Neurechte Deportationsphantasien

EDITORIAL: Neurechte Deportationsphantasien

MELDUNGEN: Theodor Heuss Preis 2024 | Studie zum Finanzlobbyismus | ISD-Leitfaden zu Informationsmanipulation | Neue Polit-Podcasts | BMJ kooperiert mit Amtsfluencerin

WAHLTREND: Union verliert

BUCH: Zum Ausrotten wieder bereit? Wir deutschen Antisemiten – und was uns blüht

FUNDSTÜCK: Traktoren für das Klima

STAKEHOLDER: CORRECTIV

Liebe Leserin, lieber Leser,

dass die – in Teilen selbst rechtsradikale – AfD sich auf oberster Ebene mit Rechtsextremen austauscht, ist nichts Neues. Ebenso wenig, dass diese Kräfte es mit ihren völkischen Plänen ernst meinen. Dennoch platzte am Mittwoch eine Correctiv-Investigativrecherche über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen im Landhaus Adlon bei Potsdam wie eine Bombe in den Politikbetrieb: Millionen von Menschen sollen aus Deutschland ausgewiesen werden, weil sie ausländische Wurzeln haben, Ausländer:innen oder Andersdenkende sind. Solche Pläne hat eine hochkarätige Runde um den österreichischen Identitären Martin Sellner, AfD-Bundestagsgeordnete Gerrit Huy und den persönlichen Referenten von Alice Weidel relativ konkret diskutiert. Weitere Hintergründe zum “Geheimplan gegen Deutschland”: 

  • Wie sich die Journalist:innen Zugang verschafft haben, hat Correctiv in einem “Making-Ofdokumentiert.
  • Außerdem gibt es einen News-Ticker zu allen Entwicklungen im Nachgang der Recherche.
  • Wenn Sie die Arbeit von Correctiv unterstützen möchten, geht es hier zur Spendenseite.
  • Das ZDF hat die zentralen Köpfe des Treffens in einem Überblick zusammengestellt.
  • Das involvierte “Düsseldorfer Forum” wird beim RND genauer vorgestellt.
  • Das Hotel, das nicht weit vom Haus der Wanseekonferenz gelegen ist, hat eine politische Vorgeschichte: Bereits seit Jahren finden hier Treffen der rechten Szene statt, schreibt t-online.
  • Die zentrale Forderung der “Remigration”, das heute zum Unwort des Jahres gekürt wurde, ordnet der Bayerische Rundfunk als Kampfbegriff der rechten Szene ein. Matthias Quendt macht es etwas ausführlicher hinter der FAZ-Paywall.
  • Die Pläne der AfD liegen trotz öffentlicher und politischer Empörung im “Trend der herrschenden Meinung”,  kommentiert Patrick Bahners bei der FAZ.
  • Matthias Brodkorb schreibt (€) im Cicero, dass der Wannsee-Scoop gar keiner ist und in den eigenen Narrativen verfangen ist.
  • Warum das Aufdecken des Treffens für die Beteiligten jetzt schon ein Erfolg ist, kommentiert Daniel Bax.
  • Die Tagesschau fasst die gestrigen Demonstrationen gegen Rechts zusammen.

Mit den Enthüllungen erlebt auch die Debatte um ein AfD-Verbot ein Revival. Eine Partei zu verbieten, die in einigen Bundesländern mit Abstand stärkste Kraft ist, ist gesellschaftlich eine Herausforderung und auch die formalen Hürden sind zu Recht hoch. Die Deutschen blicken ebenfalls gespalten auf ein solches Verbot: 42 % Ja- zu 42 % Nein-Stimmen ergaben sich in einer Ipsos-Umfrage, wobei sich je nach Parteizugehörigkeit große Schwankungen zeigen. Welche Erfolgsaussichten so ein Verfahren hätte, ordnet die taz ein.

Die Ampel-Regierung sinkt derweil auf ein neues Stimmungstief: Nach neuester FGW-Umfrage käme sie mit 31 % auf genauso viele Stimmen wie die Union. Die FDP rutscht mit 4 % unter die 5-Prozent-Hürde und wäre gleichauf mit Linker und BSW. Die Wagenknecht-Partei soll sogar ein Wählerpotenzial von bis zu 21 % haben. Mit welchen Köpfen, Themen und Strategien sie zur Volkspartei werden will, hat Karin Christmann analysiert.

