politnews – Der politische Jahresrückblick

[ Mit Meldungen zu JournalistInnen in Haft, alternativem EU-Haushalt, Google-Jahresrückblick, BKA-Meldungen von Hate Speech, Politjob-Selbsttest ]

Mit dem Jahr 2019 geht auch ein ganzes Jahrzehnt vorüber, das es in sich hatte, aber auch viel Gutes mit sich brachte: Die 10 schönsten Fakten der letzten Dekade gibt es hier. Zwar gibt es polisphere sogar schon zwei Jahrzehnte, was wir in diesem Jahr auch gebührend gefeiert haben, aber an dieser Stelle soll ein politischer Rückblick auf die letzten 12 Monate reichen.

Grundsätzlich haben die Fridays-for-Future-Bewegung mit dem Schrecken der DB-Social-Media-Abteilung Greta Thunberg an der Spitze und die #SaveYourInternet-Proteste um die Novelle des europäischen Urheberrechts (insb. Artikel 11 und 13) endgültig klargemacht, dass eine – mehr oder weniger – organisierte Zivilgesellschaft die politische Agenda nicht nur prägen sondern auch mitentscheiden kann. Beide Bewegungen taten das dann auch im Zuge der Europawahl, die Ursula von der Leyen an die Spitze der EU-Kommission und Andrea Nahles aus dem Willy-Brandt-Haus spülte.

Doch das blieb nicht die einzige Wahlentscheidung mit Folgen: Die erste westdeutsche rot-grün-rote Landesregierung kam im chronisch sozialdemokratischen Bremen zustande und drei ostdeutsche Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen haben einmal mehr gezeigt, dass die gesellschaftliche Kluft – nicht nur, aber eben vor allem – immer noch zwischen Ost und West verläuft. Dass Ostdeutschland im Jahr des Mauerfall-Jubiläums aber weitaus vielschichtiger ist als manche Wahlanalysen Glauben machen wollen, zeigt u. a. die von polisphere unterstützte Initiative “Wir Sind der Osten”.

Eine neue Generation betrat die politische Bühne oder wurde vollends zu ProtagonistInnen ihrer: Greta Thunberg, Kevin Kühnert, Tilman Kuban und Rezo, der den meistgesehensten YouTube-Beitrag des Jahres ablieferte und bei dem sogar der Bundespräsident “drunterkommentiert”.

Die parteipolitische Debatte wurde maßgeblich vom erstaunlich fairen Führungswettstreit in der dauerkriselnden SPD geprägt. Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gibt es nun nach einem monatelangen Prozess endlich ein Überraschungssiegerteam. Ob dieses die deutsche Sozialdemokratie gegen den internationalen Trend, kraftstrotzende Grüne und einen Koalitionspartner, der selbst noch Führungsfragen zu klären hat und daher in der Profilbildung keine Rücksicht auf den Juniorpartner nehmen dürfte, durchsetzen kann, bleibt unklar. Die ersten Umfragen lassen jedenfalls noch keine Signalwirkung erkennen.

Die außenpolitischen “Dauerbrenner” Donald Trump und Brexit haben auch im letzten Jahr die internationale Bühne bestimmt. Der Impeachment-Prozess gegen den 45. US-Präsidenten mit ungewissem Ausgang wurde nun formal angestoßen. Die BritInnen sind 3,5 Jahre nach dem Referendum zum EU-Austritt und dem beeindruckenden Wahlsieg von Boris Johnson in der letzten Woche nun vielleicht wirklich kurz davor, den Brexit durchzuziehen. Die Betonung liegt hier auf “vielleicht”,  auch in der Brexit-Berichterstattung lernt man mit der Zeit dazu.

Was das abgelaufene Jahr und insbesondere der Mord am CDU-PolitikerWalter Lübcke, der antisemitischeTerroranschlag von Halle und viele andere zunehmende Drohungen und Gewaltakte gegen politisch Andersdenkende (was fast ausschließlich demokratisch Denkende meint) leider aber auch deutlich gemacht hat: Die liberale Demokratie bundesrepublikanischer Tradition steht unter Druck wie seit langem nicht mehr.

Erinnern Sie sich außerdem noch an die Pannen der Flugbereitschaft, das (vorerst) letzte AfD-Spin-Off “Aufbruch deutscher Patrioten” (AdP), die Ibiza-Affäre um FPÖ-Chef Strache, das vermeintliche Grundschulverbot, Trumps Offerte, Grönland zu kaufen (siehe Tweet des Jahres), die Festsetzung von Seenotretterin Carola Rackete oder das gestohlene „C“? Diese und andere große und kleine Geschichten des politischen Betriebs gibt es jedenfalls in unserem politnews-Archiv, falls die Weihnachtstage doch irgendwann langweilig werden.

