politnews – Der politische Jahresrückblick

[ Mit Meldungen zu: neuem FES-Vorsitzenden Schulz, POLITICO „Class of 2021“, Google-Jahresrückblick, dramatischer Unterrepräsentation von Ostdeutschen und RSF-Jahresbilanz zu inhaftierten JournalistInnen ]

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Der Name von Markus Leitner wird in den meisten Jahresrückschauen fehlen. Dabei trug der Schweizer Botschafter in Teheran maßgeblich dazu bei, dass der Konflikt zwischen den USA und Iran zu Jahresbeginn nicht vollends eskalierte. Was genau seine Rolle war, haben wir in einer unserer ersten politnews-Ausgaben Anfang Januar beleuchtet. Es folgten fast 50 weitere, die sich mit den politischen Themen der Woche näher auseinandersetzten – ein paar davon finden Sie hier noch mal in Form unseres politischen Jahresrückblicks zusammengestellt.

Diesen hätten wir auch mit „Coronavirus und der Rest“ überschreiben können, denn die Pandemie hat wie kaum ein anderes Ereignis der letzten Jahrzehnte das politische Geschehen dominiert. Aber auch der besagte Rest hatte es in sich.

So erlebte der Bundestag eine parlamentarische Sternstunde in der Debatte um die Organspende im Januar.

Auch der Februar gehört noch zur Prä-Corona-Zeitrechnung. Damals erhitzte die Wahl von FDP-Mann Thomas Kemmerich zum thüringischen Kurzzeit-Ministerpräsidenten mit AfD-Stimmen bundesweit die Gemüter. Der Tabubruch von Erfurt war eine gigantische Fehleinschätzung, welche für die Liberalen bis heute nachwirkt. Auch darüber hinaus war 2020 kein gutes Jahr für die FDP: Der Rückzug von Generalsekretärin Linda Teuteberg und das Dauerumfragetief knapp über der 5-Prozent-Hürde taten ihr Übriges. Kemmerich selbst entschloss sich erst vor ein paar Tagen, nicht noch mal als Spitzenkandidat bei der kommenden Landtagswahl anzutreten. Die Erleichterung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus war enorm.

Der Fall Kemmerich, der bis auf die AfD eh keine GewinnerInnen kennt, markierte auch für die CDU eine Zäsur. In der Folge trat Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer zurück. Seitdem kämpfen Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen um ihre Nachfolge und die Kanzerkandidatur. Der eigentliche CDU-Star des Jahres, Jens Spahn, verzichtete nach seiner Parteitagsniederlage im Dezember 2019. Nicht nur innerhalb der CDU gibt es zahlreiche Stimmen, die das mittlerweile für einen Fehler halten, konnte der Gesundheitsminister doch im Großen und Ganzen im Jahr der Pandemie Boden gutmachen.

Ebenfalls noch im zweiten Monat zeigte der Terroranschlag von Hanau wieder einmal die akute Gefahr, die von rechtsextremen TerroristInnen in Deutschland ausgeht

Wenige Tage später gewann Rot-Grün die Hamburger Bürgerschaftswahl und sicherte sich erstmals eine Zweidrittelmehrheit. Es war die einzige Landtagswahl in diesem Jahr.

Spätestens ab März hat dann das Coronavirus das politische Tagesgeschehen dominiert – und viele Debatten losgetreten:

Aber auch in einem „Leben mit dem Virus“, das die gesamte Welt in den vergangenen zehn Monaten lernen musste, lief der Politikbetrieb weiter:

  • Ausgelöst durch den Tod von George Floyd erlebte die Black-Lives-Matter-Bewegung im Mai einen Neustart. Weltweit gingen Millionen von Menschen auf die Straßen und demonstrierten gegen Rassismus und strukturelle Diskriminierung von Nicht-Weißen.
  • Im Juni sank der Stern von CDU-Hoffnungsträger Philipp Amthor, der durch seine Nebentätigkeiten für ein US-amerikanisches Unternehmen in die Schlagzeilen und unter Korruptionsverdacht geriet. Im November zog die Unionsfraktion Konsequenzen: Nach ihrem Willen sollen Bundestagsabgeordnete nun auch Aktienoptionen offenlegen müssen.
  • Im Herbst stand neben den Feierlichkeiten zum 30-jährigen Jahrestag der Wiedervereinigung und der Erkenntnis, dass Ostdeutsche immer noch drastisch unterrepräsentiert sind (siehe politnews unten), vor allem die US-amerikanische Präsidentschaftswahl im Vordergrund. Die „rote Wahl-Fata Morgana“ und der surreale Kampf von Donald Trump gegen ein am Ende doch deutliches Wahlergebnis beschäftigten auch uns in der polisphere-Redaktion über Wochen.

