Liebe Leserin, lieber Leser,
Ruanda, Nicaragua und Kuba: Was haben diese drei Länder gemeinsam? Es sind die einzigen, in denen mehr Frauen als Männer im Nationalparlament sitzen. Diese Daten stellt die Inter-Parliamentary Union monatsaktuell in einem Ranking der Geschlechterverteilung der weltweiten Parlamenten zusammen. Süd- und Nordamerika haben dabei die höchsten Anteile von Parlamentarierinnen, der Mittlere Osten sowie Nordafrika die niedrigsten. Absolutes Schlusslicht ist Jemen. Deutschland liegt hinter Armenien, Tansania und Äthiopien mit einem aktuellen Frauenanteil von 35 % auf einem wenig rühmlichen 45. Platz. Dabei war der Bundestag schon mal weiblicher: Vor allem durch den Einzug der AfD verringerte sich der Anteil in der letzten Legislatur aber deutlich.
- Visionen für die Zukunft der europäischen Demokratie von Vordenkerinnen wie Lisa Witter und Nicoletta Pirozzi hat das European Policy Centre gesammelt.
- Wikipedia führt eine Weltkarte der Staaten mit aktuellen und ehemaligen Staats- oder Regierungschefinnen.
- Eine Timeline der Regierungschefinnen mit einer Übersicht darüber, wie viel Prozent der Weltbevölkerung von Frauen geführt wird, hat das RND schon im Oktober aufbereitet.
- Das globale Lagebild der parlamentarischen Parität dokumentiert Emma Batha von der Thomson Reuters Foundation.
Anlässlich des Internationalen Frauentags am vergangenen Mittwoch stand die Rolle von Frauen in der Politik wieder im Fokus. Die Forderung ist klar: Keine Blumen, keine Pralinen, sondern die Hälfte der Macht. Dafür wurde auch dieses Jahr wieder weltweit demonstriert.
Die Ampel-Regierung hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Doch die anfänglich paritätische Besetzung des Kabinetts musste nach dem Rücktritt von Ex-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht aufgegeben werden. Warum diese immer noch auf den Großen Zapfenstreich wartet, hat der Merkur recherchiert. Im Regierungshandeln versucht das erste Scholz-Kabinett dabei feministische Akzente zu setzen: Die Außenpolitik soll jetzt feministisch werden, ebenso die Entwicklungspolitik.
- Das Bundesfamilienministerium fördert unterdessen die Meldestelle Antifeminismus – die in ihrem ersten Monat bereits über 700 Meldungen verzeichnen kan
- Ein weiteres feministisches Anliegen lässt jedoch weiterhin auf sich warten: Das Bundesjustizministerium hat noch immer keinen Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt. Warum dies eigentlich wichtig wäre, kommentiert Nadine Lang im Tagesspiegel.
- Außenministerin Annalena Baerbock fordert klare Regelungen für mehr Chancengleichheit (€).
Auch bei unseren europäischen Nachbarn wird die Rolle von Frauen in der Politik diskutiert. Spanien – traditionell in dieser Frage sehr progressiv ausgerichtet – richtet nun eine Quote für Frauen in der Politik ein. Italien geht in der Gleichstellungspolitik zwar nicht so weit, hier bahnt sich aber ein packendes Duell zwischen der rechtsnationalen Regierungschefin und der neuen PD-Chefin Elly Schlein an. Die italienische Schriftstellerin Lidia Ravera darüber, wie der Kampf gegen den Sexismus sogar ein gemeinsamer für beide werden kann. In Österreich geht die Quote an Frauen in der Politik hingegen zurück, wie der Standard zusammenfasst.
Andere Entwicklungen geben Anlass zur Hoffnung. So verkündete die deutsch-schwedische AllBright Stiftung neue Zahlen zum Frauenanteil in Vorständen von börsennotierten Unternehmen. Dieser ist in Deutschland im letzten halben Jahr von 14,2 % auf 17,1 % gestiegen. Bemerkenswerter: Bei der Neubesetzung von Vorstandspositionen seit September 2022 wurden erstmals fast ebenso oft Frauen (29) wie Männer (32) berücksichtigt.
Frauen stellen aber nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik eine extrem wichtiges Rekrutierungspotenzial dar. Hier stoßen Parteien jedoch auf akute Rekrutierungsprobleme. Die Gründe dafür sind vielfältig – besonders häufige Hürden sind jedoch Probleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder organisationskulturelle Hindernisse. Dabei wäre es eigentlich höchste Zeit für die Parteien, sich zugänglicher für Frauen aufzustellen – denn ohne genügend weibliche Mitglieder wird es zunehmend schwierig, Kandidat:innen und Wähler:innen zu gewinnen. Die Realität in den Parteien sieht jedoch anders aus:
- Trotz relativ vieler Frauen hat der Spiegel der SPD vor wenigen Wochen ein „Frauenproblem“ attestiert.
