politnews – Rechter Terror in Hanau, rot-grüner Triumph in Hamburg

[ Mit Meldungen zu EU-Strafverfahren, den besten Politik-JournalistInnen des Jahres und der Tagesschau auf Social Media ]

Sie haben KollegInnen, FreundInnen oder Bekannte, die sich für unseren politnews-Newsletter interessieren könnten? Leiten Sie unseren Anmeldelink gerne weiter.

In Hanau ereignete sich am Mittwoch der tödlichste Terroranschlag auf deutschem Boden seit dem Breitscheidplatz-Attentat aus dem Dezember 2016. Die Opfer: Neun HanauerInnen mit Migrationshintergrund, die Mutter des Täters und der 43-Jährige Täter selbst. Dieser war ein registrierter Sportschütze, der bereits vor Monaten ein Schriftstück an die Bundesanwaltschaft gesendet hatte, das in weiten Teilen seinem Bekennerschreiben gleicht. Nach bisherigem Ermittlungsstand war der Täter zwar nicht Teil einer im engeren Sinne organisierten rechtsradikalen Struktur, seine Tat aber klar rassistisch motiviert. Das ZDF legt in einer Kurzanalyse die Hintergründe der Tat, ein Geflecht aus rassistischen Ideologien und Verschwörungstheorien um gedankensteuernde Geheimdienste, dar. Darüber hinaus deutet vieles darauf hin, dass der Täter der Gruppe der “Incels” zuzurechnen ist. Diese beschreibt Männer, die im “unfreiwilligen Zölibat” leben. Oftmals geht damit auch Radikalisierung und Frauenhass einher.

Die meisten Opfer starben in einer Shisha-Bar, die für viele Rechtsradikale symbolhaft für die vermeintliche “Überfremdung” steht. Seit dem Anschlag gab es in Sachsen und Baden-Württemberg bereits weitere Angriffe auf Shisha-Bars. Insbesondere die AfD lud die Etablissements mit diesem Narrativ auf, wie eine Sammlung von Sharepics oder auch die “Adelung” von GegendemonstrantInnen durch den Brandenburger AfD-Chef Kalbitz bei einem “Flügel”-Treffen (“wenigstens sind sie an der frischen Luft und hängen nicht in irgendwelchen Shisha-Bars ab”) zeigt. Politikberater Johannes Hillje analysiert die Rhetorik der AfD in einem Tagesthemen-Videostatement. Der Deutschlandfunk fasst das mediale Echo auf die Tat mit einer nationalen und internationalen Presseschau zusammen.

In Hamburg hat die rot-grüne Koalition die gestrige Bürgerschaftswahl deutlich gewonnen. Die SPD von Bürgermeister Peter Tschentscher verlor zwar knapp 7 Prozentpunkte, wurde aber mit 39 Prozent immer noch deutlich stärkste Kraft. Die Grünen, alter und wohl auch neuer Juniorpartner der SPD, verdoppelten mit Spitzenkandidatin Katharina Fegebank ihr Ergebnis der Wahl von 2015 und landeten bei 24,2 % – dem zweitbesten grünen Ergebnis bei Landtagswahlen überhaupt (nur Winfried Kretschmann gelangen 2016 in Baden-Württemberg mit 30 % mehr). Tschentscher kündigte zwar an, auch mit der CDU sprechen zu wollen, eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition mit veränderter Machtaufteilung zugunsten der erstarkten Grünen gilt aber als wahrscheinlicher.

Die Linke kam auf 9,1 %. CDU, FDP und AfD kassierten die Quittung für die immer noch anhaltende Erfurter Politposse: Die CDU fuhr mit 11,2 % ihr schlechtestes Ergebnis auf Landesebene seit fast 70 Jahren ein (1951 kam sie in Bremen auf 9 %), FDP und AfD haben die 5-%-Hürde nur knapp genommen. Die Liberalen müssen jedoch noch zittern, da in Hamburg-Langenhorn offenbar die Stimmen von Grünen und FDP verwechselt worden sind. Die Nachzählung läuft, könnte die FDP aber den Einzug in die Bürgerschaft kosten. Schon in Thüringen mussten die Liberalen extrem lange um den Einzug zittern. Eine elektorale Randnotiz: Bei einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung von 63,3 % (+ 7 Prozentpunkte) gab es mit 2,8 % einen vergleichsweise hohen Wert an ungültigen Stimmen, bedingt durch das relativ komplexe Hamburger Wahlsystem.

Der Spiegel hat die Ergebnisse aller 104 Stadtteile und die Hochburgen aller Parteien in einer interaktiven Grafik zusammengefasst. Die SPD wurde in 88 % der Stimmbezirke stärkste Kraft. Den Grund dafür sieht der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans, der wie seine Co-Vorsitzende Saskia Esken von den Hamburger GenossInnen tunlichst aus dem Wahlkampf herausgehalten worden ist, auch im “klaren Kompass der Bundespartei”. Eine Interpretation, die gerade unter Hamburger SozialdemokratInnen hinter vorgehaltener Hand für ungläubigen Spott sorgte.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff


Angebot


Sie suchen Verstärkung? Auf politjobs.de helfen wir Ihnen bei der Personalsuche.
Schreiben Sie uns einfach unter politjobs@polisphere.eu.