Im letzten Quartal übernahmen die ansteigenden Corona-Fallzahlen wieder den politischen Diskurs. Vorerst bis zum 10. Januar greift nun der „harte Lockdown“, den Angela Merkel in der wohl emotionalsten Rede ihrer 15-jährigen Amtszeit erklärte.

Zwei treue Begleiter der politischen Berichterstattung dürfen auch im Rückblick auf das ablaufende Jahr nicht fehlen: die Wahlrechtsreform und der Brexit. 2020 brachte hier so manches voran: In einer zweistufigen Reform soll der Bundestag verkleinert werden, erste Änderungen greifen schon bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Beim Brexit kommt es dieser Tage noch zum europapolitischen Showdown. Vor allem an den Fischereirechten hängt nun die Frage, ob es zu einem „No-Deal-Brexit” kommt oder nicht. Aus Brüssel und London kommen verhalten optimistische Signale, dass mehr als viereinhalb Jahre nach dem Referendum der Worst Case abgewendet werden kann.

Das Jahr 2020 brachte auch den Abschied von einigen politischen Persönlichkeiten mit sich. Die Todesfälle von Valéry Giscard D’Estaing, Wolfgang Clement, Ruth Bader Ginsburg, Harald Ringstorff, Thomas Oppermann, Norbert Blüm und John Lewis, die in ihren jeweiligen Sphären große politische Vermächtnisse hinterließen, waren zu beklagen.

Für das kommende Jahr sollten Sie sich schon mal ein Datum notieren: Am 26. September 2021 steht die nächste Bundestagswahl an. Diesen Termin hat Bundespräsident Steinmeier in der vergangenen Woche bestätigt. Bis auf Olaf Scholz für die SPD stehen dafür jedoch noch keine SpitzenkandidatInnen fest, die CDU will ihre/n im Januar digital wählen. Zudem stehen sechs Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen) Landtagswahlen ins Haus, Hessen und Niedersachsen wählen auf kommunaler Ebene.

Das Jahresende ist auch immer die Zeit der Listen und Rankings. POLITICO hat mit der „Class of 2021“ (siehe politnews unten) schon vorgelegt. Wir wollen aber von Ihnen wissen: Wer war Ihr politisches Highlight der vergangenen zwölf Monate? Nehmen Sie hier an unserer anonymen Blitzumfrage teil und lassen Sie uns wissen, welche politische Persönlichkeit Sie im letzten Jahr am meisten beeindruckt hat.

Wem 2020 zu dystopisch vorkam, der kann gern auf unseren Rückblick auf 2019 zurückgreifen und in nostalgisch anmutenden Debatten über die Ibiza-Affäre, „Grundschulverbote“ oder das glorreich gescheiterte AfD-Spin-Off „Aufbruch deutscher Patrioten” schwelgen.

In zwölf Monaten werden wir an dieser Stelle also auf ein besonders bewegtes Politik-Jahr 2021 mit (hybridem) Wahlkampf, einer neuen Bundesregierung, hoffentlich weniger Pandemie-Meldungen, aber vor allem vielen Hintergründen aus dem Politikbetrieb zurückblicken.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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politnews


[ Martin Schulz ist neuer Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung ]

Am Montag wurde Martin Schulz zum neuen Vorsitzenden der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gewählt. Der ehemalige Kanzlerkandidat tritt damit die Nachfolge von Kurt Beck an. Schulz kündigte an, mit der Stiftung „Utopien und Visionen für die Zukunft“ entwickeln zu wollen. Ziel sei es, als führender Thinktank wahrgenommen zu werden. Aufgrund dieses neuen Amtes wird er bei der kommenden Bundestagswahl nicht mehr antreten, sein Mandat bis dahin will er aber behalten.

WELT (Bericht)


[ Merkel, Spahn, von der Leyen und Baerbock in POLITICO „Class of 2021“ ]

Nach einem POLITICO-Ranking ist Bundeskanzlerin Angela Merkel die mächtigste Person Europas. In der jährlich erscheinenden Liste kürt das Magazin eine Person, die Europa im kommenden Jahr besonders prägen wird, sowie jeweils neun Personen in den drei Kategorien „MacherIn“, „StörerIn“ und „TräumerIn“. Neben Merkel schaffte es von den deutschen PolitikerInnen Jens Spahn in die Liste der MacherInnen, Ursula von der Leyen und Annalena Baerbock belegten Platz 1 und 3 unter den TräumerInnen.

POLITICO (Ranking)


[ Corona dominiert Google-Jahresrückblick 2020 ]

Was die Menschen in Deutschland in einem Jahr besonders bewegt hat, lässt sich unter anderem im jährlich erscheinenden Google-Jahresrückblick ablesen. Im Jahr 2020 dominierte die Corona-Pandemie klar die Suchtrends. Doch auch die „US-Wahl“, „Wirecard“ und „Joe Biden“ schafften es ebenfalls unter die Top 10. Die weltweite Suchhistorie hat das Unternehmen in einem Video zusammengefasst. Im Jahr 2019 standen u. a. Greta Thunberg und Rezo im Suchinteresse der Google-NutzerInnen.