- In der FDP steht es um dieses Thema chronisch schlecht. Nur die AfD hat weniger Frauen.
- Die Union konnte sich lange hinter Angela Merkel verstecken, doch in absoluten Zahlen wird deutlich, wie unterrepräsentiert Frauen in der Union sind. Das kritisiert auch Generalsekretär Mario Czaja und fordert, dass sich Männer „nicht länger querstellen.”
- Durch ihre Quotenregelung sind die Grünen in dieser Frage am besten aufgestellt. Doch wer gilt für die parteiinternen Regelungen als Frau? Bisher stellte die Definition dabei schlicht auf die eigene Definition des Geschlechtes ab, schloss also auch trans Frauen mit ein. Doch das Bundesschiedsgericht der Grünen schränkt diese Selbstdefinition nun ein – um Missbrauch vorzubeugen.
Bis zur Erfüllung dieser Vorstellungen ist es wohl noch ein langer Weg, denn noch immer werden Frauen systematisch aus dem politischen Diskurs gedrängt, wie die Tagesschau zeigt: Sie sind in der Politik überdurchschnittlich oft Opfer von Hass und Desinformation. Warum Politikerinnen häufig kritischer und aggressiver von der Öffentlichkeit behandelt werden, hat die FAZ (€) analysiert.
Neben all diesen Hindernissen gibt es jedoch auch spezifische Angebote, um die Politik frauen- und familienfreundlicher zu machen. So etwa das “Frauen in die Politik”-Programm, das auf Kommunalpolitik abzielt. Weiterhin veranstaltete die Hertie Stiftung im Rahmen ihres Beruf:Politik Programms Workshop sfür Alleinerziehende in der Politik und auch unsere Veranstaltung der Woche widmet sich einem Problem, dem fast ausschließlich Frauen ausgesetzt sind.
Ob die Frauenquote im Bundestag mit neuer Wahlrechtsreform steigt, ist mehr als fraglich. Doch der Ampel-Entwurf ist da: 106 Abgeordnete weniger soll es geben, also dauerhaft 630. Neben einigen Sitzen, Überhang- und Ausgleichsmandaten fällt auch die Grundmandatsklausel weg. Ihr hat es die Linke zu verdanken, dass sie trotz 4,9 % Zweitstimmenanteil, aber mit drei Direktmandaten in Fraktionsstärke im Bundestag sitzen darf. Vor ihr konnte von dieser Regelung zwei Mal die Deutsche Partei in den 50er Jahren und einmal die PDS 1994 profitieren.
Ende der Woche soll die – maßgeblich von Sebastian Hartmann (SPD), Till Steffen (Grüne) und Konstantin Kuhle (FDP) erarbeitete – Reform verabschiedet werden und bei der Bundestagswahl 2025 Anwendung finden. Dass hierdurch die Diversität im Parlament in Gefahr ist, befürchtet nicht nur Initiative BrandNewBundestag, die eine Petition gestartet haben. Auch der Deutsche Frauenrat kritisiert die Pläne: der Gesetzesentwurf der Ampel blende die Unterrepräsentanz von Frauen im Bundestag einfach aus. Von der Gesellschaft Chancengleichheit wird währenddessen die Befürchtung geäußert, dass durch die Reform der Frauenanteil im Parlament noch weiter sinken könnte – und die Parität damit in noch weitere Ferne rückt.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff
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- Finanz- und Fördermittelmanager:in (m/w/d)Finanz- und Fördermittelmanager:in (m/w/d)Initiative Offene Gesellschaft e. V. | Berlin, Deutschland | Bewerbungsfrist: laufend | Administration & Büromanagement, Finanzen &…
- Referentin oder Referent Energy & Smart Grids (m/w/d)Referentin oder Referent Energy & Smart Grids (m/w/d)bitkom e.V. | Berlin, Deutschland | Bewerbungsfrist: laufend | Referent:in
Interne Konflikte, Nachhaltigkeit, Krisen- und Konfliktkommunikation: In insgesamt 25 Kategorien wird dieses Jahr der Internationale Deutsche PR-Preis 2023 verliehen. Hierfür wurde nun die Shortlist der Nominierten veröffentlicht. Mit dabei sind u. a. navos, MSL, Weber Shandwick, fischerAppelt und BCW. Verliehen wird der Preis seit 1970 durch die Deutsche Public Relations Gesellschaft.
