Die Geschichte der Panzerwende

Die politnews vom 30. Januar 2023

Wenig Ostdeutsche in Spitzenpositionen der Bundesbehörden | Videoserie zum politischen Alltag | Verschiedene Altersgrenzen beim Wählen verwirren junge Leute | Twitter-Grundsatzprozess gegen Antisemitismus | Brandenburger Freiheitspreis zur "Freiheit in der digitalen Welt" u. v. m.

WAHLTREND: SPD mit kräftigen Gewinnen | BUCH: Die Neuen. Eine Generation will an die Macht | TWEET: Die Leoparden kommen | STAKEHOLDER: Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Mittwoch um 11:36 Uhr macht eine E-Mail des Regierungssprechers den nächsten Schritt der deutschen außenpolitischen Zeitenwende komplett: 14 Leopard-2-Panzer sollen in die Ukraine geschickt werden, mehr als 70 Stück aus anderen Ländern sollen folgen. Die langersehnte Information erreichte Wolodymyr Selenskyj in einem Live-Interview (siehe Tweet der Woche). Der Entscheidung ging ein monatelanges Ringen voraus. Am Ende entschied Olaf Scholz in gewohnt stiller Manier im kleinen Kreis. Eva Quadbeck über Entscheidungsfindungen nach der Methode Scholz und ihre Schwächen. Ebenso erwartbar wie unvollständig ist nun die Erzählung der SPD, dass damit der lang gehegte Masterplan aufgeht. Ob die Geduldsprobe, auf die Scholz seine internationalen Verbündeten gestellt hat, das am Ende wert gewesen ist, wird sich zeigen – womöglich erweist sich dies noch als Pyrrhussieg, wie der ehemalige Top-Diplomat Wolfgang Ischinger im Handelsblatt (€) warnt. Reaktionen von russischer Seite unten im politticker. Mehr Hintergründe und Analysen zum Panzerdeal:

  • Das RND mit einem Bericht, wie Joe Biden den Weg für die Panzerlieferungen frei machte und was ein paar US-Senatoren damit zu tun hatten.
  • Michael Weiss und James Rushton mit einem ausführlichen und kritischen Blick von außen auf Deutschlands lang rausgezögerte Entscheidung.
  • Die Rekonstruktion der Panzerwende von t-online.de ist weitaus wohlwollender mit Scholz.
  • Fünf Fragen zum Panzerdeal, die “Sie sich noch nie gestellt haben”, beantwortet das RND.
  • Was den Leopard 2 eigentlich zu einem so begehrten Modell macht, erklärt das Panzermuseum in einem Video.
  • Olaf Scholz am Tag nach der Entscheidung im “Was Nun”-Interview beim ZDF und in der Regierungsbefragung. Dort erlaubte sich der Kanzler auch einen Patzer und wurde umgehend von Bundestagspräsidentin Bas ermahnt.
  • In der Phoenix-Runde diskutierten u. a. Heiko Kretschmer, Bernhard Pörksen und Julia Reuschenbach, ob Scholz ein “Zauderer oder Stratege” ist.
  • Welche Rolle Fraktionschef Rolf Mützenich bei der Panzerfreigabe spielt und wie er vom Zögerer zum Beschleuniger wurde, hat Hans Monath für den Tagesspiegel analysiert.

Ganz zentral bei allen Überlegungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine: Deutschland darf nicht zur Kriegspartei werden! Das haben die Verantwortlichen in den letzten Monaten fast mantraartig wiederholt. Deswegen dürfte Scholz und seinen Berater:innen kurz die Kinnlade runtergeklappt sein, als sie hörten, was Außenministerin Annalena Baerbock in Brüssel vom Stapel ließ. Im Europarat schloss sie ein Statement mit dem Satz „We are fighting a war against Russia and not against each other“ (Video). Inhaltlich und sprachlich angelehnt vielleicht an “Der Feind ist Putin, nicht wir”, doch mit deutlicher anderer Wirkung. Auch in der Bundespressekonferenz kamen die Sprecher bei einer Nachfrage dazu ins Schwimmen.

