Liebe Leserin, lieber Leser,
dass die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am kommenden Sonntag stattfindet, ist nun sicher. Und so banal diese Meldung wenige Tage vor einer Landtagswahl eigentlich sein sollte, so symbolhaft ist sie für das Berliner Wahlchaos. Denn ob das Ergebnis danach Bestand haben wird, ist immer noch nicht vollständig klar. Das Bundesverfassungsgericht wies am Dienstag im Eilverfahren eine Beschwerde ab, die argumentierte, dass die Wahl nicht zu wiederholen sei, weil im September 2021 nicht in allen Wahllokalen Pannen aufgetreten sind. Die finale Entscheidung, ob die komplette Wiederholung verfassungsgemäß ist, wird allerdings erst nach dem neuen Wahlgang fallen, da bis zum 2. März noch alle Berliner Abgeordneten Stellung dazu nehmen können.
Bei alldem geht es wohlgemerkt noch nicht um die Wiederholung der Bundestagswahl in einigen Berliner Wahlbezirken. Dazu sind noch etliche Wahlprüfungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig.
Eine erneute Wahlwiederholung wäre eine „nicht vermittelbare Katastrophe“, so Ulrich Battis, emeritierter Professor für Staatsrecht an der Humboldt-Universität. Das ist jedoch eher eine theoretische Möglichkeit – die Chance für den GAU schätzen Expert:innen als sehr gering ein. Der Schaden für Berlin, die Demokratie und nicht zuletzt die Landeskasse ist gleichwohl da: Mehr als 39 Millionen Euro kostet den Steuerzahler die Wiederholung oder um es in Berliner Verhältnisse zu setzen: Einen Monat BER-Bauzeit. Auch die ca. 42.000 Wahlhelfer:innen hätten den kommenden Sonntag sicher auch anders verbringen können. Weitere Hintergründe:
- Thorsten Faas mit einer Einordnung der Entscheidung aus Karlsruhe. Der Politikwissenschaftler hat auch eine Umfrage zur Wahlwiederholung gestartet, auf die wir hier gern hinweisen.
- Warum die Wahl eh kaum etwas ändern wird und die Probleme in Berlin struktureller Natur sind, erklärt Eva Quadbeck für das RND.
- Auch in den Berliner Bezirken wird gewählt. Der RBB hat eine umfangreiche Übersicht aller BVV-Wahlen mit den jeweiligen Ausgangspositionen.
- Warum die Bezirkswahlen mit Blick auf die kommunalen Regierungen aufgrund des Wahlrechts aber fast sinnlos sind, erläutert Julius Betschka vom Tagesspiegel.
- Die Zahl der angefragten Briefwahlunterlagen lässt auf eine sinkende Wahlbeteiligung schließen
- Wie internationale Korrespondent:innen auf das peinliche Schauspiel in der deutschen Metropole blicken, thematisiert der Podcast „Berliner & Pfannkuchen” vom Tagesspiegel.
- Fünf skurrile Wahl-Fakten, unter anderem, warum eine Stimme für die Grünen zu einer für die Linke werden kann, hat die Frankfurter Rundschau zusammengestellt.
Dabei sieht es für die CDU von Kai Wegner weiterhin sehr gut aus. Eine Woche vor der Wahl liegt sie in den Umfragen deutlich vor SPD und Grünen, teilweise auf dem höchsten Wert seit acht Jahren. Eine Koalition mit den Grünen schloss Wegner aus, dafür sei man insbesondere in der Verkehrspolitik zu weit auseinander. Mit der SPD sieht er hingegen mehr Schnittmengen. Ob das für eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus reicht, wird auch maßgeblich davon abhängen, ob die FDP über die 5-Prozent-Hürde kommt.
- Die Frankfurter Rundschau mit einem Überblick über die Spitzenkandidat:innen der Parteien.
- Den passenden politischen Schlagabtausch des Spitzenpersonals gibt es in der Aufzeichnung des BASECAMP-Events mit Moderator Sascha Lobo.
- Für alle Unentschlossenen und für den politischen Spieltrieb gibt es den Wahl-O-Mat.
