Liebe Leserin, lieber Leser,
haben Sie auch diesen einen Kollegen, den Sie manchmal zum Mond und ihm eine E-Mail mit der halben Abteilung in CC hinterher schicken könnten? Nun, stellen Sie sich vor, das passiert Ihnen als Bundesminister.
Vizekanzler Robert Habeck hat – passenderweise am Valentinstag – den Brief-Streit mit Finanzminister Christian Lindner angezettelt. Dabei geht es neben der allgemeinen Rivalität vor allem ums Geld: Habeck und die Grünen wollen mehr davon für ihre Prestige-Projekte, insbesondere für die Kindergrundsicherung. Lindner jedoch will die Schuldenbremse einhalten und nach mehreren katastrophalen Landtagswahlen der FDP wieder mehr Profil geben. Im eh schon angespannten Ampel-Verhältnis also ein idealer Nährboden für weiteren Koalitionszoff. Doch so ein Briefwechsel zwischen zwei Ministern markiert dennoch eine bemerkenswerte Eskalation. Vor allem weil der Zwist damit öffentlich ausgetragen werden muss. Doch genau das könnte Habecks Kalkül sein: Die Grundsatzfrage, wie die anstehenden Großprojekte in wirtschaftlich angespannten und Kriegszeiten finanziert werden sollen, zum Gegenstand einer breiteren Debatte machen und Lindner so unter Druck setzen. Weitere Hintergründe zum passiv-aggressiven
- Der Business Insider hat die beiden Briefe im Wortlaut online gestellt.
- Frank Capellan vom DLF sieht einen “kommunikativen Rückschritt erster Klasse” in der selbst ernannten Fortschrittskoalition, während Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte den Briefwechsel hingegen als “ein notwendiges Ringen um Prioritäten” betrachtet.
- Kommunikationsexperte und politischer Kommentator Hendrik Wieduwilt hat dem lieben Robert und dem lieben Christian einen eigenen Brief geschrieben.
Und der Kanzler? Dessen Sprecher richten aus, dass die Schuldenbremse steht und es bei all den E-Mails doch auch schön sei, wenn wieder Briefe geschrieben werden. Dass der Zwist erneut bis zu einem öffentlichen Kanzler-Machtwort wie im vergangenen Jahr eskaliert, ist nicht anzunehmen – ein nochmaliges Ultima Ratio wäre ein zu großes Zeichen der Schwäche.
Aber es ist nicht die einzige Konfliktzone in der Ampel. In der Außenpolitik duellieren sich Annalena Baerbock und Olaf Scholz, wie Zeit (€) und Telegraph berichten. Auch wenn auf der Münchener Sicherheitskonferenz, oder der „neuen re:publica“ wie Twitter-Virtuose Christian Helms angesichts stattlicher Berliner Reisegruppen gen Bayern feststellte, eher Harmonie zwischen Kanzler, Außenministerin und neuem Verteidigungsminister demonstriert wurde. Bestimmendes Thema war natürlich auch hier der Ukraine-Krieg.
- Die zentralen Ergebnisse der MSC hat Markus Decker vom RND notiert.
- Ukraine-Experte Ralf Fücks fasst in einem Twitter-Thread die aus seiner Sicht prägnantesten Aussagen zum möglichen Kriegsende auf der MSC zusammen.
- Angesichts des anstehenden ersten Jahrestags der russischen Invasion (siehe Buch der Woche) liefert die Süddeutsche eine beeindruckend
e Rekonstruktion (€) des Kriegsvorabend aus dem Inneren des Berliner Machtzentrums. - Seitdem tobt der Krieg nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch im Netz. Dabei spielt Antisemitismus eine oft unterschätzte Rolle in der Kriegspropaganda. Daher an dieser Stelle ein Hinweis in eigener Sache: Am kommenden Donnerstagabend stellen wir den Antisemitismus-Tracker für den Ukraine-Krieg (siehe Event der Woche) im Berliner BASECAMP und per Livestream vor (Anmeldung).
- Auch das Konzept der feministischen Außenpolitik stand im Fokus: Bald wollen Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze die Leitlinien feministischer Entwicklungs- und Außenpolitik vorstellen. Auch eine Botschafterin für feministische Außenpolitik soll berufen werden. Warum die Absichten dahinter richtig sind, aber besser von einer “inklusiven” Politik die Rede sein sollte, erklärt Andrea Nüsse beim Tagesspiegel. Wenn Sie sich selbst ein Bild machen wollen, empfehlen wir den Diskussionsabend des ISD am 28. Februar.