In der Aufregung um die Panzerlieferung ging die Entscheidung zur Parteienfinanzierung fast unter. Dabei ist das Urteil aus Karlsruhe alles andere als eine Kleinigkeit und wird die finanzielle Ausstattung der Parteien deutlich einschränken. Denn das Gesetz zur Erhöhung der Parteienfinanzierung von Union und SPD aus dem Jahr 2018 ist verfassungswidrig. Das Gericht gab einem Antrag von Grünen, FDP und Linken statt: Die Erhöhung von 25 Millionen € pro Jahr war unangemessen. Doch die Parteien müssen eventuell doch nichts zurückzahlen, das hatte SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan im Vorfeld als „Worst Worst Case Szenario“ beschrieben. Die endgültige Entscheidung darüber obliegt der Bundestagsverwaltung, die aber zunächst die Parteien dazu anhören möchte. Eine separate Klage der AfD gegen die Erhöhung scheiterte hingegen wegen unzulässiger Anträge.

  • Tobias Dorfer hat die wichtigsten Antworten zu den Folgen des Urteils zusammengestellt.
  • Die offizielle Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier.
  • Die richterliche Entscheidung sei ein Debakel für Union und SPD, kommentiert Christian Deutschländer vom Merkur.
  • Jost Müller-Neuhof plädiert im Tagesspiegel für neue Formen der Kontrolle bei der Parteienfinanzierung.
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Noch zwei Wochen bis zur Berlin-Wahl und während Franziska Giffey auf taktische Distanz zu Grünen und Linken geht, wollen wir Sie auch in dieser politnews-Ausgabe über die neuesten Randnotizen der Wahlvorbereitung informieren:

  • CDU-Politiker und Public-Affairs-Profi Christian Wohlrabe wurde nun schon zum zweiten Mal falsch auf dem Wahlzettel geschrieben. Wohlrabe tritt im Wahlkreis Charlottenburg an.
  • Die Wahlzettel im Bezirk Treptow-Köpenick waren zwar richtig geschrieben – zumindest ist uns nichts Gegenteiliges zu Ohren gekommen – dafür gab es sie gleich zwei mal. In Charlottenburg-Wilmersdorf wurden einige Briefwahlscheine dafür ohne Dienstsiegel verschickt.
  • Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die OSZE schickt doch keine Wahlbeobachter:innen in die deutsche Hauptstadt. Es sind die kleinen Dinge im Leben.

Zumindest die Berlin-Wahl dürfte Olaf Scholz auf seiner ersten großen Südamerika-Reise keine Kopfschmerzen bereiten. Diese ist gleichbedeutend mit der Premiere des neuen Regierungsfliegers “Konrad Adenauer”. Mehr zum neuen Airbus A350-900, der jedes Ziel auf der Welt direkt erreichen kann, weiß web.de.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff

Aktuelle politjobs
Politticker
Brandenburger Freiheitspreis zur “Freiheit in der digitalen Welt”

Bereits zum vierten Mal wird der Brandenburger Freiheitspreis vom Domstift Brandenburg vergeben, dieses Jahr zum Thema „Freiheit in der digitalen Welt“. Der Preis soll an eine Person, Initiative oder Institution gehen, von der die Nutzung digitaler Freiheiten bei gleichzeitiger Wahrung von Selbstbestimmung und Respekt demonstriert wird. Vorschläge für Preisträger:innen können noch bis zum 28. Februar eingereicht werden.

Twitter-Grundsatzprozess gegen Antisemitismus

Antisemitische Inhalte werden auf Twitter oft geduldet und von den Plattformbetreibern nicht entfernt. Aus diesem Grund hat die European Union of Jewish Students gemeinsam mit der Organisation HateAid und Unterstützung der Landecker Foundation vergangene Woche vor dem Landgericht Berlin eine Klage gegen Twitter eingereicht. So soll grundsätzlich geklärt werden, inwieweit Twitter-Nutzer:innen und NGOs die Entfernung strafbarer Inhalte, etwa von Holocaustleugnung, einfordern können.

Videoserie zum politischen Alltag

Herausforderungen der Politik darstellen und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen: Das sind die Inhalte der Videoserie talking.politics, die als Teil des Projektes Beruf:Politik von der Hertie-Stiftung erstellt wurde. Einblicke in den politischen Alltag liefern dabei u.a. die FDP-Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen und die Publizistin Marina Weisband. Zielgruppe der Serie sind politisch Interessierte und Engagierte sowie Menschen aus der politischen Bildungsarbeit.

