politnews – Kraftpaket mit Wumms

[ Mit Meldungen zu: digitalen Parteitagen, Blick von Millenials auf ASP, dem rot-grünen Koalitionsvertrag in HH, Rüge für StoryMachine & Kritik der Berliner Zeitung an Rezo ]

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Die Große Koalition war bisher nicht gerade auf große Würfe abonniert. Als CDU, CSU und SPD jedoch am späten Mittwochabend ihr Corona-Konjunkturpaket vorstellten, ging ein Raunen durch die politische Berichterstattung. Weitere 130 Milliarden lässt sich der Staat die Bewältigung der Krise in diesem und dem nächsten Jahr kosten, was knapp einem Drittel des letzten Bundeshaushalts entspricht. Insgesamt sollen es wohl knapp 170 Milliarden sein, die die größte Rezession der Nachkriegsgeschichte abwenden soll, wie ein Bericht der Landesfinanzminister nachträglich feststellte.

Aber nicht nur die reine Größe hat es in sich, auch die Einzelmaßnahmen lesen sich wie ein Reformpaket ohne Handbremse – auch wenn viele Maßnahmen bereits lange vor der Coronakrise Thema waren. Im Vorfeld heiß diskutiert wurden vor allem Kaufanreize für Neuwagen. Mit einer verdoppelten Kaufprämie für Elektroautos und Hybride, bei der Verbrenner leer ausgehen, setzte sich die SPD am Ende überraschenderweise durch. Auch die parteiübergreifende Phalanx der Ministerpräsidenten der „Auto-Länder“ Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen konnte das nicht verhindern. Eine Förderung von Benzinern und Dieseln hätte das ganze Paket diskreditieren können. Das war am Ende auch der Unionsseite klar, die wiederum die von der SPD gewünschte partielle Entschuldung von Kommunen kassierte.

Die Digitalisierung soll ebenfalls angeschoben werden: Netzausbau, Künstliche Intelligenz und die Modernisierung der Verwaltung, inklusive eines Forschungszentrums für die Bundeswehr und des Sorgenkindes “Onlinezugangsgesetz”, durch das bis 2022 Verwaltungsleistungen digitalisiert werden sollen, stehen auf dem Programm. Zuständig ist der neue Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik, der ehemalige BAMF-Vizepräsident Markus Richter, sowie die neue 100-köpfige Abteilung “Digitale Verwaltung” im Bundesinnenministerium, die unter Abteilungsleiter Ernst Bürger in der letzten Woche ihren Betrieb aufgenommen hat, wie der Tagesspiegel berichtet (Paywall).

  • Die 15 Seiten des Konjunkturprogramms können Politiknerds hier begutachten.
  • Stellvertretend für viele volkswirtschaftliche Analysen die Bewertung des Mannheimer Wirtschaftsprofessors Tom Krebs auf makronom.de.
  • Eine halbjährige Mehrwertsteuersenkung ab dem 1. Juli, 300 € Einmalbonus pro Kind, 6.000 € Zuschuss beim Kauf eines E-Neuwagens – wie VerbraucherInnen am besten vom Paket profitieren, fasst der SPIEGEL zusammen.
  • Robert Birnbaum schaut im Tagesspiegel auf das Ringen der Koalitionsparteien in der entscheidenden Abendsitzung.

Viele ÖkonomInnen und WirtschaftsjournalistInnen sind vom ambitionierten Katalog bisher sehr angetan, auch EU-Wirtschaftskommissar Gentiloni attestierte den Koalitionspartnern “politischen Mut”, selbst die Kritik der Opposition fiel wohlwollend bis reflexartig kritisch aus. Auch die Jusos lobten die von der Parteiführung verhandelten Ergebnisse, ein Vorgang der in der jüngeren sozialdemokratischen Geschichte seinesgleichen sucht. Olaf Scholz, dem in der Krise nach der Finanz-“Bazooka” nun mit dem Konjunkturpaket mit “Wumms” die zweite medienwirksame Wortschöpfung gelang (die CDU legte für sich hingegen die Sprachregelung “Kraftpaket” fest), könnte sich nun endgültig den Weg zur – derzeit gleichwohl reichlich aussichtslosen – SPD-Kanzlerkandidatur geebnet haben.

