politnews – Erdoğan und drei Tage Ausnahmezustand

Der dreitägige Besuch des türkischen Staatspräsidenten Erdoğan in Deutschland bedeutete Alarmstufe Rot für Sicherheits- und Protokollverantwortliche der Bundesregierung. Doch auch das konnte eine Reihe von Eklats nicht vermeiden: Den Beginn machte der Rausschmiss eines deutsch-türkischen Journalisten aus der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Grund war sein T-Shirt mit der Aufschrift “Freiheit für Journalisten in der Türkei”. Simone Gaul sprach für DIE ZEIT mit dem des Saales verwiesenen Adil Yiğit, der und u. a. auch für die taz regelmäßig selbst über die deutsch-türkischen Beziehungen schreibt. Steffen Seibert rechtfertigte das Vorgehen damit, dass das Kanzleramt “kein Ort für die Demonstrationen oder Kundgebungen politischer Anliegen sei – unabhängig davon, ob es sich um ein berechtigtes Anliegen handelt oder nicht”.

Dem für Freitagabend angesetzten Staatsbankett blieb viel Politprominenz angekündigt und demonstrativ fern. Einer, auf den sich viele Augen richteten, kam aber: Cem Özdemir, Grünen-Politiker und Intimfeind von Erdoğan, ließ es sich nicht nehmen, dem Autokraten persönlich ein paar Worte zu sagen, wie dieser Videoausschnitt dokumentiert. Im Laufe des Abends kritisierte Erdoğan wiederum Bundespräsident Steinmeier für die Erwähnung der inhaftierten JournalistInnen in der Türkei. Am Samstag musste die Polizei dann die Entourage des türkischen Präsidenten daran erinnern, dass polizeiliche Aufgaben auch in Köln Sache der deutschen Behörden sind, während er selbst die umstrittene DITIB-Moschee eröffnete.

Die Entscheidung über die Austragung der EM 2024, die am Ende zwischen Deutschland und der Türkei und genau in den Zeitraum des Staatsbesuchs fiel, mutete wie ein schlechter Versuch von Ironie an. Am Ende mit dem besseren Ende für den DFB. Begründet wurde die Entscheidung der UEFA u. a. auch mit der Menschenrechtssituation in der Türkei.

Aus inhaltlicher Sicht gibt es hingegen nicht viel zu berichten – Schadensbegrenzung war Leitmotiv der bilateralen Treffen. Es bleibt also die Frage, wie weiter umzugehen ist mit einem NATO-Partner und pro forma immer noch EU-Beitrittskandidaten, der rechtsstaatliche Prinzipien im Akkord kassiert. Christiane Schlötzer schaut in der Süddeutschen auf die Zukunft der europäisch-türkischen Beziehungen.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff


politnews


  • CDU & CSU unter ZuwanderInnen am beliebtesten – Eine Analyse des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zeigt, dass sich Parteipräferenzen von Personen mit Migrationshintergrund in den letzten beiden Jahren deutlich verändert haben: Während die Zustimmung zur SPD von rund 40 % auf nur noch 25 % fiel, stellten CDU und CSU mit 43,2 % erstmals die beliebtesten Parteien unter den befragten ZuwanderInnen dar. Leichte Zuwächse zeigen sich zudem bei FDP (5,2 %) und AfD (4,8 %). ➡ zeit.de (Meldung) | svr-migration.de (Analyse)
  • Messbare Ziele für nat. KI-Strategie – Vergangene Woche tagte erstmals die neu gegründete Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz”, welche bis Ende des Jahres eine nationale KI-Strategie erarbeiten soll. Die Stiftung Neue Verantwortung fordert zu diesem Anlass, aus den Schwächen bisheriger – vage formulierter – digitalpolitischer Strategien zu lernen und überprüfbare, klar definierte Zielsetzungen, Handlungsmaßnahmen und Erfolgskriterien zu formulieren. ➡ stiftung-nv.de (Papier) | bundestag.de (Hintergrund)
  • Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit – Trotz vieler positiver Entwicklungen, wie dem Anstieg von Löhnen und Renten, einer sinkenden Arbeitslosenquote und Boom-Regionen wie Jena oder Leipzig, zeigt der neu erschienene Jahresbericht des Ost-Beauftragten der Bundesregierung, dass die angestrebten „gleichwertigen Lebensverhältnisse“ auch 29 Jahre nach dem Mauerfall noch immer nicht hergestellt sind: 15 % Lohnunterschied, eine bei 73 % des westdeutschen Niveaus stagnierende Wirtschaftskraft und die nahezu flächendeckende Strukturschwäche der neuen Bundesländer, offenbaren die andauernde Diskrepanz zwischen Ost und West. ➡ deutschlandfunk.de (Meldung) | beauftragter-neue-laender.de (Jahresbericht)
  • Gewalt gegenüber JournalistInnen nimmt zu – Die Zahl der Gewalttaten gegen JournalistInnen ist erstmals seit drei Jahren wieder gestiegen. Das geht aus einer Studie des Leipziger European Centre for Press and Media Freedom (ECPMF) hervor. Allein in den ersten achteinhalb Monaten des Jahres 2018 wurden 22 Übergriffe registriert, 2017 fünf und 2016 19. Die meisten Angriffe fanden im Kontext rechter Aufmärsche statt, nur zwei der registrierten Fälle waren politisch links motiviert. ➡ ecpmf.eu (Studie) | sueddeutsche.de (Meldung)
  • ARD-Pläne für “europäisches YouTube” – Als Gegengewicht zu den US-Tech-Konzernen plant ARD-Chef Ulrich Wilhelm eine paneuropäische Plattform für Qualitätsangebote im Netz, an der sich Sender, Verlage und andere Institutionen beteiligen können. Diese soll sich zwar an technischen Elementen der US-Vorbilder bedienen, „aber auf europäischen Idealen von Vielfalt, Qualität und Offenheit“ aufbauen, so der ARD-Vorsitzende im Handelsblatt-Interview. ➡ handelsblatt.com


