Das Brandmäuerchen

EDITORIAL: Das Brandmäuerchen

MELDUNGEN: Halbzeitbilanz der Ampel | Umfrage zum Lobbyregister | Schulische Demokratiebildung | Innovationen in der Regierungskommunikation | Förderfonds “Begegnung und Zusammenarbeit” u.v.m.

BUCH: Hier liegt Bitterkeit begraben. Über Ressentiments und ihre Heilung

TWEET: Deutschland, Dein Spitzensport

JOBS: Persönliche Referent:in (Hans Hammer, Stadtrat der Landeshauptstadt München) | Referent:in für Stadtentwicklung, Wohnen, Bau, Arbeitsmarkt (DIE LINKE Bürgerschaftsfraktion Bremen) | Organisatorische Geschäftsführung & Wahlkampfleitung (Bündnis 90/Die Grünen Kreisverband München-Stadt) | Berater:in für das Projekt “ProjekteWerkstatt für Qualitätsprozesse” (Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung) u.v.m.

EVENTS: re:publica x Reeperbahn Festival | Kunst in Gefahr! Wie verändert KI den Wert künstlerischen Schaffens (Weizenbaum-Institut) | Gamechanger Geothermie - So gelingt die Wärmewende (Friedrich-Naumann-Stiftung) | Forum Nachhaltigkeit 2023 (Deutsche Bahn) | CHECKPOINT Political Consulting (politjobs)

STAKEHOLDER: Thüringer Verfassungsschutz

Liebe Leserin, lieber Leser,

die “Brandmauer gegen die AfD” gehört nicht nur zu den stark abgenutzten Begriffen, auch ihre politische Existenz ist inzwischen doch recht runtergerockt: In Thüringen wurde letzte Woche ein CDU-Antrag zur Senkung der Grunderwerbsteuer von FDP und AfD mitgetragen. Ein Novum, für viele ein Tabubruch und die Reaktionen fielen entsprechend deutlich aus. Der Vorwurf: Die CDU habe bewusst in Kauf genommen, dass die AfD auf diese Weise Gestaltungsmacht bekommt. Denn ohne die AfD-Stimmen wäre der Antrag nicht durchgegangen. Die erste gemeinsame Entscheidung ist es aber nicht: Der Deutschlandfunk über den Verlauf der Brandmauer und einen Vergleich der bisherigen Abstimmungen.

  • Der Thüringer Partei- und Fraktionsvorsitzende Mario Voigt verteidigte das Vorgehen der CDU im Tagesthemen-Interview. Die Menschen hätten “die Schauze voll von diesen polit-taktischen Spielen”. Am Wochenende sprach er im Interview mit Stefan Braun von Table.Media über den Vorgang.
  • In einem sehr lesenswerten Twitter-Thread hat sein Parteifreund Kai Whittaker dargelegt, warum das Vorgehen ein Fehler war. Auch Daniel Günther war in seiner Kritik sehr klar.
  • Zumal der Verdacht besteht, dass es in Erfurt Absprachen mit der AfD zum Steuergesetz gegeben hat.

Und am Ende steht wieder mal die Frage: Wer ist (Mit)Schuld am Hoch der AfD? Da gibt es wenig überraschend sehr unterschiedliche Ansichten:

  • Die Union. Meint Hubert Aiwanger, denn deren Migrationspolitik habe den Aufstieg der AfD erleichtert.
  • Die Flüchtlingspolitik der Ampel. Findet Friedrich Merz.
  • Auf jeden Fall nicht die FDP.  Da ist sich Christian Lindner sicher.
  • Der Mangel an an charismatischen Führungsfiguren in der Mitte. Argumentiert Eva Quadbeck vom RND.
  • Eine “nihilistische Wut” bei AfD-Wähler:innen. Diese sieht der Politologe Philipp Rein als Grund für das Umfragehoch. Insbesondere im Osten, wie die aktuellen Umfragewerte zeigen.

Nicht, dass der Tag der Demokratie am vergangenen Freitag noch eine aktuellere Begründung gebraucht hätte.