- Die passende heitere Panne zum Wahl-O-Mat lieferte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch Ende Januar beim Thema autofreie Friedrichstraße.
- Weniger heiter fielen die Reaktionen auf die umstrittene Wahlwerbung der SPD-Fraktion mittels Zeitungsanzeigen aus.
Falls man sich nach den letzten Wochen des Wehklagens und Berlin-Bashings nach einem positiven Blick auf die Hauptstadt sehnt, kann die Frankfurter Allgemeine Zeitung (sic!) helfen. Ralph Bollmann findet nämlich, dass es in der Hauptstadt ganz gut läuft.
Nicht nur die FAZ wird am 8. Oktober bei der hessischen Landtagswahl ganz genau hinschauen. Denn
- Hier das Spiegel-Interview (€), in dem Faeser ihre Kandidatur verkündet hat.
- Das ZDF mit den Reaktionen der SPD-Parteikolleg:innen sowie von CDU und Grünen.
- Ob die Innenministerin damit in die “Röttgen-Falle” tappt, beleuchtet Florian Schillat vom Stern.
Einen ganz anderen Wahlsieg konnte Faesers Kabinettskollegin Annalena Baerbock in der letzten Woche feiern: Der Aachener Karnevalsverein hat ihr den Orden wider den tierischen Ernst verliehen. Nach einer Laudatio von Iris Berben durfte die Außenministerin selbst in die Bütt und schlug sich offenbar ganz tapfer. Auch ein schönes Selfie sprang noch raus (siehe Tweet der Woche). Eine Übersicht aller Ordensritter seit 1950 gibt es bei der Aachener Zeitung. Welche politischen Themen hingegen beim Kölner Rosenmontagszug aufgegriffen werden, weiß der Merkur.
Um Karneval wird es demnächst auch häufiger im Bundestag gehen: Diese Woche wird ein interfraktioneller Freundeskreis “Karneval, Fastnacht, Fasching (KFF)” gegründet, um das Brauchtum künftig im Parlament zu pflegen und zu unterstützen. Im Sinne eines diversen und inklusiven Politikbetriebs nimmt dies auch die größtenteils nicht-rheinische polisphere-Redaktion mit Interesse zur Kenntnis.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

Wer sich als junger Mensch einsam fühlt, ist anfälliger für autoritäres und verschwörungideologisches Gedankengut. Das hat eine Studie des Progressiven Zentrums herausgefunden, für die eintausend Jugendliche zwischen 16 und 23 Jahren befragt wurden. Einsame Personen waren dabei eher unzufrieden mit der Demokratie und stimmten verschwörungsideologischen Aussagen eher zu. Die Autorinnen der Studie warnen daher vor dem “demokratiegefährendenden Potenzial” von Einsamkeit. Die Studie wird am 10. Februar offiziell vorgestellt.
Noch bis zum 6. März läuft die Ausschreibungsfrist für den Medienpreis Parlament 2023 des Deutschen Bundestages. Der Preis würdigt herausragende publizistische Arbeiten, die sich mit Fragen des Parlamentarismus beschäftigen und das Verständnis für parlamentarische Abläufe und Themen verbessern. Er wird seit 1993 vergeben und ausgezeichnet wurden u.a. bereits Robin Alexander und Ulrich Deppendorf.
Rechtsextreme Ideologie geht oft mit Misogynie und Sexismus einher. Welche Rolle diese geschlechtsbezogenen Ideologien bei rechtsextremer Gewalt spielen, hat die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Studie “Alles Einzelfälle?” untersucht. Die Autorinnen Mira Brate und Anna Suromai kategorisieren darin zentrale Aspekte des Phänomens. Um Vorfälle dieser Art künftig zentral melden zu können, hat die Amadeu Antonio Stiftung zudem kürzlich die erste bundesweite Meldestelle für Antifeminismus eingerichtet.
