Größter anzunehmender Haushaltsunfall

EDITORIAL: Größter anzunehmender Haushaltsunfall

MELDUNGEN: Toolkit von Parteiwatch | Capital Top 40 unter 40 | Neue Re:Form-Initiative zur Verwaltungsreform | Informationsverhalten junger Menschen | Frauen in deutschen Stiftungen u.v.m.

WAHLTREND: Keine Bewegung

BUCH: Regieren in der Transformationsgesellschaft. Impulse aus Sicht der Regierungsforschung

FUNDSTÜCK: Hat er jetzt nicht gesagt?!

STAKEHOLDER: Bundesministerium der Finanzen

Liebe Leserin, lieber Leser,

„wenn sie erfolgreich ist, würde das Deutschland wirtschaftspolitisch wirklich hart treffen, wahrscheinlich so hart, dass wir das nicht bestehen werden“, sagte Robert Habeck zur Klage der Unionsfraktion gegen die Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF). Allerdings schon im Juni bei einer Bundestagssitzung. Natürlich ging es ihm damals mit der dramatischen Sprache um einen Angriff auf die Opposition und nicht mal die Schwarzmaler zeichnen derzeit Kollaps-Szenarien an die Wand, aber klar ist: Dass das Bundesverfassungsgericht am letzten Mittwoch die Finanzierung des KTF kippte und damit den Bundeshaushalt 2021 für “nichtig” erklärt hat, ist eine der schwersten – vielleicht die schwerste – Niederlagen der Ampel-Regierung bisher. Das Protokoll eines denkwürdigen Tages zeichnet Florian Schillat für den Stern nach.

Die Urteilsbegründung hat es in sich: Die Umwidmung der unverbrauchten Corona-Notkredite in den KTF sei schlecht begründet, zu spät beschlossen und an der Schuldenbremse vorbei. Drei Gründe, von denen schon jeder für sich die Entscheidung rechtfertigen würde, wie die Vorsitzende Richterin betonte. Die drei düpierten Verantwortlichen des KTF-Plans, der von Scholz erdacht war, von Lindner ausgeführt wurde und Habeck nun das Leben schwer macht, versuchten in einem gemeinsamen Statement (hier im Video) trotzdem Zuversicht zu verbreiten.

Wie man es aber dreht und wendet: Der Regierung fehlen nun auf einen Schlag 60 der 212 Milliarden Euro, die als Zukunftsinvestitionen durch den Fond bis 2027 getätigt werden sollten. Das Geld gehört zwar nicht zum regulären Bundeshaushalt, aber auch dieser steht nun unter Vorbehalt, weshalb ein Notlagenbeschluss für 2023 in Betracht gezogen wird. Der finale Haushalt kann nach der Bereinigungssitzung vom Donnerstag erst in dieser Woche entschieden werden. Trotzdem gibt es schon ein paar Erkenntnisse, wie die Geldflüsse im kommenden Jahr aussehen werden.

Dem bereits abgewetzten Triebwerk der Ampel wurde nun also der Schmierstoff entzogen – das Geld. Dabei kann es noch schlimmer kommen: Der weitaus größere Wirtschaftstabilisierungsfonds (WSF) ist ähnlich kreativ finanziert wie der KTF und auch gegen den erwägt die Union eine Klage. Robert Habeck zeigt sich hierzu bereits pessimistisch und befürchtet das Ende der Energiepreisbremse. Weitere Hintergründe:

  • Welche Projekte nun auf der Kippe stehen, weiß der Spiegel.
  • Die genaue Argumentation des BVerfG zeichnet die Tagesschau nach.
  • Was bei der Gestaltung des KTF 2022 passiert ist, rekonstruiert der Standard.
  • Warum die Union sich nicht zu früh freuen sollte und sich selbst ihren zukünftigen Spielraum eingeengt hat, kommentiert Stephan-Andreas Casdorff beim Tagesspiegel.
  • Warum die Gewinner dennoch die Steuerzahler sind, erklärt Hans-Joachim Vieweger für die Tagesschau.
  • Vorschläge aus der Zivilgesellschaft, wo die Regierung das Geld für Klima und Transformation nun auftreiben könnte, macht Felix Oldenburg auf LinkedIn.
  • Mit welchen Herausforderungen das Regieren in der Transformationsgesellschaft konfrontiert ist, thematisiert zudem unser Buch der Woche.