politnews


  • Die 10 besten Politik-JournalistInnen des Jahres – Das medium magazin prämierte am Montag die besten JournalistInnen des letzten Jahres. Der Hauptpreis ging an Juan Moreno, der Ende des Jahres 2018 den Betrugsfall um Claas Relotius beim SPIEGEL aufdeckte. In der Kategorie Politik wurde ARD-Auslandskorrespondentin Annette Dittert ausgezeichnet, in den Top 3 landeten Monitor-Moderator Georg Restle und Christian Bangel von Zeit Online. Eva Schulz (Deutschland3000) schaffte es ebenso wie CDU-Insider Robin Alexander von DIE WELT in die Top 10. ➡️ medium magazin (Liste aller PreisträgerInnen) | kress (Politik-JournalistInnen)
  • Instagram erstmals mit höherer Reichweite als Facebook – Laut einer Studie des Unternehmens Social Bakers gewinnt Instagram als Werbekanal weiter an Stellenwert. Der Anteil der Werbetreibenden, die Instagram nutzen, ist im vierten Quartal 2019 auf 87 % angestiegen. Die Zahl der Interaktionen ist außerdem rund 20 mal höher als bei bei der Facebook-Mutter, obwohl hier durchschnittlich mehr Inhalte gepostet werden. Trotz sinkender Nutzung ist Facebook jedoch nach wie vor die wichtigste Werbefläche, für die Unternehmen rund 58 % ihres Werbeetats ausgeben. ➡️ meedia (Bericht) | Social Bakers (Studie)
  • Deutschland bei EU-Strafverfahren vorne – Im Ranking der aktiven Vertragsverletzungsverfahren gegen EU-Mitgliedsstaaten landet Deutschland mit 76 Fällen auf Platz 5. In den aktuellsten Fällen geht es u. a. um die fehlende Übermittlung von Informationen zur Warenbeförderung, den Schutz von Oberflächengewässern und um die deutschen Naturschutzgebiete. Strafverfahren gegen die Mitgliedsstaaten gehören jedoch zur Norm und werden meistens eingestellt, bevor es zu Sanktionen kommt. Spitzenreiter bei den Verstößen sind gegenwärtig Spanien, Griechenland und Italien. ➡️ Euractiv (Bericht)
  • Behörden planen stärkere Kontrolle digitaler Räume – Ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums sieht vor, dass soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter künftig bestimmte Posts sofort dem Bundeskriminalamt melden müssen, wenn sie Hassrede beinhalten. Zudem sollen KommunalpolitikerInnen als “im politischen Leben des Volkes stehende Personen” unter besonderen Schutz gestellt werden. Gleichzeitig plant das Innenministerium, dem Verfassungsschutz zu ermöglichen, die Kommunikation in privaten Messengern verfolgen zu können. Die Pläne rufen Kritik von DatenschützerInnen und BürgerrechtlerInnen hervor. ➡️ ZEIT ONLINE (Meldung BMJV) | SPIEGEL ONLINE (Meldung BMI) | heise (Kritik)
  • Tagesschau überholt Bild auf Social Media – Die Tagesschau kann die meisten Interaktionen auf Facebook, YouTube, Instagram und Twitter für sich verbuchen. Mit über 12 Mio. Reaktionen erzielte die Tagesschau im Januar 1,4 Mio. mehr als die Bild und verdrängte diese damit wieder vom ersten Platz, so eine Erhebung von Storyclash. Auch Sky Sport konnte seine Reichweite erhöhen und sicherte sich damit den dritten Platz, gefolgt von RTL, das mit einem Zuwachs an Interaktionen von nahezu 50 % zu den größten Gewinnern zählte. ➡️ Horizont (Social Media Ranking)


polittweet


Das Leben nach der Politik

Stefan Liebich, profilierter Außenpolitik-Experte, über die Parteigrenzen geachteter Realpolitiker und in Berlin-Pankow direkt gewählter Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, streicht die Segel: Zum Ende der Legislatur scheidet er aus dem Bundestag aus. Seine Gründe schildert er in einem persönlichen Twitter-Statement.

Täglich aktuelle Termine finden Sie auf politcal.de – auch bereits vorsortiert für InstitutionenStakeholder und Political Consulting.

PwC sucht (Senior) Consultant Regulatory Affairs (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: 18.03.2020 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Du suchst einen abwechslungsreichen Job an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft? Du verfügst über eine hohe Kommunikations- und Networkingkompetenz und weißt diese selbstbewusst einzusetzen? Dann bewirb dich als (Senior) Consultant Regulatory & Public Affairs bei PwC! Zu deinen künftigen Aufgaben gehören zum Beispiel die Erstellung von Thesen- und Argumentationspapieren sowie der Auf- und Ausbau von PwCs Netzwerk im politischen Umfeld. Dabei erwartet dich ein internationales und motiviertes Team, in dem Zusammenarbeit und Wertschätzung eine große Rolle spielen!

Kein passender Job dabei? Besuchen Sie politjobs.de für weitere Stellenanzeigen.
Sie suchen selbst Verstärkung? Wir helfen Ihnen bei der Personalsuche!
Schreiben Sie uns einfach unter politjobs@polisphere.eu.

Hamburgische Bürgerschaft
Die Hamburgische Bürgerschaft ist Hamburgs gewählte Volksvertretung. Die wichtigsten Funktionen der Bürgerschaft sind die Gesetzgebung, die Kontrolle des Senats, die Wahl der Ersten Bürgermeisterin bzw. des Ersten Bürgermeisters sowie der Mitglieder des Hamburgischen Verfassungsgerichts und die Bestätigung der Senatorinnen und Senatoren. Darüber hinaus verfügt sie über das sogenannte Budgetrecht, d.h. sie verabschiedet den Hamburger Haushalt.

politdir.de ist der Wegweiser durch die Berliner Republik. Sollen wir als nächstes an dieser Stelle Ihre Organisation vorstellen? Sie erreichen uns unter politdir@polisphere.eu.

24. Februar 2020