Um das zu verhindern und seiner Regierung neuen Elan zu verleihen, will der Kanzler offensiver kommunizieren und den “Fraktions-Olaf” zum “Draußen-Olaf” machen, versprach er seiner Bundestagsfraktion. Selbst Bundespräsident Steinmeier zählte die Regierung schon wegen mangelhafter Kommunikation an. Bei der Eröffnung des neuen ICE-Werks ins Cottbus ließ Scholz eine erste Gelegenheit für mehr Bürgernähe aus, meint Kristina Dunz. Warum eine Besserung aber bitter nötig ist und warum Boris Pistorius dafür die bessere Wahl wäre, hat Hendrik Wieduwilt aufgeschrieben.

Zumindest eine Kommunikationsart funktioniert in der Ampel aber immer noch bestens: Die Rohrpostanlage im Kanzleramt. Warum das betagte System auch weiterhin in Betrieb sein wird, hat die dpa zusammengefasst.

Mit viel politischem Gesprächsstoff kann auch unser benachbartes Ausland dienen:

  • Frankreich hat nach dem Rücktritt von Premierministerin Élisabeth Borne seine Regierung umgebildet und nun das kleinste Kabinett der jüngeren Geschichte und mit Gabriel Attal den jüngsten Premierminister. Das ZDF hat ein Porträt von “Macrons Musterschüler”, ein Überblick des neuen Kabinetts die Tagesschau.
  • In Polen kam es in der vergangenen Woche zu Verhaftungen zweier ehemaliger Minister wegen Amtsmissbrauchs. Den aktuellen Konflikt zwischen Präsident Duda und dem neuen Regierungschef Tusk ordnet die Tagesschau ein.
  • Von solchen Konflikten ist Dänemark weit entfernt. Seit gestern hat die älteste Monarchie Europas ein neues Oberhaupt. Die wichtigsten Fakten zum Wechsel von Margrethe II. auf ihren Sohn Frederik X. (Porträt) in einem Kurzvideo aufbereitet.

Auch in Brüssel gab es überraschende News: Ratspräsident Charles Michel will für das Europäische Parlament kandidieren und wird daher vorzeitig zurücktreten. Wer ihm nachfolgen könnte und warum das – zumindest interimsmäßig – Viktor Orbán sein könnte, erläutert der Tagesspiegel.

Auch in den USA stehen diesen Herbst wieder Präsidentschaftswahlen an. Wer hier im Duell zwischen Trump und Biden aktuell die besten Chancen hat, analysiert der Deutschlandfunk. Klimagesandter John Kerry tritt nun zurück und wechselt in Bidens Wahlkampfteam. Ex-Präsident Trump ist unterdessen noch anderweitig beschäftigt: Der aktuell gegen ihn geführte Prozess wegen Vorwürfen des Finanzbetrugs mutierte vergangene Woche zum Wahlkampfauftritt Trumps, als dieser sein Abschlussplädoyer für eine Wutrede gegen das Justizsystem nutzte.

Ein Superwahljahr steht auch in Asien an. Mirco Günther, FES-Asien-Experte, erklärt im IPG-Journal die Auswirkungen auf Deutschland, wenn fast 60  % der Weltbevölkerung neue Amtsinhaber:innen wählen. Einen Anfang machte bereits Taiwan, wo in den Präsidentschaftswahlen vergangenes Wochenende der chinakritische Lai Ching-te siegte. Erste internationale Reaktionen hat das Handelsblatt zusammengestellt.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Aktuelle politjobs
Politticker
Theodor Heuss Preis 2024

“Demokratie unter Druck”: Unter diesem Motto werden die diesjährigen Auszeichnungen der Theodor Heuss Stiftung vergeben, die seit 1965 den Einsatz für Demokratie und Bürgerrechte ehrt. In diesem Jahr erhält die Autorin und Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal den Theodor Heuss Preis für ihren Einsatz für “Freiheit, Demokratie und die Rechte von Minderheiten”. Mit den gleichrangigen Theodor Heuss Medaillen wurden die drei Demokratieprojekte colorido e.V., Dorfbewegung Brandenburg und das Thüringen Projekt des…

Studie zur Macht der Finanzlobby

Bereits seit zwei Jahren soll das Lobbyregister für mehr Transparenz im politischen Berlin sorgen. Die Bürgerbewegung Finanzwende hat dies zum Anlass genommen, die Finanzlobby genauer auszuwerten und deren Vertreter:innen zu untersuchen. Zum einen zeigte sich, dass die Finanzlobby mit 610 Lobbyist:innen vertreten ist und ein Gesamtbudget von knapp 43 Millionen Euro aufweisen kann – und damit mit Abstand die höchsten Lobbyausgaben aller Branchen im Lobbyregister vorweist. Zudem sind relativ…

