Ende der Woche in Berlin. Zeitgleich fanden zwei Staatsbesuche statt, die bedeutender kaum sein könnten: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der israelische Präsident Jitzchak Herzog kamen in die Hauptstadt. Für beide Staatsgäste galt die höchste Sicherheitsstufe 1, ähnlich wie beim Besuch eines amerikanischen Präsidenten. Gerade bei Selenskyj als meist gefährdeter Mann der Welt ist die Anschlagsgefahr omnipräsent, weshalb tausende Polizisten, teilweise mit Jetskis, im Einsatz waren.
- Die Auswirkungen der hohen Sicherheitsstufe bekamen auch die Menschen in Berlin zu spüren, wie der Tagesspiegel weiß.
- Warum die Stimmung zwischen Scholz und Selenskyj mittlerweile besser, aber trotzdem ernst ist, analysiert Gabor Halasz von der ARD.
- Was die verabredeten Sicherheitsgarantien Deutschlands für die Ukraine bedeuten, erklärt ntv.
Für Selenskyj ging es von Berlin weiter nach Bayern zur Münchner Sicherheitskonferenz. Die MSC hat seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine neue Bedeutung erlangt – seit dem 7. Oktober und der Gefahr einer Trump-Wiederwahl umso mehr. Die zentralen Takeaways der letzten Tage:
- Über das “Speed Dating der Diplomatie” berichtet Holger Möhle für die Rheinische Post.
- Drei außenpolitische Erkenntnisse beobachtete Thomas Reichert vom ZDF zum Abschluss der Konferenz.
- Wie Russland versucht, Einfluss auf die innere Sicherheit Deutschlands zu nehmen, zeigt eine Analyse der Konrad Adenauer Stiftung.
- Den Wandel von einer Friedens- zu einer Konfliktordnung thematisiert zudem unser Buch der Woche.
Dass der Tod von Alexei Anatoljewitsch Nawalny, dem wichtigsten Putin-Kritiker, genau an dem Tag, an dem seine Frau Yulia in München sprechen sollte, über die Nachrichtenticker auf der ganzen Welt lief, ist mit großer Wahrscheinlichkeit genauso wenig Zufall wie der Zeitpunkt einen Monat vor der Wahl in Russland. Das Moskauer Regime hat seinen bekanntesten Kritiker in Gefangenschaft im besten Falle sterben lassen und im wahrscheinlicheren feige umgebracht. Was man bisher weiß und was nicht, fasst der Spiegel zusammen. Ein Mithäftling berichtet vom “Wahnsinn”, der kurz vor Nawalnys Tod in dem sibirischen Straflager eingesetzt hat. Weitere Hintergründe zum Tod Nawalnys:
- Ein Nachruf auf den Mann, vor dem Putin so große Angst hatte, bei der Tagesschau.
- Sein Leben in Bildern von Protest bis Gefängnis zeigt die Frankfurter Rundschau.
- Ein Video seines letzten Auftritts gibt es beim Stern.
- Nawalnys letzte Botschaft für den Fall seiner Ermordung dokumentiert der Spiegel.
- Die internationalen Reaktionen auf den Tod hat das ZDF gesammelt.
- Bereits vergangene Woche hatte Russland hunderte europäische Politiker:innen zur Fahndung ausgeschrieben, darunter auch einen FDP-Politiker aus Frankfurt am Main.
- CIA und MI6? Nawalnys Frau mit ihrer Affäre? Oder doch der gute alte Covid-Impfstoff? Im Netz gibt es bereits genügend Verschwörungserzählungen zu dem Todesfall.
- Ein Video-Ansprache (mit englischen Untertiteln) von Yulia Navalnaya ging heute auf dem YouTube-Kanal des Verstorbenen online.
