Der Krieg im Netz

EDITORIAL: Der Krieg im Netz

MELDUNGEN: Vielfalt in der Kommunalpolitik | Politikpanel-Umfrage | POLITICO-Playbook kommt nach Deutschland | eGovernment Monitor 2023 | NS-Aufarbeitung im Bundespräsidialamt u. v. m.

WAHLTREND: Ampel verliert, Opposition legt zu

BUCH: Blick in den Abgrund. Ein israelisches Tagebuch

FUNDSTÜCK: Kulinarische Verstimmung

JOBS: Referent:in Politische Kommunikation (Universitätsklinikum Jena) | Manager:in Elektromobilität & Ladeinfrastruktur (ZVEI e.V.) | Manager:in Cybersicherheit (ZVEI e.V.) | Praktikant:in im Bereich Public Affairs (Bertelsmann) | Digital Media Manager:in (Allianz Foundation) u. v. m.

EVENTS: Ein Jahr nach ChatGPT: Wie hat Künstliche Intelligenz den Politikbetrieb verändert? (polisphere und DCPolitics) | Deutschland der Ideen – Beiträge zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements (Deutsche Gesellschaft e.V.) | Who cares? Gesundheitspolitik im Fokus (Friedrich-Ebert-Stiftung) | Female Future Force Day (EDITION F)

STAKEHOLDER: Botschaft der Republik Polen

Liebe Leserin, lieber Leser,

neun Tage ist der Überfall der Hamas auf Israel und die Massaker an der Zivilbevölkerung nun her. Es war mit über 1.400 Opfern der tödlichste Tag für jüdisches Leben seit dem Holocaust. Die israelische Reaktion erfolgte umgehend in Form von Luftschlägen und eine Bodenoffensive im Gaza-Streifen könnte unmittelbar bevorstehen. Für die aktuellen Entwicklungen empfehlen wir den Live-Blog der Zeit, wir konzentrieren uns auf die kommunikativen Fragen:

  • Den Social-Media-Terror der Hamas mit Spottanrufen und Mordvideos analysiert (€) der Spiegel.
  • Twitter/X versagte beim Kampf gegen Desinformation. So stammt etwa ein weit verbreitetes Video, das angeblich den Abschuss eines israelischen Hubschraubers zeigt, tatsächlich aus einem Computerspiel. Weitere Fälle von Desinformation fasst ein Thread des BBC-Journalisten Shayan Sardarizadeh zusammen.
  • Aber nicht nur Elon Musks Plattform, sondern auch Meta versagte bei der (selbst gestellten) Aufgabe, zuverlässige Informationen in Echtzeit zu liefern. Wie beide Unternehmen stattdessen reagieren, analysiert Sarah Frier bei Bloomberg (englisch).
  • Für Aufregung sorgte eine angebliche Schweigeminute für getötete Hamas-Terroristen im UN-Menschenrechtsrat unter Beteiligung Deutschlands. Die Fakten dazu kennt die dpa.
  • Die Bundestagssitzung zum Thema war eine historische: Das ARD-Hauptstadtstudio über “bemerkenswerte Einigkeit im Parlament”.
  • Vizekanzler Habeck drückte in einer bewegenden Rede (Video) seine Solidarität und Anteilnahme mit Israel aus.
  • Unterdessen bewiesen einige Linke wieder, dass Antisemitismus nicht nur von rechts ein Problem darstellt. Die “unglaublichen Israel-Verwirrungen von links” kommentiert Julius Geiler für den Tagesspiegel (€).
  • Auch auf vielen pro-palästinensischen Demonstrationen wurde der Terror unverblümt verherrlicht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages erklärt den Straftatbestand des “Öffentlichen Billigen von Völkerrechtsverbrechen und anderen Straftaten” in einem aktuellen Bulletin.
  • Das Jüdische Museum Berlin hat als Ausdruck der Solidarität eine Übersicht verschiedener Ansprechpartner zusammengestellt: Sie beinhaltet Spendenmöglichkeiten, psychologische Unterstützung für von Antisemitismus Betroffene und eine Meldestelle für antisemitische Vorfälle.
  • Wie Sie Ihre Kinder auf TikTok und Co. vor grausamen Kriegsbildern schützen, hat der SWR erklärt. Christian Stöcker beschäftigt sich in seiner Spiegel-Kolumne eher mit dem Umgang von Erwachsenen damit und schildert, warum eine Runde Tetris gegen traumatische Erlebnisse helfen kann.
  • Die politische Lage in Israel vor den Angriffen greift unser Buch der Woche auf.