Mit den besten Grüßen zum Jahreswechsel und bis zum 6. Januar
Philipp Sälhoff

P.S.: Was 2019 für polisphere selbst bereithielt, haben wir hier festgehalten.

 


politnews


  • Anzahl verhafteter JournalistInnen konstant hoch – Das Komitee zum Schutz von Journalisten hat 2019 mindestens 250 Fälle gezählt, in denen JournalistInnen aufgrund ihrer Arbeit verhaftet wurden (2018: 255). Die meisten Inhaftierungen gab es laut dem Report in China, gefolgt von der Türkei und Saudi-Arabien. Vor allem Urteile wegen der Verbreitung von Falschmeldungen sind seit 2012 sprunghaft angestiegen, gleichzeitig sind Berichte über politische Themen am gefährlichsten, gefolgt von Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsfällen. ➡️ Committee to Protect Journalists (Report)
  • Deutsche wünschen sich anderen EU-Haushalt – Laut einer Umfrage der Europäischen Bewegung Deutschland setzen die BundesbürgerInnen andere Schwerpunkte im EU-Budget als die Europäische Kommission. Während diese die höchsten Ausgaben in der klassisch stark geförderten Agrarpolitik und Regionalentwicklung einplant, würden die Deutschen mehr für Bildung und Forschung sowie für Klima- und Umweltpolitik ausgeben. Deutschland trägt mit 119 Mrd. € mit Abstand am meisten zum EU-Haushalt bei. ➡️ SPIEGEL ONLINE (Artikel) | Netzwerk EBD (Umfrage)
  • Google veröffentlicht politischen Jahresrückblick – Google hat wie jedes Jahr die länderspezifisch häufigsten Suchanfragen des Jahres veröffentlicht. Zu den politischen Schlagzeilen, die in Deutschland 2019 am meisten Traffic generiert haben, zählen demnach die Europawahl, der umstrittene Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform und der Terroranschlag in Sri Lanka. Die meistgegoogelte Persönlichkeit ist die Klimaaktivistin Greta Thunberg, das meistgeklickte Video auf Googles Tochter-Plattform YouTube ist mit 16 Mio. Aufrufen Rezos “Zerstörung der CDU”. ➡️ Google Trends (Jahresrückblick) | YouTube Creater Blog (Jahresrückblick)
  • Stärkere Regulierung sozialer Netzwerke – Für soziale Netzwerke wie Facebook oder YouTube kündigten sich in der vergangenen Woche gleich zwei große Veränderungen an. Änderungen im Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) verpflichten die PlattformbetreiberInnen, Hasspostings nicht mehr nur noch löschen, sondern auch dem Bundeskriminalamt zu melden. Gleichzeitig löst der neue Medienstaatsvertrag den Rundfunkstaatsvertrag von 1991 ab, der nun auch digitale Angebote betrifft – die künftig eventuell Zulassungen beantragen müssen. ➡️ Focus (Artikel zu NetzDG) | SPIEGEL ONLINE (Artikel zu Medienstaatsvertrag)
  • Welcher Politik-Job passt zu mir? – Die Jobmöglichkeiten im politischen Betrieb beschränken sich längst nicht mehr nur auf Partei, Parlament oder Ministerium. Um mehr Orientierung zu bieten, hat Politikberater Fabian Haun von elfnullelf ein Tool entwickelt, mit dem man testen kann, für welchen Job im Politikbetrieb man am besten geeignet ist. Nach fünf Schritten ein paar Fragen zu den persönlichen Interessensgebieten und Berufsvorstellungen gibt es ein gewichtetes Ranking als Antwort. Die aktuellsten politischen Stellenangebote gibt es wie immer auf politjobs.de. ➡️ Fabianhaun.de (Online-Test) | ️politjobs.de


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Unser Tweet des Jahres

Es war eine von vielen Irritationen, die der US-Präsident in diesem Jahr auslöste: Das Angebot, Dänemark das riesige Grönland abzukaufen, das zum skandinavischen Königreich gehört. Die Anwort einer dänischen Abgeordneten wurde von unseren LeserInnen in diesem Jahr am häufigsten geklickt.

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20. Dezember 2019