Auf wen er als GegenkandidatIn der Konservativen treffen könnte, ist derweil noch offen. Markus Söder reitet zwar weiterhin auf einer Erfolgswelle, nach jüngsten Umfragen sehen 53 % der Deutschen ihn als passenden Kanzlerkandidaten der Union, weit mehr als bei den Konkurrenten Merz (33 %), Laschet (27 %) und Röttgen (21 %). Neben der Abkanzelung durch Merz (“kein Konkurrent” im FAZ-Interview, Paywall), sprechen jedoch auch gewichtige andere Gründe gegen einen bayerischen Kanzler.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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politnews


  • [ Coronavirus verändert Landtagswahlen und Parteitage ]
    Hygiene- und Sicherheitsvorschriften erschweren Parteien die Wahlvorbereitungen. So etwa in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Thüringen, wo im kommenden Frühjahr Landtagswahlen anstehen. In Rheinland-Pfalz müsste gar das Landeswahlgesetz geändert werden, um KandidatInnen-Aufstellung per Briefwahl oder digital zu erlauben. Das gilt auch für die Aufstellung der KanzlerkandidatInnen. Die Generalsekretäre der Parteien haben deshalb den Bundestag gebeten, das Wahlgesetz zu ändern, damit KandidatInnen sich online vorstellen können und Online-Parteitage verbindliche Beschlüsse fassen dürfen. ➡️ Deutschlandfunk (Nachricht) | SPIEGEL ONLINE (Nachricht)
  • [ Millenials wünschen sich außenpolitisch selbstbewussteres Deutschland ]
    Laut einer Neubewertung von Forsa-Umfragedaten 2016-2019 befürworten vor allem jüngere deutsche Wahlberechtigte zwischen 18 und 30 Jahren ein stärkeres außenpolitisches Engagement der Bundesrepublik. Das gilt vor allem in der Entwicklungspolitik, beim militärischen Eingreifen in der Terrorbekämpfung und den Schutz von Menschenrechten. Auch gesamtgesellschaftlich nimmt die einstige Mehrheit für eine Zurückhaltung Deutschlands ab, so eine Analyse des Global Public Policy Institute (GPPi). ➡️ Global Public Policy Institute (Studie)
  • [ Rot-Grüner Koalitionsvertrag in Hamburg steht ]
    Der unter Corona-Sicherheitsauflagen verhandelte 205-seitige Koalitionsvertrag der Grünen und SPD in Hamburg steht. Ein neues Verkehrsressort unter grüner Führung soll die Verkehrswende vorantreiben, die Sozialbehörde (SPD) bekommt die Verantwortung für Gesundheitsfragen. Während die meisten SenatorInnen im Amt bleiben, rückt mit der grünen Landeschefin Anna Gallina erst die zweite Nicht-JuristIn an die Spitze des Hamburger Justizapparats. Gegenwind bekommt sie auch, weil die ihr fortan unterstellte Staatsanwaltschaft wegen Verleumdungsklagen von ehemaligen Grünen gegen sie ermittelt. ➡️ NDR (Nachricht) | WELT (Gallina) | SPD Hamburg (Koalitionsvertrag)
  • [ Heinsberg-Protokoll hat ein Nachspiel für StoryMachine ]
    Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) rügt die Berliner Agentur StoryMachine wegen angeblicher „Rufschädigung des Berufsstandes durch unprofessionelles Verhalten“ im Zuge der Veröffentlichung des sogenannten “Heinsberg-Protokolls” zum Corona-Hotspot. Laut DRPR vermittelt StoryMachine eine verfälschte Darstellung der Studie und versucht, ein vorformuliertes Narrativ in die Öffentlichkeit zu setzen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. StoryMachine erwägt nun rechtliche Schritte gegen die Einschätzung. ➡️ meedia (Reaktion StoryMachine) | PR-Report (Rüge)
  • [ Berliner Zeitung wirft Rezo unsauberen Faktencheck vor ]
    YouTuber und Medienkritiker Rezo hat für sein neuestes Video “Die Zerstörung der Presse“ Medienberichte über seine eigene Person einem Faktencheck unterzogen. Basis seiner Erhebungen ist eine von ihm recherchierte Excel-Datei mit 1.788 Artikeln. Laut Rezo veröffentlichte die FAZ zu 67% Falschmeldungen über ihn, gefolgt von der Welt mit 54% und der Berliner Zeitung mit 55%. Letztere hat nun die ihr attestierten Falschmeldungen überprüft und wirft Rezo nicht nur unsaubere Arbeit, sondern auch die Nichtbeachtung eines Großteils der relevanten Artikel vor. ➡️ Berliner Zeitung (Nachricht) | Google Docs (Datenerhebung)


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Aus unserer Serie “HeldInnen der politischen Fehlerkultur”

Erst hat der Oberbürgermeister von Altenburg, André Neumann, in der letzten Woche viele Twitter-NutzerInnen mit einem Tweet über “Rassismus gegen Weiße” gegen sich aufgebracht. Die Kritik hat sich der CDU-Politiker aber zu Herzen genommen und entschuldigte sich für seine “dämliche” Äußerung. In der Leipziger Volkszeitung schildert er, wie er aus dem Shitstorm gelernt hat.

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8. Juni 2020