Spione und Hetzer vor Gericht

EDITORIAL: Spione und Hetzer vor Gericht

MELDUNGEN: Demokratie-Akteursmapping | Mehr Angriffe auf Journalist:innen | Tracker zu KI-Einsatz vor Wahlen | Forschungsmonitor zu digitaler Propaganda | Demokratische Innovation als politisches Tool u.v.m.

WAHLTREND: FDP genau bei 5 %

BUCH: DAutomated Democracy. Die Neuverteilung von Macht und Einfluss
im digitalen Staat

FUNDSTÜCK: Fuchs findet Hundt

STAKEHOLDER: Mercator Institute for China Studies

Liebe Leserin, lieber Leser,

72 Stunden – so lange hat Olaf Scholz bisher kein anderes Land als Bundeskanzler besucht. Mit seinem neuen TikTok-Account im Gepäck ging es ins Mutterland des Betreiberunternehmens ByteDance nach China. Datenschutz und Cybersicherheit waren dabei aber bei weitem nicht die konfliktärsten Themen: vom Umgang mit Russland über den Nahost-Konflikt bis zu widerstreitenden Handelsinteressen gab es hinreichend Gesprächsstoff.

  • Warum Scholz sich in China schwer getan hat, analysiert Diana Zimmermann beim ZDF.
  • Zu Scholz’ Delegation nach Peking gehörten neben den Minister:innen Özdemir, Wissing und Lemke auch rund ein Dutzend Top-Manager:innen, wie die Süddeutsche weiß.
  • Was bei einem Besuch bei der (kommenden) Supermacht laut Warnung des Verfassungsschutzes wegen Spionagegefahr auch für einen Bundeskanzler beachtet werden sollte, erklärt die Berliner Morgenpost.
  • Heute wurde zudem bekannt, dass die Bundesanwaltschaft drei Deutsche wegen mutmaßlicher Spionage für den chinesischen Geheimdiensfestnehmen lassen hat. In London wurde außerdem Anklage gegen den Parlamentsmitarbeiter Chris Cash wegen Spionage erhoben.

Damit steht Peking seinen Freunden aus Moskau in nichts nach. Auch hier gibt es einen neuen Spionageverdacht: In Bayern sind zwei mutmaßliche russische Spione festgenommen worden, die US-Militärbasen in Deutschland ins Visier genommen haben sollen.

  • Einen Überblick über die Festnahmen und deren Hintergründe bietet die Zeit in Form eines FAQs.
  • Der BR porträtiert einen der beiden festgenommenen Russlanddeutschen aus Sicht seiner Nachbar:innen.
  • Beide Verdächtige sind sogenannte „Russlanddeutsche„. Über deren schwierige Rolle und Geschichte schreibt Inna Hartwich für die NZZ.
  • Wie die Festnahme auch die Spekulationen über zwei Vorfälle auf Militäranlagen in Großbritannien und den USA neu entfacht, erklärt die Frankfurter Rundschau.

Ob die Enthüllungen einen Einfluss auf die Entscheidung des US-Kongresses hatten, der Ukraine (sowie Israel und Taiwan) neue Waffen zu liefern, darf bezweifelt werden. Aber das neueste Waffenpaket aus den USA ist dennoch ein wichtiges Signal. Nicht nur aufgrund der schieren Größe von 57 Milliarden €. Auch im derzeitigen Wahlkampf ist die parteiübergreifende Entscheidung eine Niederlage für Putins Spalterei: Kein einziger Demokrat stimmte dagegen, bei den Republikanern bildeten sich zwei fast gleich große Pro- und Contra-Lager.

  • Welche Waffen nun genau geliefert werden, fasst die Tagesschau zusammen. Die konkreten Ausgabepläne der Ukraine kennt zudem die Welt.
  • Die Reaktionen aus Kyjiw und Moskau sowie von weiteren Staatschefs fielen gemischt aus.
  • Maßgeblich verantwortlich dafür, dass die Republikaner für das Paket und gegen die Trump-Linie gestimmt haben, war der Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson. CNN analysiert seine Rolle und seinen Sinneswandel.
  • Zur Bedeutung von Donald Trump für die Abstimmung hat sich das ZDF Gedanken gemacht.