polittweet


Blicke sagen mehr als 1000 Worte

In der letzten Woche musste sich Brett Kavanaugh vor dem US-Senat den Fragen zu den Vorwürfen der versuchten Vergewaltigung stellen. Die Antworten des 53-jährigen Erzkonservativen muteten teilweise bizarr bis entrückt an, was insbesondere die Zuhörerinnen entsetzt zurück ließ, wie dieses Foto eingefangen hat. Kavanaugh ist Trumps Kandidat für das oberste US-Gericht und könnte somit bald auf Lebenszeit mitentscheidend für Grundsatzentscheidungen der amerikanischen Rechtsprechung sein.


politcal


21. & 22.10. – Konrad-Adenauer-Stiftung: #IKPK18 – Politische Verantwortlichkeit in einer fragilen Welt
Konferenz | Politische Kommunikation | Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Berlin | 13:00 Uhr

Die internationale Konferenz für politische Kommunikation setzt sich kritisch mit den digitalen Trends und ihrem Einsatz und Auswirkungen auf Wahlen und Kampagnen in den letzten Jahren auseinander und zeigt, wie damit umgegangen werden kann. Internationale ReferentInnen aus Deutschland, Europa, den USA und Südamerika, sowie aus Asien geben Einblicke in die politische Kommunikationsarbeit vor Ort. Tickets sind für einen Standardpreis von 55 € bzw. einen Ermäßigungstarif von 25 € verfügbar. ➡ zur Veranstaltung

Täglich aktuelle Termine finden Sie auf politcal.de, auch bereits vorsortiert für:
Institutionen – Stakeholder – Political Consulting

politjobs


GIZ sucht Berater (m/w/d) für umwelt- und klimaschutzpolitische Zusammenarbeit des BMU
Berlin | Bewerbungsfrist: 07.10.2018 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist zunehmend für verschiedene Bundesministerien als Dienstleister der internationalen Zusammenarbeit tätig. Die hier zu besetzende Stelle ist angesiedelt in dem Bereich der Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Für den Standort Berlin sucht die GIZ einen Berater (m/w/d) für Umwelt-und Klimaschutzpolitische Zusammenarbeit des BMU. ➡ zur kompletten Ausschreibung

Sie suchen selbst Verstärkung?
Wir unterstützen Sie gern bei der Personalsuche. Schreiben Sie uns einfach unter politjobs@polisphere.eu.


politdir


Istanbul Policy Center
Das Istanbul Policy Center (IPC) ist eine politische Forschungseinrichtung in Istanbul, die sich auf zentrale soziale und politische Themen spezialisiert hat. Die Schwerpunkte reichen hierbei von Demokratisierung bis Klimawandel, den transatlantischen Beziehungen bis hin zu Konfliktlösung und Mediation. Zentraler Bestandteil der IPC-Aktivitäten ist ein Fellowship-Programm, das in Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator durchgeführt wird und die Stärkung der deutsch-türkischen bzw. europäisch-türkischen zivilgesellschaftlichen Vernetzung zum ZIel hat. ➡ zum vollständigen Stakeholder-Eintrag

politdir.de ist der Wegweiser durch die Berliner Republik.
Sollen wir als nächstes an dieser Stelle Ihre Organisation vorstellen? Sie erreichen uns unter politcal@polisphere.eu.

1. Oktober 2018