Wenn es beim Konflikt zwischen China und den USA nur um Geld gehen würde, wäre er wohl weitaus weniger bedrohlich. Doch zwischen den Supermächten steht mehr auf dem Spiel und so wurde das Treffen von Joe Biden und Xi Jinping in San Francisco mit Spannung erwartet. Eine vorsichtig positive Bilanz zieht Doris Simon beim DLF.  Nur bei der Antwort auf die Frage einer Journalistin, ob Biden seinen chinesischen Gast immer noch als Diktator bezeichnen würde, starb sein Chefdiplomat und Außenminister Antony Blinken tausend Tode, wie unser Fundstück der Woche zeigt.

Auch der Besuch von Erdogan in Berlin sorgte für unruhige Tage in diplomatischen Kreisen. Am Ende ging auch dieser Auftritt ohne Eklat über die Bühne, wenngleich die Differenzen im Nahostkonflikt deutlich wurden. Kaum zurück in der Türkei warf Erdogan Bundespräsident Steinmeier und “dem anderen” (gemeint war Scholz) vor, „imperialistische Ideale der Kreuzritter” zu vertreten.

Gepoltert wurde auch in Augsburg. Dort fand am Wochenende der Europaparteitag der Linken statt. Nach der BSW-Abspaltung sollte er ein Signal der Geschlossenheit und des Neuanfangs senden sowie die Spitzenkandidat:innen für die Europawahl küren: Martin Schirdewan und die parteilose Carola Rackete symbolisieren das neue Selbstverständnis der Linken als “verbesserte Grüne”, schreiben Uli Hauck und Moritz Rödle.

Dass es bei der Linken aber auch nach dem Wagenknecht-Exit noch brodelt, zeigte eine Auseinandersetzung auf offener Bühne: Schirdewans Gegenkandidat Bijan Tavassoli beschimpfte die Partei, lobte Wagenknecht, erklärte dann live seinen Austritt – und weigerte sich daraufhin, die Bühne zu verlassen (Szene im Video). Auch hinsichtlich des Nahostkonfliktes herrscht Uneinigkeit in der Partei, wie die ARD-Korrespondentin Sarah Frühauf auf Twitter/X zeigt. Das erneuerte Erscheinungsbild der Partei, das Nicolas Schwendemann hier vorstellt, ging dadurch glatt etwas unter.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
Politticker
Toolkit von Parteiwatch

Wie lässt sich der Zugang zu den vorderen Plätzen der Wahllisten inklusiver gestalten? Dieser Frage widmet sich das “Toolkit” des Projektes Parteiwatch, das auf eine Initiative des Vereins Wir für Demokratie zurückgeht. Das Parteiwatch-Toolkit sammelt Lösungsansätze wie marginalisierte Gruppen besser erreicht und repräsentiert werden können. Parteimitglieder sollen befähigt werden, einen transparenten und inklusiven Listenaufstellungsprozess durchzuführen.

Capital Top 40 unter 40

Zum 16. Mal hat das Wirtschaftsmagazin Capital die “Top 40 unter 40“ gekürt. Ausgezeichnet werden jedes Jahr 160 Talente unter 40 Jahren aus den Bereichen Management, Unternehmertum, Politik und Gesellschaft.  Zu den Preisträger:innen 2023 gehören in der Kategorie “Gesellschaft” etwa die ProjectTogether-Geschäftsführerin Henrike Schlottmann sowie die Sprecherin der Werteinitiative Anna Staroselski. Im politischen Bereich wurden etwa BMBF-Referentin Viktoria Venus, Baerbock-Referent Robert Gidius, Grünen-BGF Emily Büning, BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg, Integrations-Staatsministerin…