Doch die AfD stellt demokratische Kräfte nicht nur in den Parlamenten vor Herausforderungen. Dort übrigens auch ganz operativ, wie sich an einer Auswertung der Ordnungsrufe im Bundestag zeigt, die die Rechtsnationalisten mit Abstand anführen – ganz vorn Beatrix von Storch. Durch ihre Wahlerfolge hat die Partei auch Anspruch auf eine eigene Stiftung: die Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die Finanzierung dieser Stiftung sorgt schon lange für Debatten. Laut einem Gutachten des Bundesinnenministeriums darf eine AfD-nahe Stiftung nicht per Gesetz von der staatlichen Förderung ausgeschlossen werden. Im Bundestag arbeiten die übrigen Fraktionen momentan gemeinsam an einem neuen Stiftungsgesetz, da das Bundesverfassungsgericht im Februar eine gesetzliche Grundlage für die Förderung parteinaher Stiftungen eingefordert hatte.

Die AfD könnte zudem bald ihren ersten Oberbürgermeister stellen: Im thüringischen Nordhausen geht ihr Kandidat als Favorit in die Stichwahl am Sonntag; der Thüringer Verfassungsschutz attestiert ihm übrigens ein “geschlossenes revisionistisches Geschichtsbild”. Gegen den AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke wurde derweil ein Strafverfahren wegen der Verwendung von NS-Vokabular eröffnet.

Auch bei der Europawahl am 9. Juni 2024 werden die AfD und andere nationalistische Kräfte voraussichtlich einen Zuwachs erleben (2019 erreichte die AfD 11,0 %). Die Parteien bereiten sich derzeit auf den Wahlkampf vor und stellen ihre Listen auf.

  • Ihre letzte Rede zur Lage der EU vor der Europawahl hielt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangene Woche. Einen Überblick über zentrale Punkte und Vorhaben aus dieser Rede bietet das ZDF.
  • Auch die Grünen haben ihr Europawahlprogramm “Was uns schützt” und einen neuen Farbton vorgestellt.
  • Nicht gut startete es für Volt: Ein antisemitischer Vergleich einer Kandidatin zog eine Empörungswelle und ihren Rücktritt nach sich.

Zum Abschluss dann aber doch noch etwas Hoffnungsvolles: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine freibeuterische Karriere beendet und ist seit letzter Woche wieder ohne Augenklappe unterwegs.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 


PS: In eigener Sache möchten wir auf unseren nächsten CHECKPOINT Political Consulting am 2. November hinweisen – für alle, die sich für die unterschiedlichen Karrierewege in der Politikberatung interessieren. Mehr Informationen gibt es hier.

Aktuelle politjobs
Politticker
Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition

Fast zwei Drittel der im Koalitionsvertrag enthaltenen Vorhaben hat die Ampel bereits umgesetzt oder angegangen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Halbzeitbilanz-Studie der Bertelsmann-Stiftung zusammen mit der Universität Trier und Das Progressive Zentrum. Diese Leistung wird in der Öffentlichkeit jedoch unterschätzt, besonders aufgrund der vielen Koalitionsstreits: Nur 12 % der befragten Personen gehen in einer Umfrage davon aus, dass zumindest ein “großer Teil” umgesetzt werde; 43 % meinen hingegen, dass nur…

degepol-Umfrage zum Lobbyregister

57 % der Nutzer:innen sehen durch die Reform des Lobbyregisters keinen wesentlichen Transparenzgewinn: Eine Umfrage der degepol anlässlich der Reform des Lobbyregister-Gesetzes hat untersucht, welche Erfahrungen Nutzer:innen bisher gemacht haben, welche Aufwände dadurch entstehen und wie die geplanten Änderungen bewertet werden. Hierfür wurden insbesondere Personen befragt, die in Unternehmen für Eintragungen  in das Lobbyregister zuständig sind. Insgesamt stößt die Idee des Lobbyregisters zwar auf allgemeine Unterstützung, die Umsetzung und die geplanten…

