politnews Sommeredition – NSU 2.0, Wirecard und EU-Coronagipfel

[ Mit Meldungen zu: Neubesetzung von Trumps Wahlkampfmanager, Datenabkommen „Privacy Shield“ laut EuGH-Urteil unrechtmäßig und rot-rot-grünes Paritätsgesetz in Thüringen verfassungswidrig ]

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Das politische Berlin ist in den Sommerferien, auch die politnews erscheinen ferienbedingt nur alle zwei Wochen. Doch von den klassischen Sommerloch-Scheindebatten ist noch nicht viel zu merken.

Eines der dunkelsten Kapitel des deutschen Rechtsterrorismus lebt wieder auf. Neue Drohmails des „NSU 2.0“ wurden bekannt. Vor allem Frauen sind ins Visier der Rechtsextremen gerückt: Die Kabarettistin Idil Baydar und die Linken-Politikerinnen Anne Helm, die Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die hessische Landesvorsitzende Janine Wissler wurden bedroht. Zudem wurde letzte Woche bekannt, dass persönliche Daten der Betroffenen vorher in hessischen Polizeicomputern über das „Polas“-Informationssystem abgefragt wurden. Diese nicht öffentlich zugänglichen Informationen tauchten später in den Schreiben auf. Der Landespolizeipräsident musste bereits seinen Hut nehmen, weil er diese Vorgänge zu spät meldete. Der Verdacht, dass in Hessens Polizei ein rechtsextremes Netzwerk besteht, verhärtet sich zunehmend. Die Frankfurter Rundschau mit einem Hintergrundbericht.

Zu einem wahren Wirtschaftskrimi (tatsächlich hat die UFA bereits angekündigt, den Fall verfilmen zu wollen) mit Spionage-Elementen entwickelt sich der Wirecard-Betrugsfall. Der flüchtige Ex-Vorstand Jan Marsalek ist über Weißrussland nach Russland abgetaucht, nachdem er falsche Fährten auf den Philippinen gelegt hatte. Derzeit soll er sich unter Aufsicht des Militärgeheimdienstes in einem Anwesen bei Moskau aufhalten, wie das Handelsblatt berichtet. Auch der Name eines alten Bekannten fiel im Zuge des Wirecard-Skandals: Karl-Theodor zu Guttenberg hat mit seiner Investment- und Consultingfirma Spitzberg Partners zwischen 2016 und 2020 bei der Bundesregierung für den Zahlungsdienstleister lobbyiert. Mit Erfolg: Das Bundeskanzleramt wollte den chinesischen Markteintritt „flankieren“. Die Opposition fordert nun einen Untersuchungsausschuss. Guttenberg war vor wenigen Wochen auch im Zuge der Amthor-Affäre in die Schlagzeilen geraten. Der ehemalige Verteidigungsminister war ebenfalls für Augustus Intelligence tätig. Nun äußerte sich mit der Pariser Augustus-Chefin Anne Bioulac erstmals eine Vertreterin des Start-ups im Handelsblatt-Interview (Paywall) zu den Vorwürfen und gibt Einblicke in die Strukturen des Unternehmens.