Der umstrittene Ex-Präsident hat sowieso erstmal andere Probleme: Sein Prozess wegen Vertuschung einer angeblichen Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin nimmt Fahrt auf. Es handelt sich um den ersten Strafprozess gegen einen ehemaligen US-Präsidenten in der Geschichte des Landes.

  • Die Auswahl der Jury war schwierig. Wie der Entscheidungsprozess ablief und was über die 12 Juror:innen bekannt ist, fasst die Frankfurter Rundschau zusammen.
  • Der zuständige Richter Juan Merchan hat bereits eine “Bilderbuch-Laufbahn” hinter sich, weiß die Berliner Morgenpost.
  • Neben juristischen hat Trump offenbar auch körperliche Probleme: Laut der Morgenpost wird der Prozess durch Trumps Blähungen zusätzlich erschwert.
  • Warum nun auch die Hinterlegung der Kaution in einem weiteren drohenden Prozess gegen Trump für Ärger sorgt, erklärt der Spiegel.

Ebenfalls vor Gericht muss sich derzeit Björn Höcke verantworten. Ihm wird Volksverhetzung durch die Verwendung der SA-Parole “Alles für Deutschland” bei Wahlkampfauftritten vorgeworfen. Sollte er verurteilt werden, könnte er sein passives Wahlrecht verlieren, was Auswirkungen auf seine Kandidatur bei den Thüringer Landtagswahlen haben würde. Warum der Prozess jedoch auch zum “Opfermythos” für Höcke werden dürfte, erklärt der Rechtsextremismus-Experte Dierk Borstel beim DLF. Auch unabhängig von Höcke kam es im letzten Jahr zu deutlich mehr rechtsextremen Straftaten, wie aktuelle Zahlen des Innenministeriums zeigen.

Keine juristische, aber eine politische und gesellschaftliche Aufarbeitung soll es zur Corona-Pandemie geben. So erwägt die Ampel, einen entsprechenden Bürgerrat einzuberufen.

Kommuniziert werden könnte dieses Vorhaben dann auch über den neuen Whatsapp-Kanal der Bundesregierung: Dieser wurde vergangene Woche gestartet und soll nun über aktuelle Entscheidungen und Pläne der Bundesregierung informieren – neben Scholz’ TikTok-Präsenz eine weitere bislang unerprobte Kommunikationsoffensive.

 

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
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Politticker
Demokratische Innovation als politisches Tool

Demokratische Innovation kann ein wichtiges Tool für Bürgerpartizipation sein. Das konstatiert die Apolitical Foundation und untersucht in einem neu erschienenen Report die Rolle von Politiker:innen in entsprechenden Prozessen. Darunter werden Möglichkeiten gefasst, wie Bürger:innen ihre Gesellschaft unabhängig von Wahlen beeinflussen können. Der Report zeigt, dass Politiker:innen unabhängig von ihrer Partei zwar erkennen, dass sich Prozesse erneuern müssen, gleichzeitig demokratische Innovationen jedoch nicht als “dringend” ansehen und den Begriff eher…

Mehr Angriffe auf Journalist:innen

69 Angriffe auf Journalist:innen wurden 2023 in Deutschland erfasst. Davon ereigneten sich 25 alleine in Berlin und 13 in Sachsen, während der Wert in den anderen Bundesländern im einstelligen Bereich lag. Dies zeigt eine Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit, die Statistiken, Hintergründe und Urheber von Angriffen auf Journalist:innen zusammenfasst. Es zeigt sich unter anderem, dass Demonstrationen bei weitem der gefährlichste Arbeitsplatz für Journalist:innen sind: 77 % aller…