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen sind vor diesem Hintergrund weit in den Hintergrund gerückt. Doch die Sondierungen zur Regierungsbildung haben in beiden Bundesländern Fahrt aufgenommen.

In Hessen hat Boris Rhein, der gerade auch MPK-Vorsitzender ist, mit Grünen und SPD gesprochen, die FDP (die für eine Mehrheit aber nicht nötig ist) folgt heute. Die Alternativen scheinen klar: Mit Schwarz-Grün weitermachen oder einer abgestraften SPD so viele Zugeständnisse abverhandeln, dass ein Wechsel des Koalitionspartners attraktiv ist. Den ersten Aufreger für das neue Parlament in Wiesbaden gab es auch schon: Die AfD-Fraktion will einen Abgeordneten nicht aufnehmen, weil dieser Kontakte zu Neonazis unterhält. Auch der Zählfehler in Oberursel klärte sich im Laufe der Woche auf; am Ende hatten die Grünen eine Stimme zu viel bekommen.

In Bayern sieht es nach einer Fortsetzung der Koalition aus CSU und Freien Wählern aus. Ein kleines politisches Beben gab es aber schon: Die Zweite Bürgermeisterin von München, Katrin Habenschaden, legt ihr Amt aufgrund der “hohen Belastung durch die öffentliche Rolle” nieder und wechselt zur Deutschen Bahn. Das ist schon die zweite schlechte Nachricht für die Landeshauptstadt, denn Wolfgang Görl kommentiert in der Süddeutschen, dass der Freistaat eh eine neue Hauptstadt braucht. Landshut zum Beispiel.

In beiden Bundesländern hat die Union gewonnen und die Ampel wurde abgestraft. Warum ein “neuer Konservatismus” den Menschen die weit verbreitete Angst vor Veränderung nehmen könnte, kommentiert Max Hägler in der Zeit. Auch die AfD konnte Erfolge einfahren: Warum gerade viele junge Leute die Partei gewählt haben, beleuchtet derweil der Spiegel (€).

In Polen hatten rechtspopulistische Töne gestern nicht das bessere Ende für sich: Mit der höchsten Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten deutet sich ein Machtwechsel in Warschau an. Die Opposition kann eine Mehrheit bilden und die rechtsnationale PiS-Partei ablösen.

  • Christoph von Marschall beim Tagesspiegel sieht ein klares Votum gegen den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat.
  • Entscheidend für den Regierungswechsel ist jedoch auch das Verhalten des Präsidenten Duda, schreibt die Welt.
  • Die Weltanschauung von dessen PiS-Partei hat Kai-Olaf Lang in einer SWP-Studie analysiert.
  • Eine Wahlnachlese zur Frühstückszeit bietet morgen zudem das Progressive Zentrum.

Einen Social-Media-Neustart suchen hierzulande viele Menschen bei Bluesky. Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman verließ Twitter/X bereits und legte den Ministerien nach, es ihr gleichzutun. Bisher bleiben aber alle Häuser auf der Plattform, wie eine Umfrage des Tagesspiegel ergab. Auf Bluesky sind bisher nur wenige, eine aktuelle Übersicht bietet Martin Fuchs auf Twitter/X.

