politnews – Die Angst vor dem Lockdown und zum Tod von Thomas Oppermann

[ Mit Meldungen zu: Online-Kommunikationspreis, Vertrauensverlust der jungen Generation in Demokratie, weniger Freiheit im Internet, Auswirkung von linken Wahlsiegen auf Börsenkurse und Initiative für mehr Bürgerbeteiligung auf EU-Ebene ]

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Das von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Kurzem mit wissenschaftlicher Nüchternheit vorgetragene Corona-Infektionsszenario ist längst überholt und mutet schon fast wie ein Wunschbild aus besseren Tagen an, wie diese Gegenüberstellung deutlich visualisiert. Denn die Infektionszahlen stellen beinahe täglich neue Rekordmarken auf, zuletzt ca. 14.000 neue Fälle pro Tag. Berlin ist am härtesten getroffen, nur noch Mecklenburg-Vorpommern ist ohne Hotspot. Mehr als die Hälfte der 401 Kreise in Deutschland liegen über dem Hotspot-Grenzwert. Den zeitlichen Verlauf des epidemiologischen Flächenbrandes seit März hat ein Reddit-User aufbereitet. Angela Merkel stimmte ihre ParteifreundInnen gestern in einer internen Schalte bereits auf „sehr sehr schwere Monate“ ein und nicht nur SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht einen zweiten Lockdown am Horizont.

Mit Gesundheitsminister Jens Spahn infizierte sich in der letzten Woche das erste Kabinettsmitglied mit dem Virus. Gestern meldete er sich mit einer Videobotschaft das erste Mal nach Bekanntwerden der Diagnose direkt zu Wort. Neben Spahns Ehemann Daniel Funke wurden mit Staatssekretär Martin Jäger aus dem BMZ zwei weitere Kontaktpersonen ebenfalls positiv getestet. Warum die anderen BundesministerInnen nach der gemeinsamen Sitzung mit dem noch ungetesteten Spahn am Mittwoch nicht in Quarantäne müssen, erklärt Wirtschaftsminister Altmaier in einer detaillierten Schilderung der Abstandsregelungen in der Sitzung.

Auch beim polnischen Präsidenten Duda und dem bulgarischen Ministerpräsidenten Borissow wurde der Virus am Wochenende festgestellt. In Europa sind vor allem Belgien und Tschechien besonders schwer betroffen. ZEIT Online trägt weitere Corona-Meldungen aus aller Welt im Liveblog zusammen, die Johns-Hopkins-Universität betreibt ihr aus dem Frühjahr bestens bekanntes Dashboard der weltweiten Entwicklung weiterhin.

 

Ob die Corona-Bewältigung eine Sternstunde des Föderalismus oder eher das Gegenteil ist, darüber lässt sich nach wie vor trefflich streiten. Die unterschiedlichen Regelungen sind in jedem Falle eine Herausforderung. Die App „Darf ich das?hat nun ein Tool geschaffen, das einen Überblick über landkreisspezifische Regeln und Verordnungen bietet – bisher jedoch nur für Android-NutzerInnen.

Das rohrkrepierende Beherbungsverbot war eines der besten Beispiele für exekutive Schnellschüsse während der Krise. Der Unmut in den Parlamenten und der Bevölkerung über die passive Rolle der Volksvertretungen wächst, und das parteiübergreifend. Eine Spiegel-Umfrage zeigt: Fast zwei Drittel der BürgerInnen sieht die Parlamente nicht genügend einbezogen. Die UnionsanhängerInnen sind noch am zufriedensten, aber auch dort sehen mehr als die Hälfte zu wenig parlamentarische Kontrolle. Mit knapp 80 % hadern WählerInnen der Liberalen am stärksten mit der aktuellen Lage.

Weil sie keine Schutzmasken tragen wollen, haben mehrere AfD-Abgeordnete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine Abmahnung zukommen lassen. Sein Hausrecht kann nicht auf Bekleidungsregeln ausgeweitet werden, so die Argumentation. Schäuble ließ die geforderte Unterlassungserklärung über das Justiziariat des Bundestags kurz und humorlos zurückweisen.