Von Gerhard Schröder war zum Tod des Oppositionellen und Widersachers des “lupenreinen Demokraten” Putin bisher nichts zu vernehmen. Vielleicht ist der ehemalige Kanzler zu sehr mit seinem Prozess gegen die Bundestagsverwaltung beschäftigt, die ihm seine Rechte auf ein eigenes Büro aberkannt hatte. Der Prozess wird nun neu aufgerollt.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
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Hass im Netz bedroht den gesellschaftlichen Diskurs, die Meinungsfreiheit und die Grundfeste der Demokratie. So warnt die neue Studie “Lauter Hass – leiser Rückzug” des Kompetenznetzwerks Hass im Netz, bestehend aus Das NETTZ, HateAid, Neue deutsche Medienmacher*innen, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, in Kooperation mit pollytix. Darin werden Erfahrungen deutscher Internetnutzer:innen analysiert, aber auch Forderungen an die Politik und Online-Plattformen formuliert. Eines der Kernprobleme bei Hass im Netz sei…
Welche Themen beschäftigen deutsche Bürger:innen in Ost und West und inwieweit haben sich ihre politischen Einstellungen verändert? Dies untersucht der Deutschland-Monitor, der von Forschenden aus Jena, Halle und vom Leibniz-Institut GESIS mit Förderung des Ostbeauftragten der Bundesregierung Carsten Schneider durchgeführt wird. Der Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe liegt auf dem Thema “Stadt und Land”. Als Probleme des ländlichen Raums werden dabei besonders fehlender ÖPNV-Ausbau, unzureichende Einkaufsmöglichkeiten und mangelnde medizinische Versorgung…
Als “parteiübergreifendes Netzwerk für junge Menschen, die politisch kommunizieren” versteht sich der neu gegründete Young Political Communicators Club (YPCC). Dieser ist aus dem Wunsch entstanden nach mehr Netzwerken, die explizit für junge Kommunikator:innen gedacht sind. Der YPCC möchte interdisziplinären Austausch und die Entwicklung innovativer Kommunikationskonzepte ermöglichen und fördern. Dafür sind verschiedene Angebote und Aktivitäten vorgesehen, die durch die Mitglieder des Netzwerks selbst geschaffen und weiterentwickelt werden sollen, um ein…
Weniger als acht Prozent der Weltbevölkerung leben in einer voll funktionsfähigen Demokratie, fast 40 % dagegen werden autoritär regiert. Diese Zahlen nennt der Democracy Index 2023 der Economist Intelligence Unit, der jährlich die Beziehung zwischen Demokratie, Krieg und Frieden analysiert, zentrale geopolitische Konfliktfaktoren in den Blick nimmt und jeden Staat als “demokratisch”, “hybrid” oder “autoritär” einordnet. 2023 ließ sich demnach eine Fortsetzung des “Democratic Backsliding” beobachten und es wurde…
Die multiplen Krisen der Gegenwart zeigen deutliche Auswirkungen auf die politische Kultur Berlins: Zwar unterstützt die Mehrheit der Berliner:innen die Demokratie, doch die Abwertung bestimmter sozialer Gruppen nimmt zu. Davor warnt der Berlin-Monitor 2023, der rund 2.000 Berliner:innen zu ihren politischen Einstellungen und Ängsten befragt hat. Demnach gab es eine deutliche Steigerung der Zustimmung zu rechtsautoritären und rechtsextremen Aussagen: So zeigten sich rund 20 % der Befragten als “überzeugte…
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Christian Mölling
Fragile Sicherheit. Das Ende des Friedens und die neue Konfliktordnung
Wie sehr sich die internationale Sicherheitsordnung in den vergangenen Jahren verändert hat, verdeutlicht das Buch von Christian Mölling. Dabei spielt natürlich Russland Aggression gegen die Ukraine und zunehmend auch gegen den Westen eine zentrale Rolle. Der stellvertretende Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erläutert aber auch die längeren Linien der Entwicklung in Deutschland und Europa – und er beschreibt, auf welche mittel- und langfristigen Auseinandersetzungen wir uns vorbereiten müssen. Mölling macht dabei klar, dass es momentan nicht um eine neue Friedens-, sondern vor allem um eine tragfähige Sicherheits- und Konfliktordnung geht. Doch dafür brauchen Deutschland und Europa eine langfristige Strategie, um die eigenen Interessen in einer dauerhaft unfriedlichen Welt durchsetzen zu können.
Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.
Wir werden uns viel zu Verkleiden haben
Wer geht schon mit Anzug und Aktenkoffer zum Karneval? Dieser Doppelgänger von Jens Spahn zum Beispiel, der mit seinem Kostüm bereits Millionen Aufrufe auf TikTok erreicht hat. Auch dank Userin Josephine Lorig, die den falschen Jens Spahn in Düsseldorf gefilmt hat.
Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)
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