Verschiedene Altersgrenzen beim Wählen verwirren junge Leute

Rund 10% der 16- und 17-Jährigen in Berlin hätten nicht von ihrer Wahlberechtigung für die Kommunalwahl 2021 gewusst. Das fand die Jugendwahlstudie der Otto-Brenner-Stiftung heraus, die Wahlen in Berlin, Brandenburg und Sachsen hinsichtlich der Beteiligung junger Menschen untersucht hat. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass die aktuellen je nach Bundesland variierenden Altersgrenzen zu Verwirrung und Unsicherheit führen. Zudem bestehe ein Zusammenhang zur subjektiven Schichtzugehörigkeit der Befragten: Junge Menschen…

Wenig Ostdeutsche in Spitzenpositionen der Bundesbehörden

Nur 13,5% der Führungskräfte in den obersten und oberen Bundesbehörden stammen aus Ostdeutschland – rechnet man Berlin raus, sind es sogar nur 7,4%. Der Anteil Ostdeutscher an der deutschen Gesamtbevölkerung liegt bei 20%. Dies gab der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, nach einer Datenerhebung innerhalb der Führungsetagen der Bundesverwaltung bekannt. Zudem legte Schneider ein Konzept vor, wie der Anteil an Ostdeutschen in Führungspositionen künftig gesteigert werden soll.

Wahltrend
30.01.

Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gewichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

Buch der Woche
Livia Gerster

Die Neuen. Eine Generation will an die Macht

Bei der Wahl 2021 sind so viele junge Abgeordnete wie noch nie in den Bundestag eingezogen: Ein Viertel der 736 MdB waren zu dem Zeitpunkt unter vierzig – und sie verändern langsam aber sicher die politische Kultur der bisherigen “Babyboomer”-Republik. Diesen Eindruck bekommt man jedenfalls bei der Lektüre des Buchs von Livia Gerster. Die Journalistin, selbst ebenfalls Teil der “Millenials”, geht darin der Frage nach, was diese Generation politisch auszeichnet und welche Gemeinsamkeiten die jungen MdB aufweisen.

Dafür hat Gerster 35 von ihnen, die jünger als 35 sind, ein Jahr lang bei ihrer Arbeit im Bundestag beobachtet, unter anderem Kevin Kühnert (SPD) und Ricarda Lang (Grüne). Sie beschreibt die Politisierung dieser Millenials, für welche Anliegen sie streiten und stellt bei den jungen Abgeordneten parteiübergreifend eine gewisse Homogenität fest. Eine Besonderheit im Vergleich zu den älteren MdB sei zudem die andere Art der Kommunikation: Über die sozialen Medien gewähren die Jungen viel mehr Einblicke in ihr Parlamentarier-Dasein, sie zeigen sich nahbar und erklären offen ihre Politik, so Gerster. Mit ihrem Buch gelingt ihr ein spannendes und kurzweiliges Porträt einer neuen Generation von Abgeordneten, die die deutsche Politik in Zukunft weiter prägen werden.

Die Buchempfehlungen finden Sie ab sofort auch unter www.politbooks.de.

 

Benjamin Triebe

Tweet der Woche

@Gerashchenko_en

Die Leoparden kommen

Wer sich seit einem Jahr gegen den Angriffskrieg einer Atommacht verteidigt, ist tendenziell schwerer aus der Ruhe zu bringen. Als die Nachricht über die langersehnten Panzerlieferungen in Kiew eintrafen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Live-TV-Interview saß, ließ er sich kaum etwas anmerken.

 

Mareile Ihde

Stakeholder der Woche
Stakeholder der Woche(3)

Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr

Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr fungiert als zentraler technischer Dienstleister der Bundeswehr. In seinem Aufgabenbereich liegt die Ausstattung der Bundeswehr mit moderner Technik und modernem Gerät, es wird daher auch als zentraler „Einkäufer“ der Bundeswehr bezeichnet. Das Amt sitzt in Koblenz und wird seit 2018 von der Juristin Gabriele Korb geleitet.

Gregor Bauer

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30. Januar 2023