politnews – Regierungskrise in Sachsen-Anhalt

[ Mit Meldungen zu: Innovation in Politics Awards 2020, weiterer Abgang bei ThePioneer, Röttgens Social-Media-Strategie, neuer Demokratie-Plattform und Corona-Pessimismus der „Generation Mitte“ ]

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Nur drei Wochen nach Lorenz Caffier musste der nächste CDU-Innenminister eines ostdeutschen Bundeslandes seinen Hut nehmen. Holger Stahlknecht, Innenminister von Sachsen-Anhalt, kündigte am Mittwoch in einem Interview mit der Magdeburger Volksstimme eine – de facto auf AfD-Stimmen angewiesene – Minderheitsregierung für den Fall an, dass die Kenia-Koalitionäre von SPD und Grünen beim Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags nicht auf die Linie der CDU einschwenken würden. Eine Eskalation, die nicht mit seinem Vorgesetzten und Ministerpräsidenten Reiner Haseloff abgesprochen war. Dieser zog am Freitag die Notbremse und beendete die 15-jährige politische Partnerschaft der beiden Männer mit der Übergabe der Entlassungsurkunde, die nicht länger als eine Minute dauerte. Angebote von Parteirechten zum Aufstand gegen Haseloff schlug Stahlknecht aus, so Claus Christian Malzahn in der WELT.

Für den morgigen Dienstag hat Stahlknecht seinen Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender angekündigt. Von den bekannteren Gesichtern der Landes-CDU hat sich lediglich Vize-Fraktionschef Ulrich Thomas hinter Stahlknecht gestellt, die große Mehrheit stützt Haseloffs Entscheidung. Stahlknecht galt trotz seiner umstrittenen Äußerungen zum Schutz jüdischer Einrichtungen und dem Umgang mit einem Parteimitglied mit Hakenkreuz-Tattoo lange Zeit als Kronprinz und designierter Nachfolger von Haseloff. Die Tagesschau mit einem Kurzportrait über den 56-jährigen Hannoveraner, der Anfang der 90er nach Sachsen-Anhalt übersiedelte.

Hintergrund ist der Streit um den neuen Rundfunktstaatsvertrag, der die erste Erhöhung des Rundfunkbeitrags seit 11 Jahren vorsieht. Von 2009 bis 2015 lag der Betrag bei 17,98 €, 2015 wurde er auf 17,50 € abgesenkt. Nun ist nach dem Vorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung von 86 Cent auf 18,36 € geplant. Sachsen-Anhalt ist das einzige Bundesland, das die Erhöhung bisher ablehnt. Auch viele andere CDU-Landesverbände und die CSU haben die Erhöhung teils kontrovers diskutiert, konnten sich aber am Ende einigen. Im Koalitionsvertrag der Magdeburger Kenia-Regierung ist eine Begrenzung des derzeitigen Rundfunkbeitrags festgeschrieben, der Widerstand der CDU ist also alles andere als politischer Opportunismus. Gleichwohl stellt die Situation die ChristdemokratInnen erneut vor die Frage nach dem Umgang mit der AfD, wenn diese ihre Forderungen teilt. In Ostdeutschland ist dieses Thema umso drängender.

Warum das nicht der Untergang der Demokratie ist, Vergleiche mit dem Tabubruch von Kemmerich fehlleiten und die CDU nicht zwangsläufig gemeinsame Sache mit der AfD macht, kommentiert Martin Machowecz in der ZEIT. Anders als von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dargestellt, geht es hier aber nicht um „eine nüchterne Sachfrage”, sondern um das grundlegende Verhältnis vom rechten CDU-Flügel zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, argumentiert Ulrich Schulte in der taz.

Wer den Vergleich zwischen den Regierungskrisen von Erfurt und Magdeburg ebenfalls gut einschätzen kann, ist der ehemalige CDU-Chef des Freistaats Thüringen, Mike Mohring. Im Interview mit der ZEIT kritisiert er die „Notariatsfunktion“ der Landesparlamente bei Staatsverträgen und erklärt, dass insbesondere ostdeutsche PolitikerInnen am öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgeblähte Strukturen und mangelnde Repräsentation von Ostdeutschen kritisieren.