Empfehlungen zu schulischer Demokratiebildung

“Demokratiebildung gehört auf die Agenda der Bundesregierung”: Mit dieser zentralen Empfehlung präsentiert die Hertie-Stiftung einen Bericht zur schulischen Demokratiebildung. Grundlage dafür ist eine 15-monatige Analyse dieses Feldes durch die Hertie-Kommission Demokratie und Bildung und die anschließende Ausarbeitung von acht Empfehlungen. Dazu gehört etwa eine stärkere Öffnung der Schulen für Zusammenarbeiten mit zivilgesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Akteuren, die als “Demokratie-Begegnungen” verstanden werden. Zudem empfiehlt die Kommission die Schaffung staatlicher Anreize für…

Innovationen bei der Regierungskommunikation

Öffentlichkeitswirksame und zielgruppengerechte Kommunikation kann sich für Regierungen schwierig gestalten. Als Inspiration und zur Würdigung effektiver Kampagnen hat Apolitical gemeinsam mit dem Sharjah Government Media Bureau einen Bericht veröffentlicht, der 100 “Innovations in Government Communications” präsentiert: Zu den hier versammelten Beispielen gehören etwa kreative Kommunikationsweisen und -kanäle, der Einsatz von KI, Data Storytelling oder Kooperationen. Deutschland ist z.B. mit der Website des Statistischen Bundesamtes vertreten.

Förderfonds “Begegnung und Zusammenarbeit”

Um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, sucht die Stiftung Mitarbeit für ihren Förderfonds “Begegnung und Zusammenarbeit” Projekte, die an öffentlichen Orten innovative Begegnungsformate für neue Zielgruppen organisieren. Bewerben können sich dabei zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 30. September.

Wahltrend
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Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Cynthia Fleury

Hier liegt Bitterkeit begraben

Dass wir in politisch unruhigen Zeiten leben, dürfte den meisten mittlerweile deutlich geworden sein. Spätestens seit dem ersten Höhenflug der AfD 2016 ist klar, dass Deutschland keine Insel der Glückseligen mehr ist und auch hierzulande viele Menschen ihren Hass auf andere Gruppen zunehmend nach außen tragen, um den eigenen Lebensverhältnissen zu entfliehen oder Veränderungen abzuwehren. Diesem Gefühl, das weltweit Gesellschaften zu vergiften scheint, widmet sich Cynthia Fleury in ihrem Buch.

Die Philosophin und Psychoanalytikerin untersucht die Ursprünge und das innere Wesen des Ressentiments, sowohl psychoanalytisch als auch philosophisch und soziologisch. Dabei betrachtet sie auch das Verhältnis von Psyche und Politik – und erklärt, warum Ressentiments “die gefährlichste Krankheit für die Demokratie” sind. Die Lektüre ist aufgrund des Themas und  der multidisziplinären Herangehensweise durchaus anspruchsvoll, bietet aber lohnenswerte Anregungen und eine neue Sichtweise auf die Bitterkeit vieler gesellschaftlicher und politischer Debatten.

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Tweet der Woche

Deutschland, Dein Spitzensport

Weder Siege bei der Tischtennis-EM noch Basketball-WM können den Schmerz der deutschen Leistungssport- und vor allem Fußballsinnkrise lindern. Dabei liegt der Schlüssel zum Erfolg wie so oft in der Motivation der Athlet:innen. Twitter-Virtuose Alf Frommer hat ein sehr aktuelles Beispiel dafür gefunden, warum wir uns als Sportnation keine Sorgen machen müssen.

Stakeholder der Woche

Thüringer Verfassungsschutz

Als “Frühwarnsystem der freiheitlichen demokratischen Grundordnung” sammelt  der Verfassungsschutz in Thüringen Informationen über extremistische Gruppierungen und nachrichtendienstliche Tätigkeiten und ermöglicht durch die Auswertung der Informationen eine frühzeitige Gefahrenabwehr. Weiterhin übernimmt der Verfassungsschutz Aufgaben im personellen und materiellen Geheimschutz. Präsident des Amtes mit Sitz in Erfurt ist aktuell Stephan J. Kramer.
Jobs

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18. September 2023