Unter dem Motto “Zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden: Chance der Demokratie” wurde der diesjährige Theodor Heuss Preis vergeben. Erhalten hat ihn der Informatiker und Dissident Leonid Wolkow, der die Antikorruptionsstiftung FBK als politischer Direktor leitet. Eine dem Preis gleichrangige Medaille erhielten zudem die Organisationen Correctiv, HateAid, und Facts for Friends sowie die Investigativjournalistin Marcela Turati. Der Preis wird seit 1965 jährlich von der Theodor Heuss Stiftung an Persönlichkeiten und…
Politische Theorie leicht verständlich darstellen: Das ist das Ziel des neuen Blogs leichtpolitisch, der von Leuphana-Student Jonas Schröder betrieben wird. Bisherige Themen sind etwa eine Einführung in das Werk von Michel Foucault oder eine kritische Betrachtung des Machtbegriffs bei Max Weber. Auch Themen, die nur am Rande mit Politik zu tun haben, sollen in dem Blog in Zukunft behandelt werden.
- Schlacht um Stalingrad: Putin gedenkt des Sieges über Nazi-Deutschland
- Früherer Selenskyj-Unterstützer: Neue Razzien im Kampf gegen Korruption in der Ukraine
- Steffen Kotré: AfD-Politiker tritt in Propaganda-Show des Kreml auf
- Verein für Rechtsextreme: Jürgen Elsässer (AfD) gründet Verband zur Annäherung an Russland
- Faktenfinder: Wie finanzieren sich Putin-Propagandist:innen trotz EU-Sanktionen?
- Hintergrund: Die psychische Belastung täglicher Todes- und Frontmeldung durch Social Media
- Ermittlungen eingeleitet: Fake-Kampagne von angeblichen Grünen in Niedersachsen
- 10 Jahre AfD: Was ist an der Partei verfassungsfeindlich? & Politikwissenschaftler sieht keine Regierungsperspektive
- CDU: Ein Jahr Parteivorsitz Friedrich Merz
- Hans-Georg Maaßen: Wie rechtsextrem äußerte er sich? & Warum ein Parteiausschuss nie einfach ist
- WerteUnion: Junge Union-Chef fordert Unvereinbarkeitsbeschluss
- Künstliche Intelligenz: Erste ChatGPT-Rede im EU-Parlament gehalten (€)
- Karrierelaufbahn: Diese Berufe haben die Abgeordneten vor dem Bundestag ausgeübt
- Bundesinnenministerium: Neuer
Sonderbevollmächtigter für Migrationsabkommen nimmt Arbeit auf - IT-Sicherheit: Wie Hacker:innen in Deutschland ganze Verwaltungen lahmlegen
- Online-Behördenzugang: Faeser erntet Kritik wegen Digitalisierungsvorschlägen
- Digitalisierung: So Fax ist die Berliner Verwaltung noch immer & Uralt-Server ohne Sicherheitsupdates in Berliner Ämtern
- Teilhabe: Digitale Armut in Krisenzeiten
- Michael Ballweg: Eine bürgerliche Fassade für rechte Umsturzfantasien
- Transnationaler Extremismus: Neue ISD-Serie zum Jahrestag des Sturms auf das Kapitol (Englisch)
- Interview: Psychologe Marius Raab über Reichsbürger:innen
- Wirtschaftslobbyismus: Was ist dran an der Neugewichtung der Lobby-Mächte?