Das Leugnen der Klimakrise, Impfskepsis und russische Propaganda im Ukraine-Krieg sind drei der prominentesten Desinformations-Narrative in Deutschland. Dies zeigt die Disinformation Landscape, die vom EU Disinfo Lab für diverse europäische Länder entwickelt wurde. Neben Narrativen und beispielhaften Fällen geht die Veröffentlichung ebenfalls auf prominente Akteure gegen Desinformation ein, etwa CORRECTIV und das CeMAS. Das Projekt wird von der Friedrich Naumann Stiftung finanziert.
Desinformation im Kontext von Wahlen hat seit 2016 weltweit zugenommen. Damit beschäftigt sich ein Report des Institute for Democracy and Electoral Assistance. Dabei wurden in 92 % der 53 untersuchten Länder solche Kampagnen identifiziert. Weiterhin beschäftigt sich der Report mit Zielen, Vorgehen und Wirkungen von Desinformation. So soll ein “knowledge and resource hub” geschaffen werden, das beim Schutz von Wahlen vor (Online-)Desinformation helfen kann.
Mit dem Konzept der (Nicht-)Zugehörigkeit in Europa befasst sich der Report “Taking Europe Personally: Young Narratives of Europe” der Alfred Herrhausen Gesellschaft in Kooperation mit der Schwarzkopf Stiftung. Darin wird untersucht, welche Sicht junge, ehrenamtlich engagierte Europäer:innen auf Europa, aktuelle Konflikte und die Zukunft Europas haben. Befragt wurden dafür 13 Freiwillige aus acht europäischen Ländern. Im Anschluss wurden die Aussagen in Narrative gruppiert und kategorisiert.
Nur 11% des Gesamtumfanges der Jahresrückblicke 2022 beschäftigen sich mit Geschehnissen im Globalen Süden, zeigt eine Untersuchung des European Journalism Observatory. Dadurch werden eine Reihe an Krisen und Katastrophen nicht bzw. kaum berücksichtigt, etwa die “Jahrhundertflut” in Pakistan, der Militärputsch in Burkina Faso, die humanitäre Krise in Haiti u.v.m. So entfällt auf 15% der Weltbevölkerung mehr als 85% der medialen Aufmerksamkeit, was zur Langzeitmarginalisierung des Globalen Südens beiträgt. Autor…
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Julia Ebner
Massenradikalisierung. Wie die Mitte Extremisten zum Opfer fällt
Egal, ob Querdenker- und Reichsbürger-Szene in Deutschland, der Kapitol-Sturm in den USA oder das ähnliche Vorgehen von Bolsonaro-Anhängern in Brasilien – Radikalisierung und häufig auch Gewaltbereitschaft scheinen zum Massenphänomen geworden zu sein. Doch warum sind viele Menschen mittlerweile anfällig für radikale Ideen? Welche Strukturen und Mechanismen sind damit verbunden und was sollte zur Verteidigung der Demokratie dagegen unternommen werden?
Um diese Fragen geht es Julia Ebner in ihrem neuen Buch. 2019 hatte die Extremismusforscherin bereits über die Mechanismen der Online-Radikalisierung geschrieben und knüpft nun an die damaligen Überlegungen an. Sie legt mit Beispielen aus verschiedenen Bewegungen eindrücklich dar, wie “Radikalisierungsmaschinen” im digitalen Raum zur analogen Massenradikalisierung führen können und welche Rolle Subkulturen, Netzwerke und alternative Medien dabei spielen. Ebner warnt vor einer “Hyperpolarsierung” und befragt zudem Expert:innen, was man tun kann, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.
Die Buchempfehlungen finden Sie ab sofort auch unter www.politbooks.de.
Benjamin Triebe
Bundesschneebeauftragter Olaf Scholz
Bei der Kabinettsklausur in Meseberg sollte der Haussegen der Ampel wieder gerichtet werden. Diese Mission verlief zumindest so erfolgreich, als dass der Bundeskanzler sich sogar kurz seiner nebenberuflichen Karriere als Schneemann widmen konnte. Ob er am Ende Vizekanzler Robert Habeck oder doch Finanzminister Christian Lindner einseifte, ist nicht überliefert.
Mareile Ihde
AllBright Stiftung
Die deutsch-schwedische AllBright Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in wirtschaftlichen Führungspositionen ein. Ihr Ziel dabei ist es, gleiche Karrierechancen für Frauen und Männer sowie bessere Unternehmensresultate zu erreichen. Sitz der Stiftung ist in Stockholm und Berlin, Geschäftsführer:innen sind Dr. Wiebke Ankersen und Christian Berg.
Gregor Bauer
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