Mimose mit Glaskinn

EDITORIAL: Mimose mit Glaskinn

MELDUNGEN: Politische Geschlechterkluft | POLITICO-Briefing startet | Politische Sorgen der Deutschen | Neuer Podcast ABSOLUTE MEHRHEIT | Korruptionsindex 2023 u.v.m.

WAHLTREND: AfD und FDP verlieren weiter

BUCH: Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern

FUNDSTÜCK: Fastnacht mit Aiwanger und Söder

STAKEHOLDER: Bundesrat

Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist geschafft: Nach dem tektonischen Bundesverfassungsgerichtsurteil ist der Bundeshaushalt für das laufende Jahr nun entschieden – so spät wie noch nie. Bundestag und Bundesrat stimmten dem 477 Milliarden schweren Paket mit maximaler Ausreizung der Schuldenbremse von 39 Milliarden in der letzten Woche zu.

  • Wofür das Geld ausgegeben und wo gekürzt wird, hat der BR aufgeschlüsselt.
  • Welche Hürden durch ein Begleitgesetz im Bundesrat noch bleiben, weiß das RND.
  • Die verbliebenen politischen und finanziellen Baustellen der Ampel analysiert Corinna Emundts von der Tagesschau.

Keine Haushaltsdebatte ohne zünftigen Schlagabtausch. Bundeskanzler Olaf Scholz hielt sein Wort und brachte mehr Elan in seine Kommunikation und der Oppositionsführer bekam es ab. Mit Attacken wie “Mimose” und “Glaskinn” teilte Scholz für seine Verhältnisse deutlich aus. Friedrich Merz hingegen trat eher staatsmännisch auf, verglich sich aber nach der Kanzlerkritik mit dem ehemaligen Box-Weltmeister Klitschko.

  • Ernsthaft sauer machte Merz jedoch der Neuzuschnitt der Wahlkreise und die “Lex Claudia Roth”. Warum die Union der Ampel hier “Manipulationen am Wahlrecht” vorwirft, fasst die Legal Tribune Online zusammen
  • Eine Analyse zur kommunikativen Bedeutung des Duells Scholz vs. Merz bietet Ulrich Seitz beim Fokus.
  • Die politische Dimension von Mimosen hat die FAZ in einem Interview mit einem Biologen geklärt.

Vizekanzler Robert Habeck möchte ebenfalls aus der kommunikativen Defensive kommen und griff zu einem simplen, aber dennoch ungewöhnlichen Kommunikationsmittel: Er rief den Absender einer Beschwerdemail einfach mal an, der dann auch entsprechend verdutzt war. Laut Wirtschaftsministerium war der Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen jedoch kein Einzelfall: Bereits letztes Jahr habe man mit diesen Anrufen begonnen, um Gesprächsbedarf und Probleme zu klären.

Auch der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle bediente sich bei Markus Lanz einer seltenen Technik: Der offenen Selbstkritik. Er räumte ein, dass angesichts der schwierigen Lage die Politik teilweise überfordert ist und “mitunter die handwerkliche Ausgestaltung all dieser Themen unter die Räder kommt”. Kristina Dunz, die in der Talkrunde dabei war, über den schmalen Grat, auf dem sich Kuhle dabei bewegt hat.

Aber neben dem Haushalt gab es noch weitere Entscheidungen im Bundestag.

Durch die BSW-Abspaltung von der Linken ist eine neue Sitzordnung nötig geworden und zumindest laut dieser ist die Wagenknecht-Formation linker als die ehemaligen Genoss:innen. Die können sich zumindest über deutlich mehr Parteieintritte freuen, verlieren jedoch gleichzeitig ihren Gruppenvorsitzenden Dietmar Bartsch, der bei der Fraktionsklausur in zwei Wochen nicht mehr für das Amt antritt. Aber auch die anderen Parteien konnten im Januar ungewöhnlich viele neue Mitglieder begrüßen.

Was weder BSW noch Linke aufgrund ihres Gruppenstatus bisher konnten, ist Kleine Anfragen an die Regierung zu richten. Das war bislang nur einer kritischen Masse von 5 % aller Abgeordneten oder den Fraktionen vorbehalten. Für die beiden Gruppen gelten nun jedoch neue Regelungen: Bis zu zehn Kleine und Große Anfragen pro Monat sind möglich, dazu kommen weitere Rechte im Ältestenrat und im Bundestagsplenum. Ein Plädoyer gegen die geplanten Obergrenzen für Anfragen hält Isa Lachmann bei FragDenStaat und bezeichnet die Einschränkungen als “Angriff auf die Informationsfreiheit”.

Nebenher hat der Bundestag noch dem Bundesrat die Mittel um fast 700.000 Euro gekürzt – und sich selbst zugeschlagen. Zwar “nur” für Besuchergruppen, aber trotzdem war von einer “Gemeinheit” die Rede.

Auch in dieser Woche gibt es Neuigkeiten bei den Parteigründungen: Mit DAVA (Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch) will eine der türkischen AKP-nahestehende Partei in den Bundestag und im Juni auch schon ins Europäische Parlament. Die genauen Pläne der in Köln gegründeten Gruppierung fasst das RND zusammen, Kritik daran kommt aus den übrigen Parteien.