- Lobbyleaks: Corporate Europe Observatory & LobbyControl starten neue Anlaufstelle für EU-Abgeordnete um fragwürdige Lobbyaktivitäten zu melden
- EU-Wettbewerbspolitik: Wie Google, Amazon & Co. intransparente Beratungsfirmen für ihre Lobbyarbeit nutzen
- Expertise: Wie Politikberatung gelingen kann
- Bundesministerium für Forschung und Bildung: Sabine Döring wird Staatssekretärin
- Klenk & Hoursch: Faris Al Ahmad verstärkt das Public Affairs Team
- Verteidigungsministerium: Michael Stempfle wird neuer Sprecher und Leiter Stab Informationsarbeit
- Bundesverband Deutscher Stiftungen: Friederike v. Bünau folgt auf Kirsten Hommelhoff als Generalsekretärin
- Jahresumfrage: 34 Agenturen beantworten Fragen über Kommunikation in Krisenzeiten
- Gregor Gysi: Über Faktoren, die heute die politische Kommunikation beeinflussen
- Julian Reichelt: Das Krawall-Imperium des geschassten „Bild“-Chefs auf Youtube
- Ex-NATO-Strategin: Dr. Stefanie Babst zu politischer Kommunikation (Podcast)
- Kommentar: Wie man sich einen Shitstorm einfängt
- Twitter: Musk zerstört, was Twitter groß gemacht hat & Twitter Blue gibt es jetzt auch in Deutschland & Analyse – Die User bleiben dabei
- Meta: Facebook-Mutter war offenbar Kundin bei Datenhändler:innen
- Desinformation: So gehen Social-Media-Plattformen damit um
- Digitales Labyrinth: Rechtsextreme Strategien der Dezentralisierung im Netz und mögliche Gegenmaßnahmen
- Interview: „Der Einfluss der russischen Tweets war, wenn überhaupt, begrenzt“
Patrick Bahners
Die Wiederkehr. Die AfD und der neue deutsche Nationalismus
Als die AfD am 6. Februar 2013 offiziell gegründet wurde, haben vermutlich die wenigsten damit gerechnet, dass die Partei die politische Kultur hierzulande in den nächsten zehn Jahren entscheidend mitprägen wird. Zulange schienen offener Nationalismus und eine erfolgreiche Partei rechts der Union einfach undenkbar. Patrick Bahners nimmt das zehnjährige Jubiläum der AfD zum Anlass, um in seinem Buch ihre Entwicklung und die Wiederkehr nationalistischer Ideen auf die politische Bühne zu thematisieren. Dabei verweist er zurecht darauf, dass solche Positionen in der Bevölkerung und in diversen rechten Parteien (z.B. NPD, DVU, Republikaner) nie wirklich verschwunden waren.
Bahners zeichnet die entsprechenden politischen Diskurse – von Martin Walser bis Thilo Sarrazin – nach, an die die AfD mit ihren Themen anknüpfen konnte: bei ihrer Eurokritik, Anti-Establishment-Rhetorik und migrationsfeindlicher Hetze gehe es immer um nationale Identität, Kultur und Souveränität. Der FAZ-Feuilletonist beleuchtet dabei auch die fortschreitende Radikalisierung der Partei, ihre Verschwörungserzählungen, die von Anfang an vorhanden gewesen seien, die bekanntesten Funktionäre und den „Testfall Thüringen“ – mit der Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten durch CDU, FDP und AfD. Außerdem widmet er sich den Erscheinungsformen ihres neuen Nationalismus und streift die Russland-Verbindungen der Partei. Die mehr als 500 Seiten bieten inhaltlich also jede Menge Stoff zum Reflektieren, allerdings hätte den vielen betrachteten Aspekten in der Summe etwas mehr systematische Einordnung gut getan.
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Benjamin Triebe
Eine Silberrückin in der Bütt
Ob Verteidigungsausschuss, Karnevalssitzung oder Twitter – Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist auf (fast) jedem Parkett zu Hause. Zur Preisverleihung des „Orden wider den tierischen Ernst“ in Aachen hat sie nicht nur Preisträgerin Annalena Baerbock die Show gestohlen – diese wird als Außenministerin in Kriegszeiten nicht unglücklich darüber gewesen sein –, sondern auch Selfie-Mitprotagonist Lars Klingbeil charmant gekontert. Dieser hatte „MASZ“ noch jüngst öffentlich angezählt.
Mareile Ihde
Abgeordnetenhaus von Berlin
Das Berliner Abgeordnetenhaus ist hauptsächlich für die Gesetzgebung im Land Berlin zuständig. Besonders relevant ist dabei die Festlegung des Haushalts. Zudem ist das Landesparlament damit beauftragt, die Regierung zu kontrollieren und den bzw. die Regierende:n Bürgermeister:in zu wählen. Präsident des Abgeordnetenhauses ist aktuell der SPD-Politiker Dennis Buchner.
Gregor Bauer
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