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17. Februar 2025 12 Minuten

Beginn eines europäischen Albtraums

Liebe Leserin, lieber Leser,

es war die letzte Sitzungswoche des 20. Bundestags und sie wurde erwartungsgemäß zur Wahlkampfarena. Für viele Abgeordnete waren es aber auch die letzten Plenartagungen überhaupt. Der Tagesspiegel sprach mit einigen von ihnen und blickt zurück auf eine turbulente Legislaturperiode und viele politische Karrieren.

Ein Höhepunkt war die Rede des ehemaligen SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert, der sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückzog und nun auch aus dem Parlament scheidet. Seine mahnenden Worte sorgten für parteiübergreifenden Beifall. 31 Bundestagsabgeordnete sind in der nun ablaufenden Legislatur hingegen kein einziges Mal vor das Plenum getreten, wie eine Auswertung des Tagesspiegels zeigt. Die redefreudigsten Parlamentarier:innen zeigt unsere Grafik.

Nicht, dass ein SPD-Wahlsieg noch ein ernsthaftes Szenario gewesen wäre, aber die Hofnarr-Affäre um Aussagen von Olaf Scholz über Berlins Kultursenator Joe Chialo erinnerte in Timing und Wirkung dann fast schon an den Steinbrück-Stinkefinger. Die CDU verwertete den Vorfall direkt auf Social Media, während Chialo selbst erklärte, die Äußerungen seien „herabwürdigend und verletzend“ gewesen, er halte Scholz aber nicht für einen Rassisten.

  • Was auf der Geburtstagsfeier von Ex-FDP-Schatzmeister Harald Christ im Berliner Capital Club passiert ist, hat der Tagesspiegel nachgezeichnet (€).
  • Was der Gastgeber dazu sagt, hat die Berliner Morgenpost in einem Interview mit ihm erfahren (€).
  • Wie Scholz‘ rechtliche Schritte gegen den Focus zu bewerten sind, analysiert LTO.
  • Aus kommunikativer Sicht bewertet Martin Wohlrabe den Fall.

Auch sonst sieht es sechs Tage vor der Wahl gut aus für Friedrich Merz: Die Umfragen bleiben stabil um die 30 % (siehe Wahltrend), Paris freut sich (€) auf einen Kanzler Merz, der Spiegel entschuldigte sich für den Abdruck eines Leserbriefs und auf der Sicherheitskonferenz wurde er schon als Kanzler begrüßt.

  • Wer den sehr wahrscheinlich zukünftigen Kanzler berät, hat der Tagesspiegel zusammengetragen.
  • Welcher Kreis bei der Union diesmal über eine Koalition entscheidet, weiß ntv.

Politikmarathon statt Dschungelcamp: Auf den TV-Bildschirmen war wieder viel los im Wahlkampf. Gestern trafen sich Scholz, Merz, Habeck und Weidel zum “Quadrell” bei RTL. Steven Sowa fasst für t-online das neue Format zusammen, bei dem laut Umfrage Merz am meisten überzeugen konnte. Christian Lindner war zwar nicht dabei, twitterte aber aufgeregt mit. Manchmal zu aufgeregt. Drei Tage zuvor wurden die vier Spitzenkandidat:innen bereits beim ZDF befragt, allerdings vom Publikum – was zu bemerkenswerten Momenten führte. Die Erkenntnisse erläutert Jannis Koltermann bei der FAZ. Damit Sie im Duell-Dickicht nicht den Überblick verlieren, bietet der Tagesspiegel eine Liste der kommenden und absolvierten Formate. 

  • Heute treffen die vier erneut aufeinander. Die ARD-»Wahlarena« findet allerdings ohne Sahra Wagenknecht statt, wie nun ein Gericht bestätigt hat.
  • Stattdessen musste sie gemeinsam mit Christian Lindner und Gregor Gysi gestern ins RTL-„Kreuzverhör“. Die besten Szenen schildert der Tagesspiegel.
  • Auch Fragen von Kindern mussten Scholz und Merz schon bewältigen.
  • Ein Thema bleibt dabei nach wie vor fast komplett außen vor. Daher hat die taz 14 mögliche Fragen an die Kanzlerkandidat:innen zum Klimaschutz zusammengestellt.
  • Christian Linder beklagte sich derweil, dass er zu wenig Sendezeit bekomme. Darauf reagierte Markus Lanz, der laut Lindner dann wiederum mit einer SMS bedacht wurde.
  • Und was ist mit den Menschen, die kein TV mehr schauen? Den Kampf der Parteien um junge Wähler:innen zwischen TikTok und Wahlurne dokumentiert das ZDF.
  • Die Rolle von Desinformation im Wahlkampf beleuchtet unser Event der Woche (siehe unten).

Statt dem offiziellen Motto “Frieden durch Dialog” sorgte US-Vizepräsident Vance eher für “Irritation durch Monolog”. Auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz zeigte sich so klar wie noch nie, dass die neue Trump-Regierung die transatlantische Partnerschaft allenfalls als Ballast aus alten Zeiten betrachtet. Dass Vances Rede unangenehm werden würde, war erwartet worden. Wie sehr und v. a. auf welcher Ebene (Kulturkampf) der Vizepräsident dann doch mit den europäischen Partnern ins Gericht ging, überraschte viele. Einen „europäischen Albtraum“ nannte es MSC-Chef Heusgen. Pistorius, Scholz, Merz und andere erwiderten prompt. Bei der AfD stieß die Rede hingegen auf Applaus – der US-Vizepräsident traf Alice Weidel dann auch am Rande der Konferenz. Vertreter:innen von AfD und BSW waren von der Münchner Sicherheitskonferenz nämlich explizit ausgeschlossen.

  • Das Ende des Westens? Fünf Lehren aus der Konferenz zieht der Tagesspiegel.
  • Macron ging in die Gegenoffensive und hat für heute einen EU-Notfallgipfel zur Ukraine einberufen.
  • Warum China mit einer Charmeoffensive die Gunst der Stunde nutzte, erklärt die Tagesschau.
  • Europäische Pressestimmen zur aktuellen US-Politik hat der Spiegel versammelt.
  • Nach welchem literarischen Drehbuch eines Silicon Valley Nerds Vances Kollege Elon Musk seinen Staatsumbau plant, beleuchtet ntv.
  • Worüber der scheidende MSC-Leiter Heusgen unter Tränen in seiner Abschlussrede sprach, weiß ntv.
  • Mit der vor fast drei Jahren für Deutschland verkündeten Zeitenwende setzt sich unser Buch der Woche auseinander.

Die Direktkandidierenden haben dieses Mal ein besonders schweres Los: Durch die Wahlreform ziehen nicht mehr alle Gewinner:innen in den Bundestag ein. Wie es in den Berliner Wahlkreisen bei den Erststimmen aussieht, hat der Tagesspiegel aufbereitet. Dort ist es nämlich nicht nur in Pankow nach dem dortigen Fiasko der Grünen sehr offen. Die Hauptstadt bleibt übrigens auch dieses Mal nicht ohne Wahlpannen (siehe politticker unten).

Gerhart Baum wird diese Bundestagswahl leider nicht mehr miterleben. Die Identifikations- und Polarisierungsfigur des Liberalismus ist im Alter von 92 Jahren verstorben. Reaktionen auf den Tod des ehemaligen FDP-Innenministers versammelt der Spiegel, einen Nachruf bietet der DLF.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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Philipp Sälhoff

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