(Fast) gänzlich geschlossen zollte der Bundestag hingegen Marcel Reif für seine bewegende Rede zum Holocaust-Gedenken (hier im Video) Respekt. Was blieb, war vor allem die kurze, aber eindringliche Mahnung: “Sei ein Mensch”.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
Politticker
Geschlechterkluft bei politischen Einstellungen

Im politischen Bereich entwickelt sich eine neue Kluft zwischen den Geschlechtern: Während Frauen zunehmend progressive und liberale Einstellungen teilen, positionieren sich Männer eher konservativ. Dies zeigt eine Datenauswertung der Financial Times, die sich besonders mit der “Gen Z” beschäftigt und diverse Staaten berücksichtigt. So sind in Deutschland Frauen um rund 30 % liberaler als Männer, in Großbritannien und den USA zeigen sich ähnliche Werte. Dabei gehen die Zahlen im…

POLITICO-Briefing in Deutschland startet

POLITICO startet sein Angebot für Deutschland: Ab dem 19. Februar soll täglich das Briefing Berlin Playbook erscheinen und über tagesaktuelle politische Geschehnisse informieren. Dabei soll sich der Newsletter nicht nur auf die deutsche Politik beschränken, sondern auch die europäische und internationale Ebene mit in den Blick nehmen. Ein Netzwerk von rund 600 Reporter:innen weltweit arbeitet laut POLITICO an den Briefings mit, während die Chefredaktion von Gordon Repinski übernommen wird….

Politische Sorgen der Deutschen

69 % der Deutschen sind der Meinung, dass sich ihr Land in die falsche Richtung entwickelt. Dies zeigt die “What Worries the World”-Studie von Ipsos, die seit rund zehn Jahren in 29 Staaten weltweit durchgeführt wird und die Meinungen von Bürger:innen zu aktuellen sozialen und politischen Problemen abbildet. Im Januar 2024 sorgen sich die Deutschen insbesondere um die Kontrolle der Einwanderung (38 % der Befragten), die Inflation (ebenso 38…

Neuer Podcast ABSOLUTE MEHRHEIT

Das funk-Projekt DIE DA OBEN wird seit vergangener Woche durch ein neues Format ergänzt: Der Podcast “ABSOLUTE MEHRHEIT” soll sich mit hypothetischen Projekten von Politiker:innen beschäftigen, die diese umsetzen würden, wenn sie über eine absolute Mehrheit in Deutschland verfügen würden. Hierdurch entstehe ein Fokus auf politische Visionen, persönliche politische Überzeugungen und potentielle Entwicklungswege für Deutschland. Hosts des Podcasts sind die Moderator:innen Aline Abboud, Jan Schipmann und Victoria Reichelt. Die…

Korruptionsindex 2023

Im weltweiten Vergleich gehört Deutschland zu den zehn am wenigsten korrupten Ländern, zeigt der diesjährige Index von Transparency International. Gleichzeitig kritisiert die Organisation jedoch, dass sich nicht genug zum Positiven verändere: Deutschland erreicht mit 78 Punkten den gleichen Skalenwert wie vor zehn Jahren und zeigt damit im Vergleich zu anderen Ländern wenig Fortschritt. Insbesondere bei der Bekämpfung von Abgeordnetenbestechlichkeit müsse mehr getan werden, kritisiert die stellvertretende Vorsitzende von Transparency…

Wahltrend
Wahltrend 06 Februar 2024

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Heike Kleffner & Matthias Meisner (Hrsg.)

Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern

Dass ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wenige Jahre nach seiner Ablösung von eben dieser Behörde als rechtsextremer Beobachtungsfall geführt wird, ist ein Novum – und zugleich exemplarisch, für die Verhältnisse in deutschen Sicherheitsbehörden. Wie verbreitet rechtsextreme Einstellungen in diesen sind, zeigt der Sammelband von Heike Kleffner und Matthias Meisner. Ob in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz, Justiz oder Verwaltungen: Verfassungsfeindliche Bestrebungen, Umsturzpläne und entsprechende Netzwerke finden sich überall, besonders auf lokaler und Länderebene, wie die 28 Beiträge der vielen beteiligten Investigativ-Journalist:innen verdeutlichen. Es handelt sich demnach nicht um die oft bemühten “Einzelfälle”, sondern ein strukturelles Problem, das die wehrhafte Demokratie endlich angehen sollte.

 

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@peter_wittkamp

Fastnacht mit Aiwanger und Söder

Wie es aussieht, wenn Politiker:innen bei der Fastnacht ordentlich reiner Wein eingeschenkt wird, konnte man am Wochenende im bayerischen Veitshöchheim beobachten: Musikkabarettist Matthias Walz mit einer sehenswerten Aufarbeitung der Causa Aiwanger, die Peter Wittkamp hier auf Instagram dokumentiert hat. Wenn Sie wissen wollen, welche Verkleidungen die versammelte Politprominenz wählte, gibt es hier eine BR-Bilderserie.

Stakeholder der Woche

Bundesrat

Der Bundesrat stellt als föderatives Bundesorgan die Vertretung der Bundesländer auf Bundesebene dar. Seine 69 Mitglieder werden aus den Regierungen aller Länder entsandt und bilden zusammen ein “Parlament der Länderregierungen”. Die Präsidentschaft des Bundesrates wechselt jeweils zum 1. November eines Jahres, aktuell fungiert Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern als Präsidentin. Sitz des Bundesrates ist Berlin.
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6. Februar 2024