Sachsen-Anhalt steckt in einer validen Regierungskrise. Die Entscheidung in der Sache wurde auf die nächste Sitzung des Medienausschusses am Mittwoch vertagt. Bis dahin hat der nach Volker Bouffier zweitdienstälteste Ministerpräsident Deutschlands noch etwas Zeit, den Regierungsbruch in Pandemiezeiten abzuwenden. Vier Szenarien, die nun für die Landesregierung im Raum stehen, hat der MDR skizziert. Die nächste reguläre Wahl steht in Sachsen-Anhalt im Juni 2021 an.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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[ Neun Projekte erhalten Innovation in Politics Awards 2020 ]

Der Innovation in Politics Awards kürt innovative politische Projekte aus ganz Europa. Zu den Gewinnerprojekten gehören in diesem Jahr unter anderem ein Anti-Korruptions-Tool aus der Ukraine und eine speziell für Obdachlose errichtete „Quarantäne-Stadt” in Bratislava. Die Jury, bestehend aus über 1000 repräsentativ ausgewählten europäischen BürgerInnen, kürte insgesamt neun Projekte für ihre besonders kreativen und zukunftsweisenden Ideen. Zur Auswahl standen knapp 400 Projekte aus 22 Ländern.

The Innovation in Politics Institute (GewinnerInnen-Liste)


[ Marina Weisband und ThePioneer beenden Zusammenarbeit ]

Marina Weisband, grüne Bildungs- und Digitalexpertin und ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei, beendet ihr Podcast-Format „Überstunde“ beim Media-Pioneer-Medienhaus von Gabor Steingart. Laut turi2-Bericht ist Weisbands neue Funktion beim digitalpolitischen, SPD-nahen D64-Netzwerk Grund für die Trennung. Zuvor hatten schon Richard Gutjahr und Daniel Fiene ThePioneer verlassen. Fiene will mehr Zeit in sein eigenes Medien-Startup “Was mit Medien” stecken.

turi2 (Meldung Weisband) | kress (Meldung Fiene)


[ Röttgens Social-Media-Strategie unter der Lupe ]

Norbert Röttgen, der neben Armin Laschet und Friedrich Merz für den CDU-Vorsitz kandidiert, hat laut Analyse des Journalisten Dirk von Gehlen die überzeugendste Social-Media-Strategie. Von Gehlen sieht eine Selbstinszenierung Röttgens als nahbaren und reflektierten Politiker, der die sozialen Medien gekonnt für sich einsetzt. Sollte ihm diese Linie tatsächlich zum Sieg verhelfen, will er die 38-jährige Landtagsabgeordnete Ellen Demuth zur Chefstrategin der CDU machen, wie er letzte Woche ankündigte.

Digitale Notizen (Blogpost) | DER SPIEGEL (Bericht)


[ Start der Demokratie-Plattform von Artikel 1 ]

Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ hat der Verein Artikel 1 vergangenen Monat die „Demokratie-Plattform” ins Leben gerufen. Ziel der Plattform ist es, Angebote von Demokratiearbeit wie Veranstaltungen und Seminare an einem Ort strukturiert und filterbar zusammenzubringen und diese so Interessierten zugänglich zu machen. Die sich langsam füllende Plattform ist für Einstellende und Suchende kostenlos und wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Demokratie-Plattform (Webseite)


[ Corona-Pandemie belastet die „Generation Mitte“ stark ]

Ein Großteil der 30- bis 59-jährigen Deutschen fühlt sich von der Corona-Krise stark belastet und sieht der Zukunft pessimistisch entgegen. Mit 48 % beurteilt fast die Hälfte aller Befragten ihre Lage schlechter als noch vor eine Jahr. Statt 46 % blicken nur noch 22 % positiv in die Zukunft. Das zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, die jährlich die sogenannte „Generation Mitte“, die 80 % der steuerpflichtigen Einkommen erwirtschaftet, zu ihren Zukunftsperspektiven befragt.

Der Tagesspiegel (Bericht) | GDV (Umfrage-Ergebnisse)


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Ungewöhnliche Töne aus dem Team Biden

Von der verzögerten Amtsübergabe ließ sich Joe Biden nicht aus dem Tritt bringen, von seinem Hund „Major” allerdings schon. Nachdem sich der „President-elect” beim Spielen mit dem Rüden verletzte, muss er nun einen Schutzverband tragen. Dem Vierbeiner war es unterdessen wichtig, auch seine Sicht der Dinge zu verlautbaren.

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Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF)
Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ist zuständig für die Feststellung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Kommission prüft dafür die Finanzbedarfsplanungen der Rundfunkanstalten auf ihre Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und setzt sie in den Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Auf Basis dessen empfiehlt sie den Ländern gegebenenfalls Anpassungen des Rundfunkbeitrags. Diese Vorschläge sind im Wesentlichen bindend. Die KEF besteht aus 16 MitgliederInnen, die von den MinisterpräsidentInnen für fünf Jahre berufen werden, und ist in fünf ständige Arbeitsgruppen eingeteilt. Vorsitzender seit 2009 ist Dr. Heinz Fischer-Heidlberger.

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7. Dezember 2020