Auch die Berlin-Wahl hielt neue Wendungen bereit. Kurz bevor die ersten Sondierungsgespräche zwischen den Parteien begannen, kam die Nachricht über eine Wahlpanne in Lichtenberg: Mehr als 450 Briefwahlstimmen wurden vergessen. Nach Auszählung dieser Stimmen dann zunächst das einigermaßen seltene Ergebnis: Die Kandidat:innen von Linke und CDU lagen gleichauf, das Los sollte entscheiden. Doch die Geschichte war noch nicht vorbei, denn auch bei der Neuauszählung kam es zu Fehlern: Am Ende holte die CDU knapp mit 9 Stimmen Vorsprung das Mandat. Auch dass es im vorläufigen Ergebnis mehr Stimmen als Wähler:innen gab, passt ins Bild. Klar ist: Jede Wahl wird von Fehlern begleitet. In Berlin ist das aber manchmal andersherum.
- Den aktuellen Stand der Koalitionsverhandlungen kennt der RBB, weitere Sondierungen stehen in dieser Woche an.
- Politologe Gero Neugebauer über die Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Koalitionsmöglichkeiten.
- Eine beeindruckende interaktive Datenanalyse über die neuen politischen Trennlinien der Hauptstadt und was das mit der Ringbahn zu tun hat, hat der Tagesspiegel unter dem Titel “Berlin sieht schwarz” veröffentlicht.
Sollte es tatsächlich zu Schwarz-Grün kommen, würde dies zu erheblichen Personalrotationen führen. Nicht nur in der Landesregierung und -verwaltung, sondern unter Umständen auch im Hauptstadtjournalismus (siehe Tweet der Woche). Ob eine Koalition aus CDU und Grünen in Berlin mehr als eine gute Geschichte sein kann, ist allerdings mehr als fraglich, kommentiert Julius Betschka vom Tagesspiegel.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

Unter dem Hashtag #PolitikBrauchtVielfalt hat die Initiative BrandNewBundestag eine Petition gestartet, die mehr Diversität im Bundestag erreichen bzw. sichern will. Anlass ist die geplante Wahlrechtsreform, bei der es durch die Reduzierung der Mandate auch zu weniger Vielfalt im Parlament kommen könnte. Die Petition ruft Parteien auf, Diversität intern gezielter zu fördern, besonders bei den Verfahren zur Listenaufstellung. Erstunterzeichner:innen der Petition sind u.a. Luisa Neubauer und Kristina Lunz.
Mit dem DemokratieHub startet demnächst eine Plattform ihre Arbeit, die demokratische Kräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bündeln und verstärken will. Durch diese Vernetzung soll gemeinsames strategisches Wirken für eine vielfältige Gesellschaft gefördert werden, konkret durch Unterstützungsangebote für demokratiefördernde „Denker:innen und Changemaker“. Träger des trinationalen Projektes sind die Initiative Offene Gesellschaft (D), der Campus für Demokratie (CH) und Demokratie21 (AT). Hervorgegangen ist das Hub aus der ANSTOSS DEMOKRATIE-Initiative von…
Die Sozialsysteme der Zukunft werden zum thematischen Fokus des Zentrums für neue Sozialpolitik, das aus der Stiftung Grundeinkommen hervorgegangen ist. Die Umbenennung erfolgte aufgrund einer programmatisch breiteren Aufstellung und einer organisatorischen Umstrukturierung: So werden neue Bereiche eingerichtet, die sich mit der Transformation des Sozialstaates und der Entwicklung neuer Ideen beschäftigen. Das Zentrum wird weiterhin von Mansour Aalam geleitet und sucht derzeit weitere Mitarbeiter:innen (siehe Jobs der Woche).
Public Affairs, Politik und die Arbeit von Lobbyist:innen – Diesen Themen widmet sich der neue Podcast „LobbyVersum“ der Public Affairs-Beratung elfnullelf. Die Initiatoren sind der geschäftsführende Gesellschafter Udo Sonnenberg und Consultant Marian Blok, die bisher zwei Folgen des Podcasts veröffentlicht haben. Ihr Ziel ist es, die Hintergründe der Lobbying-Arbeit aufzuzeigen und dabei besonders auf die Arbeit und Werkzeuge der Politikberatung, deren Personennetzwerke sowie die Rolle im Gesetzgebungsprozess einzugehen.
