Doppelter Ampel-Fehlstart

Liebe Leserin, lieber Leser,

es gäbe unzählige Wege, sich nach der zerstrittenen Vorstellung der letzten Monate geschlossener aus der Sommerpause zurückzumelden. Die Ampel bleibt sich trotzdem lieber treu. Daran waren auch (teils unfreiwillig) zwei Grüne Ministerinnen beteiligt.

Familienministerin Lisa Paus kam mit einem Paukenschlag aus den Ferien: Sie blockierte bei der ersten Kabinettssitzung nach der Sommerpause das “Wachstumschancengesetz” der FDP – und setzte damit den Ampelstreit der letzten Monate nahtlos fort, diesmal aber in vertauschten Rollen. Dass die FDP stinksauer war, versteht sich von selbst, auch die SPD war “fassungslos” (Lars Klingbeil) und die eigenen Parteifreunde wirken ebenfalls eher ambivalent ob des Alleingangs des BMFSFJ, zumal auch Vizekanzler Habeck damit nicht gut wegkommt. Der dringend benötigte Neustart ist vorerst in Rekordgeschwindigkeit gescheitert. Mehr Hintergründe zum Paus-“Veto”, das keins ist: 

• Einige Reaktionen auf Paus’ Vorstoß hat die Tagesschau zusammengestellt.
• Eine Analyse des Ampel-Fehlstarts haben Stefan Braun und Horand Knaup für Table-Media vorgenommen.
• Warum Paus’ Intervention kein eigentliches Veto, sondern ein sogenannter Leitungsvorbehalt war, der gar nicht so selten vorkommt und worum es sich dabei handelt, erklärt Reymer Klüver in der Süddeutschen.
• Eine Lösung soll nun die nächste Kabinettsklausur in Meseberg am 29. und 30. August bringen, bei der eigentlich die wirtschaftliche Situation im Mittelpunkt stehen soll, wie die Tagesschau berichtet.
• Ihre Zerknirschtheit versuchte die FDP in Social Media Kreativität zu wandeln, wie u. a. dieser Tweet von Muhanad Al-Halak und dieser Insta-Post der Bundestagsfraktion zeigt. 

Die Startschwierigkeiten von Parteifreundin und Außenministerin Annalena Baerbock waren hingegen gänzlich ungewollter Natur: Ihr Regierungsflieger strandete auf dem Weg nach Australien, Neuseeland und Fidschi in Abu Dhabi, wo er nach zwei Versuchen wegen defekter Landeklappen auf dem Boden bleiben musste. Für den Airbus A340 war es das jetzt: Er wird zusammen mit einem anderen Modell vorzeitig ausgemustert. Die Indo-Pazifik-Reise der Außenministerin wurde ebenfalls abgesagt. Aus Dubai ging es mit dem Linienflieger zurück nach Berlin. „Sowas ist auch in der Geschichte der Flugbereitschaft noch nicht passiert“, sagte der verantwortliche Kapitän.

• Warum der Umstieg auf Linienflüge für Regierungsmitglieder in Zeiten der Klimakrise die Regel sein sollte, hat Anja Krüger von der taz erklärt. Auch Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch will die Flugbereitschaft abschaffen.
• Warum es ganz und gar nicht im Interesse des Landes wäre, wenn Kabinettsmitglieder ungeduscht, mit Jetlag oder (dank Notlandung in Island) gar nicht mehr ihre Aufgaben wahrnehmen könnten, hat Krügers Kollege Bernhard Pötter kommentiert.
• Ein Best of der Flugbereitschaftsfails hat der Tagesspiegel zusammengetragen.
• Wer den Flugklappendefekt hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Der Spiegel hat gesammelt, wie die internationale Gemeinschaft auf den peinlichen Vorfall reagiert.
• Anlass der Reise war u. a. die Eröffnung einer deutschen Botschaft auf den Fidschi-Inseln. Till Fähnders von der FAZ mit Details.
• Die Indo-Pazifik-Reise soll schnellstmöglich nachgeholt werden. Warum die Zielregion geopolitisch wichtig ist, hat die Frankfurter Rundschau bereits im vergangenen Dezember analysiert. Die Motivation der Bundesregierung hat Baerbock aktuell zudem im Interview mit Table.Media erläutert.

Kurz vor dem Ende der parlamentarischen Sommerpause knirscht es aber nicht nur in der Ampel. Auch die Linke setzt ihre Dauer-Krise fort: Nach Amira Mohamed Ali hat nun auch Dietmar Bartsch angekündigt, im September nicht mehr als Fraktionsvorsitzender anzutreten. Damit verliert die Partei in der Führungsposition einen wichtigen Integrationsfaktor für die schon jetzt hoch zerstrittene Fraktion. Als mögliche Nachfolger werden unter anderem Parteichefin Janine Wissler und der Bundestagsabgeordnete SörenPellmann gehandelt. Ob die Linke angesichts der internen Konflikte als Partei noch eine Zukunft hat, wurde ausführlich im Deutschlandfunk besprochen. Ob Flugbereitschaftskritikerin Gesine Lötzsch die Partei retten könnte, weiß Albert Funk.

Harmonischer verlief hingegen der “Tag der offenen Tür” der Bundesregierung am vergangenen Wochenende. Was Fallschirmspringer, Protestierende und Liegestühle damit zu tun haben, lässt sich anhand einer Fotostrecke des Spiegels nachvollziehen. Zu Gast waren neben Politiker:innen auch die Musiker Thees Uhlmann und Tocotronic, worüber Wolfgang Schmidt als Chef des Bundeskanzleramtes besonders erfreut war. Es gab aber auch skurrile Szenen, die die Berliner Morgenpost zusammengefasst hat

Am kommenden Montag bleiben wir noch in der Sommerpause, ab dem 4. September geht es dann wieder im wöchentlichen Rhythmus mit den politnews weiter. Bis dahin (und gern darüber hinaus) können Sie uns aber auf LinkedIn für Updates aus dem Politikbetrieb folgen.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart