politnews – Trump vs. TikTok

[ Mit Meldungen zu politischen Podcasts – produziert vom weiblichen CDU-Nachwuchs, der Strategieberatung No Drama, dem Instituts für Parlamentarismusforschung sowie dem Tagesspiegel – und einem Sonderheft zu Macht und Machtmissbrauch ]

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Am 3. November steht die US-amerikanische Präsidentschaftswahl an. Verhältnismäßig früh wollte Donald Trump am Freitag seinen offiziellen Wahlkampfauftakt zelebrieren. Doch der 19. Juni (“Juneteenth”) ist der Gedenk- und in einigen Bundesstaaten auch Feiertag der Abschaffung der Sklaverei und damit gerade in diesem Jahr durch die Black-Lives-Matter-Proteste besonders aufgeladen. Nach harscher Kritik verschob Trump den Auftritt in Tulsa, Oklahoma, um einen Tag. Die durch den Tod von George Floyd ausgelösten weltweiten Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt erwähnte er dennoch mit keinem Wort.

Ganz besonders frenetisch wurde Trump aber dafür gefeiert, dass er am Rednerpult einhändig ein Glas Wasser trank, nachdem ein zweihändiger Griff bei einem Auftritt in der letzten Woche Gerüchte über seinen Gesundheitszustand ausgelöst hatten. Ein Umstand, der für sich schon befremdlich wirkt. Vor dem Hintergrund einer historischen Wirtschaftskrise, einer grassierenden Pandemie und landesweiten Ausschreitungen wegen sozialer Ungleichheit gerät es zu einem surrealen Symbol eines amerikanischen Wahljahres, dessen heiße Phase gerade erst anbricht.

Obwohl sich laut Trumps Wahlkampfteam mehr als eine Million Menschen ein Ticket für die Veranstaltung in der Sportarena besorgt hatten, blieben in Tulsa überraschend viele der nur rund 20.000 Plätze leer; vor der Halle wurde aus Zuschauermangel gar eine Bühne abgebaut. Ein höchst ungewöhnliches Bild für die meist gut besuchten Trump-Kundgebungen. Grund war neben Befürchtungen vor Corona-Ansteckungen auch eine Kampagne von TikTok-NutzerInnen. Der SPIEGEL erklärt, wie diese funktioniert hat.

Nicht das einzige Ärgernis für den Präsidenten. Trump liegt selbst bei den konservativen Fox News 12 Prozentpunkte hinter Joe Biden. Der Politikwissenschaftler und US-Wahlspezialist Christopher Wlezien taxierte die Chance für einen Trump-Sieg derzeit auf “20 bis 25 %”. Zwar rücken die Erinnerungen an die fehleranfälligen Prognosen des 2016er Wahlkampfes solche Einschätzungen schnell zurecht, dennoch: Trump muss auf volles Risiko setzen, um seine Wiederwahl zu sichern.

Der Mann, der diese für ihn organisieren soll, heißt Brad Parscale und ist seit fast vier Jahren Kampagnenmanager. Gemessen an der Fluktuation im Trump-Team eine halbe Ewigkeit. Statt Angeboten an die gesellschaftliche Mitte peilt das Team Trump für diesen Wahlkampfherbst eine größtmögliche Polarisierung und Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft an – verbunden mit der Hoffnung, dass viele demokratische WählerInnen zu Hause bleiben, nicht zuletzt weil Bidens Integrationskraft im gegnerischen Lager Grenzen hat. Einen Blick in die Gedankenwelt von Parscale aus dem New Yorker.

Neben Biden, der immer noch kein Running Mate angekündigt hat, und Trump werden auch Howie Hawkins (Grüne) und Jo Jorgensen (Libertäre) auf den Stimmzetteln stehen. Die chancenlosen KandidatInnen könnten aber zum Zünglein an der Waage werden, sollte sich der Ausgang knapp gestalten.

Am nächsten Dienstag will John Bolton, ehemaliger oberster Sicherheitsberater und außenpolitischer Hardliner, sein Enthüllungsbuch “The Room where it happened” veröffentlichen. Obwohl Trump bisher alle Skandale ohne bleibenden Schaden überstanden hat, zog seine Administration alle Register, um das Erscheinen zu verhindern, unterlag jedoch am Samstag vor Gericht. Die Richterin wies die Klage aus Zeitgründen ab, da Tausende Exemplare bereits in den Redaktionen seien und der “Schaden nicht mehr umkehrbar” sei. Die New York Times mit den brisantesten Passagen wie den geheimen Verabredungen zur Wahlhilfe mit China. In der Sache habe sich Bolton aber scheinbar nicht regelkonform verhalten. So heißt es, er habe den Prozess der Freigabe (der aufgrund seiner sensiblen Tätigkeit notwendig ist) vorzeitig abgebrochen. Selbst die Demokraten griffen Bolton dafür an und warfen ihm vor, die nationale Sicherheit für Eigenmarketing und Autorenhonorar zu gefährden. Für den altgedienten “Falken” dürfte die Publikation also noch ein Nachspiel haben.

Philipp Amthor steckt hingegen schon mitten in einem solchen. Nachdem er sich im Laufe der letzten Woche bereits aus dem Untersuchungsausschuss zum Breitscheidplatz zurückgezogen und seine Nebentätigkeit für die Berliner Anwaltskanzlei White & Case niedergelegt hat, die laut SPIEGEL ebenfalls Verbindungen zu seinem ehemaligen Arbeitgeber hat, folgte die wohl schmerzhafteste Konsequenz am Freitag: Obwohl einige Kreisverbände sich – auch nach dem Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe – für den 27-Jährigen aussprachen, legte er seine Kandidatur für den Landesvorsitz der CDU Mecklenburg-Vorpommern nieder. Nun soll Michael Sack, Landrat aus Vorpommern-Greifswald übernehmen. Die Affäre ist für Amthor damit jedoch alles andere als ausgestanden. Die Bundestagsverwaltung verlangt eine Stellungnahme zur Verwendung des Briefkopfs mit Bundesadler und den Reisen, zu denen sich Amthor bisher nicht eigenständig geäußert hatte.

Was jahrelange Debatten nicht geschafft haben, erledigt der Fall Amthor nun in wenigen Tagen: Ein Lobbyregister soll auf den Weg gebracht werden und schon im Herbst in Kraft treten, so der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke. Unter der Wucht der Amthor-Affäre musste die Union ihren Widerstand gegen erweiterte Transparenzauflagen in Rekordzeit aufgeben.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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  • [ Politischer Podcast I: “Womensplaining” ]
    Sich “von Frauen die Welt erklären lassen” ist das Motto des neuen Podcasts der CDU-Nachwuchshoffnungen Lilli Fischer und Nora Zabel. Unter dem Titel „Womensplaining“ stehen alle zwei Wochen erfolgreiche Frauen und deren Karrieren in Politik, Wirtschaft und Journalismus im Blickpunkt. Nachdem die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, in der ersten Folge zu Gast war, wird die ehemalige BILD am Sonntag Chefredakteurin Miriam Hollstein am 29. Juni Rede und Antwort stehen. ➡️ Spotify (Podcast) | Twitter (Lilli Fischer) | Twitter (Nora Zabel)
  • [ Neues YouTube-Format mit Krisengesprächen aus dem politischen Maschinenraum ]
    No Drama, die Strategieberatung von Heiko Wiese und Frank Harbers, ging am Donnerstag mit einem neuen YouTube-Format online. Unter dem Titel „Immer eine Bank“ führt der Moderator Matthias Franck „Krisengespräche im politischen Maschinenraum“. Zur Premiere nahm Wolfgang Schmidt, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und langjähriger Vertrauter von Vizekanzler Olaf Scholz, Platz und gab Einblicke in das Krisenmanagement der Bundesregierung während der COVID-19-Pandemie. ➡️ YouTube (“Immer eine Bank”-Kanal) | No Drama (Webseite)
  • [ Politischer Podcast II: “Zwischenruf” ]
    Das Institut für Parlamentarismusforschung (IParl) ist mit einem neuen Podcast-Format an den Start gegangen, das regelmäßig Fragestellungen aus dem Politikbetrieb aufgreift und diese mit ExpertInnen aus Medien, Wissenschaft und Politik diskutiert. So beschäftigten sich die ersten beiden Folgen von „Zwischenruf – der politikwissenschaftliche Podcast rund ums Parlament“ mit der beruflichen Zusammensetzung des Bundestags und Wege zu einer stärkeren Repräsentation von Frauen in der Politik. Moderiert wird das Format von den IParl-Mitarbeitern Oliver Kannenberg und Malte Cordes. Demnächst sollen Ausgaben zum Brexit und der strategischen Ausrichtung der FDP vor der Bundestagswahl folgen. ➡️ IParl (Podcast)
  • [ Sonderheft über Machtstrukturen in der Politik ]
    Schon vor Bekanntwerden der Lobby-Aktivitäten von Philipp Amthor veröffentlichte die Zeitschrift Political Science Applied (PSCA) die Sonderausgabe „Wie Macht gemacht wird“, u. a. mit Beiträgen von Jürgen Trittin zum Thema „Die Macht und die Lobby“, Bodo Hombach und Anette Schavan. Das von den „Logiken der Macht”-Autoren Dominik Meier und Dr. Christian Blum herausgegebene Sonderheft reflektiert insgesamt über die ethische Legitimation und Machtverteilung in der liberalen Gesellschaft und welche Strategien, Taktiken und Instrumente zum Machterwerb bzw. – erhalt verhelfen. ➡️ psca (Sonderheft)
  • [ Politischer Podcast III: Tagesspiegel “Agenda – Der Podcast” ]
    Auch der Tagesspiegel weitet sein Portfolio um ein Podcast-Format aus. In “Agenda – Der Podcast” werden alle zwei bis drei Monate in Staffeln zu je sechs Folgen aktuelle gesellschaftliche Debatten vertieft. Die Folgen werden in Zusammenarbeit mit externen Partnern produziert. Zum Start ist die Arzneimittelversorgung in der COVID-19-Pandemie unter Mitwirkung des Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie Thema. Moderiert wird der Podcast vom freien Journalisten Philipp Eins. ➡️ Tagesspiegel (Podcast)