Um weitaus größere Summen als bei Wirecard geht es beim aktuellen EU-Gipfel. Seit Freitag verhandeln die EU-Regierungschefs auf einem Sondergipfel sowohl den Corona-Wiederaufbaufonds als auch den mittelfristigen EU-Finanzrahmen. Dabei geht es insgesamt um fast 1,8 Billionen Euro – davon 750 Milliarden, um die Coronakrise zu bewältigen. Doch genau an diesen scheiden sich die regierungsgeschäfteführenden Geister. Viel hängt dabei an Mark Rutte, dem niederländischen Regierungschef. Er hat sich zum Sprachrohr der mittlerweile „sparsamen Fünf“ gemacht. Finnland trat dem inoffiziellen Club um Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden bei, welcher die Höhe der nichtrückzahlbaren Zuschüsse kräftig reduzieren und mehr Einfluss auf die Verwendung des Geldes nehmen will. Der Niederländer übernimmt damit gewissermaßen das wirtschaftsliberale Vermächtnis der ausscheidenden BritInnen. Doch Ruttes Verhalten hat auch innenpolitische Gründe, wie Tobias Kaiser für die Welt analysiert. Der französische Präsident Emmanuel Macron verglich Rutte mit seiner sturen Haltung dem Vernehmen nach mit dem ehemaligen britischen Premier Cameron. Auch Sebastian Kurz bekam von Macron eine Breitseite, als dieser den Raum für ein Telefonat verlassen wollte, dieser reagierte wohl nur mit einer pseudo-verängstigten Geste. Die Süddeutsche mit mehr Einblicken aus dem angespannten Verhandlungsmarathon.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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  • [ Trump tauscht Wahlkampfmanager aus ]
    Nur vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl tauscht Donald Trump seinen bisherigen Wahlkampfmanager und einen der langjährigsten Vertrauten Brad Parscale aus. Parscale soll Teil des Teams bleiben, in der Leitung aber von seinem bisherigen Stellvertreter Bill Stepien ersetzt werden. Trump macht Parscale für den gefloppten Wahlkampfauftakt in Tulsa verantwortlich. Der US-Präsident steht vor allem für sein Corona-Krisenmanagement in der Kritik. Seine Zustimmungswerte sinken seit Monaten kontinuierlich. Zudem ließ er verlauten, dass er eine Wahlniederlage unter Umständen nicht akzeptieren werde. ➡️ DER SPIEGEL (Meldung) | ZEIT ONLINE (Meldung)
  • [ EuGH kippt „Privacy Shield“ ]
    Mit seinem Urteil zum „Privacy Shield“ kippt der EuGH nach dem Safe-Harbor-Abkommen das zweite große Datenabkommen zwischen der EU und den USA, das den Transfer personenbezogener Daten in die USA regelte. Der Europäische Gerichtshof hat erneut geurteilt, dass europäische Datenschutzstandards in den USA nicht gewährleistet seien. Solange Datenschutz-Garantien eingehalten werden, können aber weiterhin Daten von NutzerInnen in den USA gespeichert werden. Deren Einhaltung wird jedoch von der irischen Datenschutzbehörde DPC überprüft, die nicht gerade für ihr hartes Durchgreifen bekannt ist. Langfristig muss ein neues Abkommen verhandelt werden. Das würde aber Datenschutzreformen in den USA verlangen – eine Veränderung, die momentan als unwahrscheinlich gilt. ➡️ netzpolitik.org (Bericht) | Deutschlandfunk (Hintergrund)
  • [ Thüringisches Paritätsgesetz verfassungswidrig ]
    Das Thüringer Verfassungsgericht hat einer Klage der AfD-Landtagsfraktion gegen das Paritätsgesetz stattgegeben. Das von der rot-rot-grünen Regierung verabschiedete Gesetz schreibt Parteien die paritätische Besetzung der Wahllisten mit Frauen und Männern vor. Mit sechs zu drei Stimmen stimmte das Gericht gegen das Gesetz, das laut Gericht „ohne Rechtfertigung in Verfassungsrechte“ eingreife und das aktive und passive Wahlrecht einschränke. Die Fraktionen der Linken und der Grünen wollen jedoch an dem Gesetz festhalten; sie wollen einen neuen Anlauf starten oder das Urteil durch das Bundesverfassungsgericht prüfen lassen. ➡️ FAZ (Meldung)


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Still E.U.C.O.

Politische Gipfeltreffen müssen zur Zeit nicht nur Ergebnisse liefern, sondern auch Vorbildfunktion für die Einhaltung der Corona-Abstandsregeln erfüllen. Beim EU-Sondergipfel in Brüssel klappte das ganz gut. Die Serie an hochrangigen Ellenbogenchecks inspirierte zu einem Rap-Cover der speziellen Art. Zu besonderer Berühmtheit gelangte Angela Merkel, als sie ihrem bulgarischen Amtskollegen Bojko Borissow Nachhilfe im Masketragen gab.

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SPD-Parteivorstand sucht ReferentIn (m/w/d) Themenentwicklung Wertschöpfung der Zukunft
Berlin | Bewerbungsfrist: 27.07.2020 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Der Parteivorstand der SPD sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n ReferentIn, die/der den Themenbereich “Wertschöpfung der Zukunft” auf- und ausbaut. Zu den Aufgaben gehören unter anderem die Konzeption, Planung, Umsetzung und Steuerung eigener Projekte sowie die Begleitung und Analyse aktueller politischer Debatten, gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Diskursen in dem Themenbereich. Dienstort ist das Willy-Brandt-Haus in Berlin.

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Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – kurz BaFin – vereinigt die Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister, Versicherer und den Wertpapierhandel unter einem Dach. Sie ist eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts und unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Die BaFin wird von einem Direktorium geleitet und finanziert sich aus Gebühren und Umlagen der beaufsichtigten Institute und Unternehmen.

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20. Juli 2020