Halle an der Saale wird zum Standort für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation. Dies hat eine unabhängige Jury am 14. Februar als Vorschlag für das Bundeskabinett entschieden. Das künftige Zentrum soll als Begegnungs- und Forschungsstelle die Leistungen der deutschen Vereinigung würdigen und die Erfahrungen daraus für künftige Transformationen nutzbar machen. Dafür wird die Bundesregierung voraussichtlich 200 Millionen Euro investieren. Die Eröffnung ist für 2028 geplant.
- TikTok: Russisches Desinformationsnetzwerk zielte auf EU-Bürger
- Bahn statt Flugzeug: Putin fährt offenbar fast nur noch mit gepanzertem Sonderzug
- Sicherheitskonferenz: Internationale Presseschau zur Konferenz ein Jahr nach der Invasion & Kreml-Politiker:innen und AfD nach “Zivilisationsbruch” ausgeschlossen
- System “Oculus”: Russland automatisiert Suche nach “verbotenen Inhalten” im Internet & Was wir aus Russlands Internet-Kontrolle lernen können
- Faktenfinder: Kritik an der Petition von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer
- Abgeordnete und ihre Kleidung: Verlottern die modischen Sitten im Parlament?
- AfD: Kai Borrmann nach rassistischer Attacke verurteilt
- Grüne: Gruppe “Vert Realos” fordert radikalen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik
- Kritik an Stark-Watzinger: Frage aus Bundestag mit ChatGPT beantwortet
- Lachen im Parlament: Eine Typologie des Parteienhumors
- Kleinerer Bundestag: Ein Streitgespräch zur Wahlrechtsreform
- Brandenburg: Grünenvorsitzende tritt überraschend zurück
- Bürokratieabbau in der Zeitenwende: Nationaler Normenkontrollrat veröffentlicht Jahresbericht 2022
- Social Media im Bezirksamt: Warum die Verwaltung von Marzahn-Hellersdorf nicht über die sozialen Medien kommuniziert
- Extremismus: Faeser macht gegen extremistische Beamte mobil & Polizei Sachsen-Anhalt entlässt 18 Bedienstete nach Chat mit Nazi-Inhalten
- Scholz auf Behörden-Besuch: Chef-Mail sorgt vorab für Erstaunen – Angestellte zu ungepflegt?
- “Frag den Staat”: Wie Arne Semsrott auf die Idee kam, Behördenakten zugänglich zu machen (Podcast)
- Hintergrund: Wie digitale Kompetenzen in der Verwaltung aufgebaut werden können (€)
- Drei Jahre nach Anschlag in Hanau: “Deutschland hat weiter ein Rassismusproblem”
- Neue antisemitische Verschwörungserzählungen: Heavenly Jerusalem, Khasarische Mafia und Neu-Israel
- Hufeisentheorie: Die Mär der gesellschaftlichen Mitte
- Jugend: Acht Faktoren für eine erfolgreiche Jugendbeteiligung.