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Aus der Reihe “Politische Fehlerkultur”

(Twitter-) Deutschland streitet erbittert über die polemische Kolumne zur “Abschaffung der Polizei” von Hengameh Yaghoobifarah in der taz. Während sich die einen im Sinne der Pressefreiheit solidarisieren, hat Horst Seehofer nun Anzeige gegen Yaghoobifarah angekündigt. Auch sein Parteifreund und CSU-Generalsekretär Markus Blume war aufgebracht, sah aber zumindest ein, dass es die falsche Form war, mit der ein_e Journalist_in zur Zielscheibe gemacht wurde. 

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Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz sucht MangerIn (m/w/d) Energieeffizienzpolitik Berlin | Bewerbungsfrist: 26.06.2020 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit
Berlin | Bewerbungsfrist: 26.06.2020 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich für eine verlässliche und ambitionierte Energieeffizienzpolitik einzusetzen. Energieeinsparung als großes Leitmotiv des Vereins trägt nicht nur zur Versorgungssicherheit bei, sondern ist auch eine Schlüsselfunktion in den Themengebieten Klimawandel und Energiewende. Die DENEFF hat sich vor rund 10 Jahren gegründet und vereint inzwischen rund 170 Vorreiterunternehmen, von disruptiven StartUps bis zu internationalen Vorreiterkonzernen der Energieeffizienz.

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German Marshall Fund of the United States
Der German Marshall Fund of the United States (GMF) stärkt die transatlantische Zusammenarbeit bei regionalen, nationalen und globalen Herausforderungen und Chancen im Geiste des Marshallplans. Der GMF trägt zur Forschung und Analyse bei und versammelt führende Persönlichkeiten zu transatlantischen Themen, die für politische Entscheidungsträger von Bedeutung sind. Der GMF bietet aufstrebenden Führungspersönlichkeiten die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Netzwerke durch transatlantischen Austausch weiterzuentwickeln, und unterstützt die Zivilgesellschaft auf dem Balkan und in der Schwarzmeerregion, indem er demokratische Initiativen, Rechtsstaatlichkeit und regionale Zusammenarbeit fördert.

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22. Juni 2020