Google (Blogpost) | Google (Video)


[ Ostdeutsche dramatisch unterrepräsentiert ]

Bei einem Bevölkerungsanteil von 17 Prozent haben nur drei bis acht Prozent der Ostdeutschen Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft inne. Dies geht aus dem Abschlussbericht der Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ zum Stand der Einheit hervor, der am 7. Dezember vorgestellt wurde. Für ein stärkeres Bewusstsein über die demokratische Historie Deutschlands schlägt die Kommission den 9. November als Nationalen Gedenktag vor, zudem fordert sie die Errichtung eines „Zukunftszentrums für europäische Transformation und Deutsche Einheit“.

FAZ (Bericht) | Bundesregierung (Abschlussbericht Kommission)


[ Fast 400 JournalistInnen weltweit in Haft ]

Wie die Jahresbilanz der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigt, sitzen weltweit mindestens 387 JournalistInnen im Gefängnis. Die Hälfte dieser Fälle ergibt sich aus nur fünf Ländern: China, Saudi-Arabien, Ägypten, Vietnam und Syrien. Als besonders gravierend stuft die Organisation die Entwicklung in Belarus ein. Zudem warnt RSF vor einer Repression im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie: Seit dem Frühjahr wurden mehr als 130 Medienschaffende auf der ganzen Welt wegen ihrer Berichterstattung über die Corona-Krise inhaftiert.

Der Tagesspiegel (Bericht) | Reporter ohne Grenzen (Jahresbilanz)


polittweet


Tweet des Jahres
“Untenrum frei”

Die Corona-Pandemie hat eine ganz neue Disziplin in der politischen Kommunikation hervorgebracht: die Videokonferenz-Fails. Unser Award für den Tweet des Jahres, basisdemokratisch von Ihnen per Klick gewählt, geht an den rumänischen Sportminister Ionuț-Marian Stroe, dem der Albtraum des Homeoffices widerfahren ist.

Bis zur nächsten politnews-Ausgabe am 4. Januar 2021 empfehlen wir Ihnen als Veranstaltungsformat ausschließlich besinnliche Feiertage im – dieses Jahr vielleicht wirklich eher kleinen – Kreise der Menschen, die Ihnen (im übertragenen Sinne) am nächsten stehen.

Sie möchten Ihr digitales Format hierals Veranstaltung der Woche bewerben?
Dann schreiben Sie uns einfach an berlin@polisphere.eu für weitere Informationen.

Ericsson sucht WerkstudentIn – Public Affairs (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Teilzeit

Als WerkstudentIn unterstützen Sie den Bereich „Government & Industry Relations”, führen Stakeholderanalysen durch und wirken bei CSR-Aktivitäten mit. Dafür studieren Sie bestenfalls Wirtschafts-, Politikwissenschaften, Jura o.ä. und bringen ein gutes analytisches Verständnis mit.

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) sucht Wissenschafts- und PolitikredakteurIn (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: 31.12.2020 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Technopolis Deutschland GmbH sucht Consultant (m/w/d) Politikberatung Digitale  Transformation
Berlin | Bewerbungsfrist: 04.01.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) sucht Wissenschaftliche/n Referentin/Referenten (m/w/d) für Social-Media-Analyse
Jena | Bewerbungsfrist: 04.01.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Team Tomorrow sucht Teilzeitstelle zur kommunikativen und grafischen Unterstützung
Stuttgart | Bewerbungsfrist: 06.01.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Teilzeit

Das Progressive Zentrum sucht LeiterIn für Strategische Kommunikation (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: 10.01.2021 | Arbeitsbeginn: Februar/März 2021 | Vollzeit

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. sucht SozialwissenschaftlerIn oder PolitikwissenschaftlerIn (m/w/d) mit Möglichkeit zur Promotion
Karlsruhe | Bewerbungsfrist: 10.01.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Diskutier Mit Mir e.V. sucht Projektleitung Hybride Politische Bildung (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: 01.01.2021 | 80 %

Diskutier Mit Mir e.V. sucht Geschäftsführung (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend  | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

polisphere sucht WerkstudentIn Audiovisual Content Creator (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: laufend | Teilzeit

Cosmonauts & Kings sucht Senior Political Communications Manager (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

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Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) sucht Referent/in (m/w/d) Psychotherapeutische Versorgung/Gesundheitspolitik
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

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Das Robert Koch-Institut (RKI) ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Das RKI ist die zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention und damit auch die zentrale Einrichtung des Bundes auf dem Gebiet der anwendungs- und maßnahmenorientierten biomedizinischen Forschung. Die Kernaufgaben des RKI sind die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere von Infektionskrankheiten wie dem Coronavirus.

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17. Dezember 2020