- Hintergrund: So funktioniert die Desinformationsindustrie & So decken Reporter:innen weltweit Wahlmanipulation auf
- Analyse: Wie rechte Proteste im digitalen Raum angeheizt werden
- EFBI Digital Report: Extrem rechte Parallelstrukturen in Sachsen
- Ein Jahr Lobbyregister: Interview mit Julia Spitze (de’ge’pol)
- Publikation: Pipelines in die Politik – Die Macht der Gaslobby in Deutschland (€)
- Kontroverse um Impfstoffkauf: Pfizer darf weiter lobbyieren
- Wissenschaft und Politik: Nicht alles ist PR
- MSL: Marco Vollmar wird neuer Partner
- Siemens: Patrick Weber verstärkt das Governments Affairs Team
- BMBF: Sabine Döring tritt neue Stelle als Staatssekretärin an
- BDA: Alexander Kohnen ist neuer Pressesprecher
- Schirmherrin: Bundesinnenminis
terin Nancy Faeser übernimmt die Schirmherrschaft für die gemeinnützige COME OUT! Stiftung
- Fünf Empfehlungen: Was bei Moderationen wichtig ist
- Lessons learned: Wie Parteien kreative Kampagnen gestalten können (englisch)
- Interview mit Sandra Binder-Tietz: Wie Unternehmen die Aufsichtsratskommunikation organisieren
- Analyse: Wer die Aufmerksamkeit zu lenken weiß, kann gelassen in jedes Duell gehen
- Theresa Hein: Warum sich Twitter immer noch lohnt
- “Wir entlasten Deutschland”: Eigenlob-Kampagne der Bundesregierung kostet mehr als sechs Millionen Euro
- Hass im Netz: Zahl der Hatespeech-Opfer in sozialen Medien gesunken
- TikTok: Paywall für einzelne Videos angeblich geplant
- Twitter: So verdient Musk am Hass, Störende Inhalte werden nicht ausreichend entfernt, Plattform enttäuscht bei Transparenzbericht (€) & Musk will erst zum Jahresende neuen Twitter-Chef ernennen
- LinkedIn: So kannst du deine Reichweite erhöhen
- Instagram: Neue Funktion für Creator:innen
- Interview mit Till Behnke: Ein Gespräch über die Kraft von Social Media
- Forschungsergebnisse: Soziale Medien bieten Raum für ein digitales Weltbürgertum
Blätter für deutsche und internationale Politik
Die große Zäsur. Putins Krieg und das Dilemma des Westens
Ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist klar: Seit dem 24. Februar 2022 erleben wir in Europa einen drastischen Umbruch, eine lange Zeit undenkbare Aggression gegen die bisherige Friedensordnung und das Ende damit verbundener Gewissheiten. Warum es sich dabei um eine große Zäsur statt einer Zeitenwende handelt, verdeutlicht der gleichnamige Sammelband der „Blätter für deutsche und internationale Politik“.
Die 36 Beiträge des Bandes, die zuvor in der renommierten Monatszeitschrift erschienen sind, behandeln dabei fünf Themenkomplexe: die ideologischen Hintergründe und politischen Ziele der russischen Aggression, die Bedeutung des Kriegs für das Selbstbild der Ukraine, die Reaktionen und Herausforderungen für den Westen, die verbliebenen Optionen für Dialog sowie die globalen Auswirkungen. Die versammelten Autor:innen aus Deutschland, der Ukraine, Russland und weiteren Ländern analysieren diese Themen aus vielfältigen, auch widerstreitenden Perspektiven und regen so zum intensiven Nachdenken über die radikal veränderte Wirklichkeit an. Mit lesenswerten Beiträgen u.a. von Étienne Balibar, Nicole Deitelhoff, Mischa Gabowitsch, Claus Leggewie, Herfried Münkler, Adam Tooze, Wolfgang Zellner, Serhij Zhadan und Tatiana Zhurzhenko.
Diesen Stimmen zuzuhören, sei all jenen empfohlen, die sich für die aktuelle Lage und mögliche Wege aus dem Krieg interessieren – ganz besonders aber auch jenen Alt-„Friedensbewegten“ und „Intellektuellen“, die hierzulande regelmäßig mit offenen Briefen von sich reden machen und bei ihren selten zu Ende gedachten Forderungen die ukrainischen und osteuropäischen Perspektiven gern ausblenden.
Die Buchempfehlungen finden Sie ab sofort auch unter www.politbooks.de.
Benjamin Triebe
Kai Wegner kurbelt den Arbeitsmarkt an
Mit Wetten sollte man gerade auf Twitter sehr vorsichtig sein. Zeit-Journalist Robert Pausch orakelte nach der Wahl das CDU-Narrativ für Schwarz-Grün fast wörtlich voraus und versprach dann nach Reaktion vom Spiegel-Kollegen Jonas Schaible, dass er den Job wechseln würde, sollte es so kommen.
Mareile Ihde
Münchner Sicherheitskonferenz (MSC)
Die Münchner Sicherheitskonferenz bietet jährlich eine Plattform für den Austausch über aktuelle außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen. Sie fungiert dabei als Zentrum der internationalen Diplomatie für hochrangige internationale Entscheidungsträger:innen und Expert:innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Medien. Vorsitzender ist aktuell der ehemalige Botschafter Christoph Heusgen.
Gregor Bauer
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