  • Volker Weber hat sich den Blauen Himmel mit “einigen dunklen Wolken” in einer heise.de-Analyse angeschaut.
  • Für Journalisten gibt es jetzt eine “Fast Lane” für die gehypte Plattform, wie Johannes Bebermeier per Tweet berichtet.
  • Wir freuen uns natürlich, wenn Sie polisphere ebenfalls auf Bluesky folgen. Auch unser politjobs-Team ist schon dabei.
  • Ein paar Hacks für den Bluesky-Einstieg haben wir hier zusammengestellt. (Bisher leider nur für User zugänglich).

Weder auf Twitter noch Bluesky – zumindest nicht unter Klarnamen – ist Angela Merkel unterwegs. Hat sie kommunikativ offenbar auch nicht nötig und hält lieber regelmäßig persönlichen Kontakt zur jetzigen Bundesregierung, wie das ZDF berichtet.

Ob bei den Treffen auch die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz für den Politikbetrieb auf der Agenda stand, ist nicht bekannt. Ganz öffentlich möchten wir diese Frage aber mit Ihnen am Donnerstagabend ab 18:30 Uhr im Telefonica BASECAMP und im Livestream diskutieren (Anmeldung hier). Zusammen mit Marco-Alexander Breit (BMWK), Alexandra Wudel (Fem AI), Flora Geske (SUMM AI) und unseren Partnern von DCPolitics wollen wir das “erste Jahr ChatGPT” im politischen Betrieb reflektieren.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
Politticker
Vielfalt in der Kommunalpolitik

Wird die gesellschaftliche Vielfalt Deutschlands angemessen durch die Amts- und Mandatsträger:innen deutscher Großstädte repräsentiert? Diese Frage untersucht die Heinrich-Böll-Stiftung im dritten Teil ihrer “Vielfaltsstudie”, die die Realität der deutschen Kommunalpolitik analysiert. Die aktuell erschienenen Ergebnisse zur Vielfalt zeigen, dass es trotz bereits erreichter Verbesserungen noch immer große Repräsentationslücken in der Kommunalpolitik gibt. Diese betreffen unterschiedliche soziale Gruppen: So liegt der Frauenanteil der kommunalen Großstadtparlamente lediglich bei 37 %, Menschen mit…

Politikpanel zeigt hohe gesellschaftliche Spaltung

Gesellschaftlich wird weiterhin ein hohes Spaltungsniveau wahrgenommen, so die aktuelle Politikpanel-Umfrage der Universität Freiburg. Dafür wurden zwischen 28. September und 8. Oktober rund 10.000 Personen zu aktuellen politischen Themen befragt. Dabei zeigte sich u.a., dass die Krisenwahrnehmung hinsichtlich Migration aktuell auf dem gleichen Stand wie 2015 liegt und somit in den letzten Monaten stark angestiegen ist. In allen anderen abgefragten Bereichen wie dem Ukraine-Krieg, der Inflation oder der Pandemie ging die…

POLITICO-Newsletter für Deutschland angekündigt

POLITICO startet im neuen Jahr mit einem speziell auf Deutschland ausgelegten Angebot: Der Newsletter “Playbook” soll als Flagschiff-Produkt in Berlin der Markteintritt von POLITICO hierzulande sein. Geleitet wird das Berliner POLITICO-Team von Gordon Repinski, der von The Pioneer kommt und die Position des Executive Editor Germany übernehmen wird. Als General Manager wird Cecil von Busse bei POLITICO Deutschland beginnen. Die genauen Inhalte des Newsletters sind zwar noch nicht bekannt, aber er…

Digitale Transformation der Verwaltung

59 % der deutschen Bürger:innen empfinden den Kontakt zu Behörden als sehr anstrengend. Dies fand der eGovernment Monitor 2023 heraus, der die digitale Transformation der Verwaltung in den DACH-Ländern untersucht und dabei besonders Fortschritte und Schwachstellen identifizieren möchte. Der Monitor wird von der Initiative D21 durchgeführt und liefert seit 2010 ein jährliches Lagebild. Dieses Jahr zeigte sich u.a., dass KI auch im Verwaltungsbereich wichtiger wird: Über die Hälfte der Bürger:innen glaubt,…

