Liebe Leserin, lieber Leser,
einen politischen Newsletter nach einer Bundestagswahl zu schreiben, ist eigentlich immer eine hochspannende und fast schon historische Angelegenheit. Heute ist davon jedoch nicht viel zu spüren, nachdem gestern rund 0,9 % der Wahlberechtigten in Deutschland oder rund 550.000 Menschen in Berlin (was immerhin etwas mehr als die Bremer Wahlbevölkerung ist) nochmal den 20. Bundestag wählen durften.
Auch der Autor dieser Zeilen gehörte dazu, konnte die magere Wahlbeteiligung von 51 % aber ebenfalls nicht verhindern. Auf das bundespolitische Machtgefüge hat die Wahlwiederholung der Bundestagswahl in Berlin keinen großen Einfluss, auch wenn sie als Mini-Stimmungstest gesehen werden kann: CDU und AfD gewinnen deutlich. SPD und FDP verlieren, die Grünen bleiben stabil. Bei den Direktmandaten gab es keine Änderungen: Kevin Kühnert verteidigte seinen Sitz, Lisa Paus rückte allerdings bis auf 300 Stimmen an Michael Müller heran. Für die Campaigner eher interessant: Die Parteien konnten Botschaften und Kampagnen testen.
Für einige Abgeordnete ging es aber doch um etwas: Durch die Veränderungen bei den Zweitstimmen gab es Verschiebungen bei den Landeslistenplätzen. So schrumpft der Bundestag um einen Sitz auf Kosten der FDP. Welche vier Berliner Abgeordnete es nicht mehr in den Bundestag geschafft haben, zeigt die BZ, einen allgemeinen Überblick über die einzelnen Wahlkreise und weitere personelle Auswirkungen bietet der Liveblog des RBB. Weitere Hintergründe:
- Wo genau neu gewählt wurde und wie die Ergebnisse nach Stimmbezirken ausfallen, zeigt eine interaktive Karte des Tagesspiegels.
- Das bundesweite Gesamtergebnis der Wahl hat sich dadurch minimal geändert.
- Warum es keine Prognosen oder Nachwahlbefragungen gab, wird ebenfalls beim Tagesspiegel erklärt.
- Wie man damit umgeht, wenn man letztes Mal schon in einem anderen Bundesland gewählt hat, überlegt Robert Schlösser beim Spiegel (€).
- Ein Wahllokal mit Schweinshaxe im Angebot und weitere Besonderheiten des Wahlgangs versammelt der Tagesspiegel in einem Überblicksartikel.
- Überlegungen zum „Wählermarkt“ in der Berliner Republik präsentiert zudem unser Buch der Woche.
Die Wahl blieb größtenteils pannenfrei. Berichte um einen betrunkenen Wahlvorstand haben sich als Falschmeldung entpuppt. Der Mann war nur “unkooperativ und unfreundlich”. Ein Unterschied, der in Berlin tatsächlich oft nur nach näherer Prüfung festgestellt werden kann.
Rückenwind für die Ampel stellt das Berliner Ergebnis also ganz sicher nicht dar. Den wollten Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner aber selbst säen: Mit einem Selfie in Anlehnung an das legendäre Zitruskoalitionsfoto nach der Bundestagswahl. Bei der derzeitigen Performance der Ampel eine eher mutige Kommunikationsidee, die dann auch ein entsprechendes Echo erfuhr.
- Mit welchen Witzen und Memes das Netz darauf reagierte, zeigt Watson.
- Bei einem Auftritt in Leipzig musste der FDP-Chef mit einer Herausforderung der anderen Art umgehen: Aktivisten der Letzten Generation störten seinen Termin durch Singen (Video).
- Die kriselnden Liberalen sorgen zudem für Unmut in der EU wegen ihrer Blockade des Lieferkettengesetzes. Lissy Kaufmann über eine „Partei in der Zwickmühle„.
Foto: Robert Habeck/Instagram
Kein Wunder also, dass die Planspiele für die Zeit nach der Ampel ins Kraut schießen. Auch Schwarz-Grün ist dabei ein populäres Gedankenspiel, zumal in Düsseldorf, Kiel und Stuttgart zusammen im Zweierbündnis regiert wird. Doch die Konflikte zwischen Konservativen und Grünen sind tief. Als Friedrich Merz ein solches Bündnis in einem aktuellen Rundbrief nicht kategorisch ausschloss, bekam er starken Gegenwind aus der Partei. Auch 54 % der Unionswähler:innen lehnen das laut einer aktuellen Umfrage ab.