Sowohl CDU als auch Linke müssen aufgrund der Pandemielage ihre Parteitagsplanungen umstellen. Die CDU möchte im Januar über einen neuen Termin verhandeln, was besonders Friedrich Merz sehr zu wurmen scheint, wie sein Tweet von heute Mittag nahe legt. Die Linke will die endgültige Entscheidung über die Absage morgen treffen. Als Nachfolgerinnen für Katja Kipping und Bernd Riexinger, die acht Jahre im Amt waren, scheinen die Linksfraktionschefin im hessischen Landtag, Janine Wissler, und Thüringens Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow gesetzt zu sein. Die Thüringerin erklärt ihre Pläne und die „Verantwortung für Mitte links“ im Interview mit dem neuen deutschland. Weitere Kandidaturen mit Erfolgsaussichten gibt es bisher nicht. Damit würde die Linkspartei die erste weibliche Doppelspitze der Geschichte ins Amt wählen. Eine andere Frage der Gleichstellung hat das Brandenburger Verfassungsgericht gerade entschiden: Das Gericht hat das Paritätsgesetz des Landes am Freitag für verfassungswidrig erklärt.

Warum für Parteitage mit ihrer demokratischen Grundfunktion andere Regeln als für Großveranstaltungen gelten sollten, argumentiert Markus Decker auf Twitter. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Rechtsgrundlagen und Praxiserfahrungen für digitale und hybride Parteitage hätten schon vor vielen Jahren geschaffen werden können.

Nicht nur in seiner Funktion als Bundestagsvizepräsident war Thomas Oppermann ein Verfechter eines starken und selbstbewussten Parlamentarismus. Völlig überraschend verstarb der 66-Jährige gestern Abend, nachdem er vor einem TV-Dreh zusammengebrochen ist. In seinem letzten vorwärts-Interview plädierte er noch in der vergangenen Woche für mehr Mitspracherechte des Bundestags in der Corona-Pandemie. SZ-Korrespondent Nico Fried blickt in seinem Nachruf auf das politische Wirken des Niedersachsen zurück, der gerade erst vor zwei Monaten bekannt gab, nicht wieder für den Bundestag kandidieren zu wollen.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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[ ORCA, neues handeln und ressourcenmangel holen Online-Awards ]
Zum zehnten Mal wurde der Deutsche Preis für Online-Kommunikation („DPOK-awards“) verliehen. In 53 Kategorien wurden Unternehmen, Kampagnen oder Initiativen geehrt, darunter drei für herausragende „Covid-19 Kommunikation“. Für ihre Kampagnen im politischen Bereich wurden unter anderem ORCA Affairs (BMJV), neues handeln (BMFSFJ), ressourcenmangel (Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs), MESH Collective // Divimove (bpb und Robert Bosch Stiftung) und CONCEPT X (Staatskanzlei S-H) prämiert. ➡️ DPOK (Gewinnerliste)


[ Demokratiefrust und Politisierung in jüngeren Generationen ]
Die Generation der 18- bis 34-Jährigen ist weltweit unzufriedener mit der Demokratie als ältere Generationen im vergleichbaren Alter, zeigt eine Studie der Universität Cambridge. Gründe seien vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit, wirtschaftliche Ausgrenzung und große Vermögensungleichheiten. Die Zufriedenheit der sogenannten „Millenials“ wuchs hingegen in Ländern, in denen seit 2015 populistische Führer gewählt wurden. Ein Schlaglicht auf die Politisierung junger Menschen in Deutschland wirft der „hessenreporter“: Nur 70 % der JungwählerInnen haben an der letzten Bundestagswahl teilgenommen, dennoch sind viele junge Menschen in Deutschland stark politisiert. Für ihre politischen Ziele gehen sie jedoch eher auf die Straße, als sich in etablierten demokratischen Institutionen zu engagieren. ➡️ MDR (Bericht) | Universität Cambridge (Studie) | HR Fernsehen (Sendung)


[ Internetfreiheit geht zum zehnten Mal in Folge zurück ]
Die Freiheit im Internet hat sich aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr stärker als in den vorherigen Jahren verringert. Das berichtet die NGO Freedom House in ihrem jährlichen „Freedom of the Net Report 2020“. Mit dem Argument des Infektionsschutzes werden weltweit Überwachungs- und Sanktionssysteme installiert. Viele Regierungen in den untersuchten 65 Ländern benutzten den Vorwurf der Falschinformation, um den freien Zugang zu Informationen zu behindern, und verbreiteten ihrerseits Falschinformationen. Auf der Skala von null (nicht frei) bis 100 Punkten (frei) ist China das restriktivste Land, während in Island die größte Internetfreiheit herrscht. Deutschland werden vor allem wegen BND-Aktivitäten Punkte abgezogen (80 Punkte). ➡️ netzpolitik (Bericht) | Freedom House (Studie)