Umgang der Bundespräsidenten mit NS-Vergangenheit

Wie sind die ersten Bundespräsidenten der BRD mit der NS-Geschichte und insbesondere früheren NSDAP-Mitgliedern umgegangen? Eine Studie im Auftrag von Bundespräsident Steinmeier hat die Amtszeiten von sechs Bundespräsidenten untersucht und dabei herausgefunden, dass zahlreiche Ex-Mitglieder der NSDAP beim Bundespräsidialamt beschäftigt waren. In den höheren Diensträngen fanden sich umso mehr von ihnen, aber kaum direkte personelle Kontinuitäten – im Gegensatz zu den meisten Bundesministerien. Laut dem projektleitenden Historiker Norbert Frei lassen sich…

Wahltrend
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Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Saul Friedländer

Blick in den Abgrund. Ein israelisches Tagebuch

Seit dem fatalen Terrorangriff der Hamas auf Israel wird darüber diskutiert, wie dies trotz starker Sicherheitsvorkehrungen möglich gewesen ist. Eine These lautet, die innere Spaltung und Polarisierung Israels habe zur Ablenkung und Vernachlässigung der sicherheitspolitischen Situation an der Grenze zu Gaza beigetragen. Wie die Lage im Land in den Monaten vor dem Angriff ausgesehen hat, schildert Saul Friedländer in seinem Buch, das diese Woche auf Deutsch erscheint.

In Tagebuchform zeigt der renommierte Historiker und Holocaust-Überlebende die Ursprünge und Folgen der gesellschaftlichen Spaltung auf, wobei das zentrale Thema der Antritt und die Politik der ultrarechten Regierung von Benjamin Netanjahu ist – insbesondere die hoch umstrittene Justizreform, die von vielen Menschen als Bedrohung der israelischen Demokratie angesehen wird. Die Tagebucheinträge umfassen zwar nur die Zeit von Januar bis Juli 2023, aber mittels historischer Rückblenden und Erklärungen analysiert Friedländer neben der aktuellen Lage auch wichtige Aspekte des Nahostkonflikts: den politischen Streit innerhalb Israels, die Besatzung und Besiedlung des Westjordanlandes, die Gewalttaten radikaler Siedler gegen Palästinenser und die Angriffe palästinensischer Terrorgruppen auf israelische Bürger:innen. Dies ergibt in der Summe eine lesenswerte Bestandsaufnahme der Situation Israels kurz vor der aktuellen Eskalation.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Tweet der Woche

Kulinarische Verstimmung

Staatsbesuche bedeuten für die Beteiligten oft auch eine Tour d’Horizon der kulinarischen Eigenheiten des Gastgeberlandes. Diese gelingt aber nicht immer, wie die Reaktionen von Emmanuel Macron und Britta Ernst auf Hamburger Fischbrötchen nahelegen. (Am gleichen Beitrag von Hanna Herbst auf Twitter lassen sich übrigens gut aktuelle Unterschiede zu Bluesky erkennen, was den Tonfall und die Zahl der Interaktionen angeht.)

Stakeholder der Woche

Botschaft der Republik Polen

Die Botschaft der Republik Polen fungiert als diplomatische Vertretung des Nachbarlandes in Deutschland und gliedert sich in sieben Abteilungen, u.a. Presse, Politik, Wirtschaft und Verteidigung. Ihren Sitz hat die Botschaft in Berlin-Grunewald, zudem wird sie durch drei Generalkonsulate in Hamburg, Köln und München ergänzt. Polnischer Botschafter in Deutschland ist Dariusz Pawłoś, der zuvor als Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks arbeitete.
Jobs

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17. Oktober 2023