- Das schwarz-grüne Verhältnis hat Sabine Henkel für die Tagesschau analysiert.
- Einen Überblick über die Streitigkeiten der beiden Parteivorsitzenden bietet Focus Online.
- Die Koalition mit den Grünen stelle gar eine Bedrohung für die Identität der CDU dar, kommentiert Till-Reimer Stoldt bei der Welt.
Wahrscheinlich ist die Außenpolitik dabei noch eines der kleineren Konfliktfelder. Das Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft und der NATO ist längst auch bei den Grünen Konsens. Genau das will Wladimir Putin in den Staaten des Bündnisses unterminieren. Sein neuester Schachzug war ein “Interview” mit Tucker Carlson, seines Zeichens ehemaliger Fox News Moderator und Trump-Anhänger mit eher flexiblem Zugang zur Wahrheit. Dieser baute dem russischen Kriegsherrn eine Bühne, auf der Putin sich fast schon versöhnlich gegenüber dem Westen zeigte.
- Eine Analyse des Interviews liefert Paul Katzenberger beim RND.
- Wer eigentlich Tucker Carlson ist, erklärt Andreas Schneider beim WDR.
- Einen Faktencheck zu dem Gespräch bietet Euronews.
Das Bekenntnis zur NATO ist auch im US-Präsidentschaftswahlkampf ein Thema. Donald Trump ließ am Wochenende wissen, dass er Staaten des Bündnisses, die unter ihrem finanziellen Beitrag blieben, in einem Angriffsfall nicht verteidigen würde. Die Reaktion aus dem NATO-Hauptquartier kam prompt und deutlich.
Das war sicherlich auch Thema beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei US-Präsident Joe Biden. Denn wenn sich die USA militärisch aus Europa zurückziehen würden, stünde der Kontinent vor einer ungewissen Zukunft, wie der Kanzler vor Ort warnte. Angesichts dieser Aussichten nahm Scholz auch eine ungewöhnliche Anreise mit Umweg über Island in Kauf, wie Kristina Dunz weiß.
Biden steht aber nicht nur wegen der Trump-Attacken unter Druck. Dabei ist der jüngste Fehltritt, als er den ägyptischen mit dem mexikanischen Präsidenten verwechselte, noch marginal. Durchaus besorgniserregende Einblicke zu seiner geistigen Fitness liefert zudem der Bericht des Sonderermittlers zur Verwahrung von Regierungsakten in seinem Privathaus.
Die Lage der Demokraten ist also prekär. Daher ist jede Hoffnung willkommen, auch wenn sie aus den Charts kommt. Pop-Ikone Taylor Swift hat schon 2020 Biden unterstützt und ist seitdem noch populärer geworden. Weshalb auch darüber diskutiert wird, ob sie die Zukunft der US-Demokratie beeinflussen kann. Seit Monaten schüren nun Republikaner und Verschwörungstheoretiker die Angst vor der angeblichen politischen Macht der Sängerin. Donald Trump hat schon einen “Heiligen Krieg” in Aussicht gestellt, sollte sich die Pop-Milliardärin gegen ihn aussprechen. n-tv hat Hintergrundinfos zu den Geschichten, die selbst den Gewinn des gestrigen Super Bowls der Kansas Chiefs von Swifts Freund als politische Intrige einordnen.
Der Super Bowl ist auch ohne Wahl ein Medienereignis der Superlative, die Werbeplätze sind heißbegehrt. Dieses Jahr sorgte aber eine besonderer und nachdenklicher Spot für Aufsehen, siehe Fundstück der Woche.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Landeswahlleiter für Berlin
Auf der Suche nach dem richtigen politjob?
Jobs aus dem Politikbetrieb auf politjobs.com oder in unserem wöchentlichen Newsletter.
Sie suchen selbst Verstärkung?
Schreiben Sie uns unter info@polisphere.eu für unverbindliche Preisinformationen. Hier finden Sie unsere Anzeigen-Pakete im Überblick.
Oder in den Talent Pool!
Tragen Sie sich direkt kostenlos in unseren Talent Pool ein! Dann melden wir uns, wenn wir einen passenden Job für Sie haben.
Stets aktuelle Veranstaltungen aus dem Politikbereich finden Sie auf politcal.de.
Auf politcal.de können Sie Ihre eigenen Veranstaltungen jederzeit hochladen.
Probieren Sie es aus!