Initiative zur Verwaltungsreform

“Experimente für den Staat von morgen”: Dies begreift die Initiative Re:Form als Kern ihrer Tätigkeiten, um Staat und Verwaltung zu reformieren. Initiiert von ProjectTogether versteht sich Re:Form als Allianz für den Staat von morgen, die “Verwaltungspioniere” untereinander vernetzen möchte und so in der Praxis zeigt, wie eine zukunftsfähige Verwaltung aufgestellt sein kann und wie eine Reform des Staates erfolgreich umgesetzt werden kann. Zu diesem Zweck soll etwa ein Siegel…

Studie zu gering informationsorientierten jungen Menschen

Unter jungen Erwachsenen nimmt das Interesse an aktuellen Informationen und die Erreichbarkeit durch journalistische Angebote ab. Informationen werden insbesondere über Social Media bezogen. Mit den Bedürfnissen und Nutzungspraktiken dieser sog. “gering Informationsorientierten” hat sich eine Studie des Hans-Bredow-Instituts im Rahmen des Projektes “UseTheNews – Nachrichtennutzung und Nachrichtenkompetenz im digitalen Zeitalter” auseinandergesetzt. Die Befragten haben wenig Interesse am allgemeinen Weltgeschehen, einzelne Themen sind vor allem dann interessant, wenn es persönliche Berührungspunkte…

Frauen in deutschen Stiftungen

Frauen leisten den operativen Hauptteil der Stiftungsarbeit, sind jedoch in Vorständen und Geschäftsführungen mit einem Anteil von einem Drittel deutlich unterrepräsentiert. Dies zeigen Zahlen zur Beteiligung von Frauen in Stiftungen in Deutschland, die auf einer Befragung des Stiftungspanels im ersten Quartal 2023 basieren. Dabei ist die Beteiligung von Frauen in Stiftungsvorständen nicht gleichmäßig verteilt: Hier lassen sich Zusammenhänge mit den jeweiligen Eigenschaften der Stiftungen identifizieren, wobei Frauen etwa bei…

Wahltrend
Wahltrend 20 November 2023

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Karl-Rudolf Korte, Philipp Richter, Arno von Schuckmann (Hrsg.)

Regieren in der Transformationsgesellschaft

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Einhaltung der Schuldenbremse betrifft im Bundeshaushalt speziell den Klima- und Transformationsfonds, wodurch für die damit verbundenen Aufgaben dringend benötigtes Geld fehlt. Wie groß die Herausforderungen des Regierens in der Transformationsgesellschaft ohnehin schon sind, zeigt der vielfältige Sammelband von Karl-Rudolf Korte, Philipp Richter und Arno von Schuckmann auf. Die drei Politikwissenschaftler versammeln darin 30 Beiträge zu den Schwerpunkten Demokratie, Daseinsvorsorge, Digitalisierung und Demographie – wobei die Themen der einzelnen Texte breit variieren: vom Management der Transformation und Vielfachkrisen über sozialpolitische Herausforderungen bis zur politischen Regulierung von Künstlicher Intelligenz. Die Beiträge, u.a. von Jan Hofer, Markus Kaim und Susanne Pickel, sollen sowohl das Verständnis für die anstehenden Herausforderungen schärfen als auch Denkanstöße geben und Lösungsansätze skizzieren.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@YWNReporter

Hat er jetzt nicht gesagt?!

Als US-Außenminister hat man es derzeit nicht leicht. Erst recht nicht, wenn der eigene Chef den chinesischen Staatsgast vor der versammelten Presse erneut als Diktator bezeichnet. Auf Antony Blinkens vielsagende Reaktion weist hier der Journalist Moshe Schwartz hin.

Stakeholder der Woche

Bundesministerium der Finanzen

Das Bundesministerium der Finanzen zählt zu einem der größten Ressorts der Bundesregierung und hat die Ziele, für Wohlstand und wirtschaftliche Stabilität in Deutschland und Europa zu sorgen sowie gleichzeitig an der globalen Finanz- und Steuerpolitik mitzuarbeiten. Zu diesem Zweck prägt das BMF die Haushalts- und Finanzpolitik, plant und vergibt Investitionen und achtet auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Geleitet wird das BMF von Bundesfinanzminister Christian Lindner.
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20. November 2023