[ Linke Wahlsiege lassen Aktienkurse sinken ]
Wahlsiege linker Parteien sind schlecht für die Börsenkurse. Diese wirtschaftspolitische Binsenweisheit wurde jetzt vom Ökonomen Daniele Girardi wissenschaftlich untermauert: Im Schnitt geben die Börsen im ersten Monat nach einem sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Sieg 13 bis 15 % nach, am ersten Tag sind es bereits 5 bis 7 %. Besonders prägnante Beispiele sind die Siege von Salvador Allende (Chile, 1970) und François Mitterrand (Frankreich, 1981). Im Umkehrschluss profitieren Aktionäre von konservativen Wahlsiegen wie dem von Trump (USA, 2016) oder Thatcher (UK, 1982). Girardi analysierte mehr als 750 (knapp ausgegangene) Wahlen aus 70 Jahren. ➡️ NZZ (Bericht) | American Economic Journal (Studie)


[ Pulse of Europe organisiert EU-Hausparlamente ]
Mit privaten Gesprächsrunden will die Initiative Pulse of Europe die Beteiligung von EU-BürgerInnen an politischen Entscheidungen stärken. Die Ergebnisse der „Europäischen HausParlamente“ werden von EntscheidungsträgerInnen in Brüssel begutachtet, darunter Ursula von der Leyen und Manfred Weber. Durch diese Form der Bürgerbeteiligung sollen Gesetzgebungsprozesse verbessert werden. Das Thema der 3. Runde, die noch bis zum 22.11.2020 läuft, ist die Zukunft der europäischen Solidarität. Mitmachen kann nach der Anmeldung jede/r. Pro Gruppe erklärt sich eine/n GastgeberIn bereit, ca. 4-8 Personen einzuladen, die Spielregeln zu erklären und am Ende die Ergebnisse hochzuladen. ➡️ Europäische HausParlamente (Website) | Anmeldung 3. Runde (Website)


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Wenn Hollywood Saskia Esken antwittert

Saskia Esken ist aktive und beliebte Twitter-Nutzerin. Doch ein Mention von Hollywood-Star und Ex-Teenieschwarm Ashton Kutcher war für die SPD-Vorsitzende dann doch etwas Besonderes. Kutcher ging es um einen EU-Kommunikationskodex zum Schutz von missbrauchten Kindern.

Der Amerikaner ist Mitgründer von „Thorn“, einer Organisation, die Technologie zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch entwickelt. Kutcher war der erste Twitter-Nutzer mit mehr als einer Million Follower, bis er 2013 den Thron an Justin Bieber abgeben musste. Seit neuestem hat er eine Followerin aus dem Willy-Brandt-Haus mehr. 

 

27.10.2020 – Talkin’ about a Revolution: Globale Proteste, lokale Kämpfe
Rosa-Luxemburg-Stiftung | Zivilgesellschaft | online | 16.00-18.00 Uhr

27.10.2020 – Warum tut Deutschland so wenig gegen Korruption im Ausland?
Transparency International Deutschland | Internationale Korruption | online | 19.00 Uhr

28.10.2020 – Keine Lust auf Kommunalpolitik? Wie man Jugendliche nachhaltig für Kommunalpolitik begeistert
Hertie Stiftung | Kommunalpolitik | online | 14.00-15.00 Uhr

29.10.2020 – The Toddler in Chief: What Donald Trump Teaches Us about the Modern Presidency
GIGA | Internationale Politik | online | 17.00-18.00 Uhr

30.10.2020 – Green Deal: Zukunft jetzt! Klimaschutz, Wirtschaft und Generationengerechtigkeit in Zeiten von Corona
Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Nachhaltigkeit | online | 13.00-14.15 Uhr

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VBKI (Verein Berliner Kaufleute und Industrieller) sucht Social Media ManagerIn – AssistentIn Presse und Öffentlichkeitsarbeit
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BVMW – Bundesverband mittelständische Wirtschaft sucht Bundesgeschäftsführung für den Bereich Politik (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

BVMW – Bundesverband mittelständische Wirtschaft sucht Junior-/ReferentIn VWL (m/w/d) – Schwerpunkt Arbeitsmarkt und Soziales
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

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Bundesministerium für Gesundheit
Das Bundesgesundheitsministerium besteht seit 1991 in seiner jetzigen Struktur und sitzt in Bonn mit einem zweiten Dienstsitz in Berlin. Das Ministerium leitet der Bundesminister für Gesundheit, seit 2018 Jens Spahn (CDU). Zu den Aufgaben zählen die Sicherung des Gesundheitssystems, d.h. die Leistungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung zu erhalten, zu sichern und fortzuentwickeln. Auch der Infektionsschutz, allgemeine Krankheitsbekämpfung, die Zulassung von Medikamenten und die Rahmenbedingung für Gesundheitsberufe gehören zum Aufgabengebiet. Zu den nachgeordneten Geschäftsbereichen gehört u.a. das Robert-Koch-Institut.

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Bildquelle
Alexander Probst  | Bild wurde verfremdet

26. Oktober 2020