ISD-Leitfaden zu Informationsmanipulation

“Vorsicht, manipuliert!”: Diesen Titel trägt ein neuer Leitfaden, den das Institute for Strategic Dialogue herausgegeben hat. Der Leitfaden richtet sich insbesondere an Kommunikationsverantwortliche aus Abgeordnetenbüros, Ministerien und Behörden und möchte diesen einen guten Umgang mit Informationsmanipulation ermöglichen. Dabei konzentriert sich der Leitfaden unter anderem auf die sichere Verwendung relevanter Begrifflichkeiten, die Darstellung der politischen Auswirkungen von Informationsmanipulation und die Identifikation und Bekämpfung dieser. Entwickelt wurde der Leitfaden von Mauritius…

Neue Polit-Podcasts

Mit dem neuen Jahr gibt es auch Zuwachs bei den politischen Podcasts: Aus der Table.Media-Chefredaktion kommt der heute mit Christian Lindner als Gast startende Table.Today, der täglich erscheinen soll und die jeweils tagesrelevanten Themen analysiert. Dazu soll stets ein Gast eingeladen werden, um Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu besprechen. Hosts sind Table-Chefredakteur:innen Michael Bröcker und Helene Bubrowksi. Einen Personalwechsel gab es indes beim Hauptstadt-Briefing von The Pioneer:…

BMJ-Kooperation mit Amtsfluencerin

Auch bürokratische Inhalte modern und trendbewusst kommunizieren hat sich das Bundesjustizministerium zum Ziel gesetzt und nutzt hierzu auch diverse Social-Media-Plattformen. Neben der Nutzung von Memes ist nun eine Kooperation mit der “Amtsfluencerin” Conny from the block neu im Porfolio: Den Auftakt macht ein Insta-Reel soll für das Bürokratieentlastungspaket des Ministeriums werben und setzt dies auf satirisch-parodistische Weise im Stil der Influencerin um. Laut der BMJ-Referatsleiterin für Digitale Kommunikation, Linda Dietze,…

Wahltrend
Wahltrend 15 01 2024

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche

Niklas Frank

Zum Ausrotten wieder bereit? Wir deutschen Antisemiten – und was uns blüht

Sind wir in Deutschland wieder bereit, Menschen aufgrund bestimmter Gruppenmerkmale auszurotten? Angesichts einer lauten Minderheit, die den Terror der Hamas gegen Israel rechtfertigt, die Putins Aggressionen verteidigt oder die plant, Millionen “Ausländer” und Andersdenkende nach Nordafrika zu deportieren, kann man diese Frage zurzeit erschreckenderweise nicht mit einem klaren Nein beantworten. Mit Blick auf den Antisemitismus hierzulande kommt Niklas Frank in seinem Buch zu einer ähnlichen Erkenntnis. Seine These: Weil wir nichtjüdischen Deutschen Antisemitismus nie wirklich als Teil von uns gesehen und bekämpft haben – Denkmäler genügen da nicht – kann er sich erneut ausbreiten. In einer Mischung aus Analyse, Wutrede und Polemik liefert der Autor Belege für diese Sicht und versucht, die Mehrheitsgesellschaft aufzurütteln gegenüber der grassierenden Gefahr der Judenfeindlichkeit.

 

Alle Buchempfehlungen finden Sie auch unter www.politbooks.de.

Social-Media-Fundstück der Woche

@mephisto976

Traktoren für das Klima

Die Traktorblockaden der Bauern führten schnell dazu, dass die geplanten Subventionsstreichungen in Teilen zurückgenommen wurden. Dieses Erfolgsrezept hat sich nun auch die Leipziger “Letzte Generation” zum Vorbild genommen – und blockiert dort mit einem Traktor der etwas anderen Art.

Stakeholder der Woche

CORRECTIV

Das Medienhaus CORRECTIV fokussiert sich auf investigativen Journalismus und möchte damit Missstände, unethisches Verhalten und Korruption aufdecken. Hierdurch sollen öffentliche Debatten ausgelöst werden, die die Gesellschaft und die Demokratie stärken. Die Chefredakteur:innen der in Essen sitzenden Non-Profit-Organisation sind Olaya Argüeso und Justus von Daniels. Jeannette Gusko ist Geschäftsführerin.
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15. Januar 2024