Forschungsmonitor zu digitaler Propaganda

Welche Strategien verfolgt digitale Propaganda und was lässt sich dagegen tun? Acht Studien zu dieser Frage stellt der neue Forschungsmonitor der Landesanstalt für Medien NRW vor, darunter ein Literaturüberblick, eine Untersuchung von Astroturfing und Analysen zur Verbreitung von Propaganda auf Twitter, TikTok und Telegram. Eine der vorgestellten Studien befasst sich z.B. mit der visuellen Verschleierung russischer Desinfo-Accounts. Der Forschungsmonitor verdeutlicht insgesamt, dass potenziell demokratiegefährdende Prozesse nur eingedämmt werden können,…

Tracker zu KI-Einsatz vor Wahlen

Mit der Verbreitung von Künstlicher Intelligenz und ihrer leichten Zugänglichkeit steigt auch die Gefahr von KI-generierter Desinformation. Um derartige Fälle insbesondere im Superwahljahr 2024 zu tracken und zu enttarnen, betreibt die journalistische Organisation Rest of the World seit diesem Jahr einen AI Elections Tracker. Dieser soll einen Überblick geben, wo KI im Kontext anstehender Wahlen eingesetzt wurde, um Desinformation zu verbreiten. Zu den kürzlich enttarnten Beispielen gehören etwa ein Fake-Video…

Demokratie-Akteursmapping

Welche Organisationen arbeiten im Bereich der Demokratieförderung und wie sind sie vernetzt? Einen grafischen und interaktiven Überblick darüber bietet die Akteurs-Karte “Demokratie verteidigen, beleben und erneuern”, die vom Bündnis “Kräfte bündeln für Demokratie” entwickelt wurde. Neben einem Informationstool soll die Karte auch als Vernetzungsmöglichkeit fungieren, um Gleichgesinnte und Unterstützungsmöglichkeiten zu finden. Zu diesem Zweck lassen sich die Akteur:innen entweder nach ihren Zielen oder nach Bundesländern sowie Angeboten und Bedarfen…

Wahltrend
22.04.

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Christian R. Ulbrich & Bruno S. Frey

Automated Democracy

Welchen Einfluss hat die fortschreitende Digitalisierung auf die Demokratie und auf staatliche Institutionen? Und was muss getan werden, damit die angestoßene Entwicklung hin zu einem digital-technologischen Staat, der allen dient, gelingt? Christian R. Ulbrich und Bruno S. Frey erklären in ihrem erhellenden Buch die grundlegenden digitalen Dynamiken sowie die Risiken und Chancen, die mit dem digitalen Staat einhergehen. Sehr wahrscheinlich werden etwa administrative digitale Plattformen entstehen, die als Gatekeeper ähnlich dominant sein könnten wie die Unternehmen aus dem Silicon Valley. Zudem machen die beiden Wissenschaftler konkrete Vorschläge zur Stärkung der demokratischen Institutionen: Sie plädieren z.B. dafür, die Parlamente technologisch aufzurüsten, Standards der dezentralen Digitalisierung im Sinne des Föderalismus zu fördern, das IT-Outsourcing mit Blick auf die staatliche digitale Souveränität zu begrenzen, Algorithmen einzuhegen sowie menschliche und künstliche Hoheitsbereiche zu definieren.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@wahl_beobachter

Fuchs findet Hundt

Neben der Europa- rücken auch mehrere Kommunalwahlen immer näher, wie man an vielen Orten an den ersten Wahlplakaten merkt. Ein besonders schönes, weil mit selbstironischem Wortspiel versehenes Exemplar aus Jena präsentiert der Hamburger Wahlbeobachter Martin Fuchs hier dem Twitter-Publikum.

Stakeholder der Woche

Mercator Institute for China Studies

Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist ein unabhängiger Think Tank und gleichzeitig das größte Forschungsinstitut Europas, das sich ausschließlich mit der Analyse des aktuellen Chinas und seiner Beziehungen zu Europa und der Welt beschäftigt. Dabei vermittelt MERICS Erkenntnisse aus der China-Forschung in die Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger:innen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Geleitet wird das MERICS, das von der Stiftung Mercator initiiert und gefördert wird, von Direktor Mikko Huotari. Sitz des Instituts ist Berlin und Brüssel.

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23. April 2024