politnews – Rohrkrepierende Ironie

[ Mit Meldungen zu: Vertrauen in die EU bricht ein, Europäische Rechtspopulisten konnten nicht von der Corona-Krise profitieren, Pressefreiheit in Deutschland geht zurück, Grüne im Baerbock-Hoch, Neue DEMOS MAG für Demokratie startet Crowdfunding ]

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Die politische Woche hätte mit den entschiedenen Kanzlerkandidaturen von Union und Grünen eigentlich schon ausreichend Gesprächsstoff produziert. Aber am Donnerstag löste eine konzertierte Protestaktion gegen die Corona-Politik ein Netzbeben aus, das schnell auch jenseits von Twitter und Instagram hohe Wellen schlug.

Unter dem Hashtag #allesdichtmachen versammelten sich zu Beginn 53 mehr oder weniger bekannte Schauspieler:innen und Künstler:innen, um ihre Kritik an den Corona-Maßnahmen mit Ironie – oder dem, was sie dafür halten – Luft zu machen. Dabei waren namhafte Gesichter wie Jan Josef Liefers, Volker Bruch, Ulrike Folkerts, Wotan Wilke Möhring, Heike Makatsch, Ken Duken, Meret Becker oder Ulrich Tukur. Die Website war zwischenzeitlich nicht mehr erreichbar, zeigt nun aber ein Statement, das die Aktion kontextualisieren soll.

Der Applaus von Verschwörungsanhänger:innen, Corona-Leugner:innen aber auch Rechten, ließ nicht lange auf sich warten. Unter den spontanen Unterstützer:innen der Aktion finden sich u. a. Hans-Georg Maaßen, Ken Jebsen, Roland Tichy und zahlreiche AfD-Abgeordnete. Die Kritik an der Aktion war jedoch mindestens ebenso deutlich. Die Reaktionen fasst Nadeschda Scharfenberg in der Süddeutschen zusammen.

Mit-Initiator Liefers versuchte sich in der Aktuellen Stunde des WDR in Schadensbegrenzung, räumte aber auch ein, dass von „gefühlten Wahrheiten“ die Rede sei. In einer der skurrilsten Live-Schalten der letzten Zeit verteidigte auch Ben Becker – dessen Schwester Meret ebenfalls ein Video beisteuerte, dies aber mittlerweile zurückzog – das Projekt.

Auch viele andere ruderten zurück und löschten ihre Videos, darunter Heike Makatsch oder Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts (das sei „schiefgegangen und unverzeihlich“). Mehr als 15 Prominente haben sich mittlerweile distanziert. Man sei überrascht von den heftigen Reaktionen, dem Applaus von der „falschen Seite“ und der Interpretation der Beiträge als verhöhnend und pietätlos.

Eine der treibenden Kräfte hinter #allesdichtmachen ist Dietrich Brüggemann, ein angesehener und gut vernetzter „Tatort“-Regisseur. Er soll die Initiative zusammen mit Liefers und „Babylon Berlin“-Star Volker Bruch gestartet, viele ihm bestens bekannte Schauspieler:innen angefragt, Texte geschrieben und Videos aufgenommen haben. Zumindest einzelne Mitwirkende haben Brüggemann als „Kopf hinter der Aktion“ wahrgenommen. Netzpolitik.org hat mit dem Filmschaffenden über seine umstrittene Kampagne gesprochen.

Auch Bernd K. Wunder, der mit seiner Firma im Impressum der Website steht, war beteiligt. RTL berichtet mit einem Hintergrund über den Filmproduzenten, der schon Musikvideos für Bushido gedreht und mit Ken Duken eine Firma gegründet hat.

Im Netz hat sich recht schnell eine Gegenbewegung gebildet: Die Domain www.allesdichtmachen.com leitet auf eine RBB-Dokumentation über das Sterben von Corona-Patient:innen weiter, der SPD-Digitalpolitiker Yannick Haan hat sich diese zeitig gesichert. Auch unter dem Hashtag #allemalneschichtmachen machen Pflegekräfte und medizinisches Personal ihrem Ärger über das, aus ihren Augen zynische, Spektakel Luft. Die Kampagne und die Reaktionen darauf sind ein weiteres Paradebeispiel für die Empörungsdynamiken des Netzes (siehe Buch der Woche).

Den Protagonist:innen rechtes Gedankengut zu unterstellen, leitet zwar fehl, aber sie bedienen zielgerichtet genau die Narrative, die von der „Querdenker“-Bewegung seit Monaten propagiert werden: vor allem über vermeintlich von Regierung und Medien künstlich geschürte Ängste, unverhältnismäßige Freiheitsbeschneidungen und der „Corona-Diktatur“. Die deutlichen Reaktionen sollten daher keine:n Mitwirkende:n überraschen. Gleichwohl ist auch diese Form des Protests selbstverständlich erlaubt und legitim. Ob sie besonders klug ist, ist eine andere Frage.

Mit besten Grüßen
Philipp Sälhoff

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politnews


[ Vertrauen in die EU bricht ein ]

Nur noch 26 % der Deutschen hat großes oder sehr großes Vertrauen in die EU. Das geht aus einer Allensbach-Umfrage hervor. Zwei Drittel haben kein großes bis gar kein Vertrauen. Insbesondere die Handhabung der Corona-Politik sorgt für Frustration. So gaben 46 % an, dass Deutschland während der Krise mehr Nachteile als Vorteile durch die EU-Mitgliedschaft hatte, nur 8 % sahen mehr Vorteile. Eine ähnlich schlechte Stimmungslage gab es zuletzt nach der Eurokrise um das Jahr 2011. In der Gesamtbewertung über die Pandemie hinaus überwiegt aber noch immer die Wahrnehmung von Vorteilen der EU: 36 % sehen mehr Vorteile, während 24 % mehr Nachteile sehen.

FAZ (Zusammenfassung) | FAZ (Umfrageergebnisse, Paywall)


[ Europäische Rechtspopulist:innen konnten nicht von der Corona-Krise profitieren ]

Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass rechtspopulistische Parteien in Europa zunächst nicht durch Corona profitierten. In den sieben untersuchten Ländern entstand vielmehr ein Umfragetief nahezu aller rechtspopulistischen Parteien im August 2020. Nur Forza Italia konnte die Beliebtheitswerte halten. Dagegen wurde ein Zustimungszuwachs für die jeweiligen Regierungen verzeichnet. Selbst rechtsnationale Parteien unterstützten oft die jeweiligen Regierungen. Das Thema der Migration hingegen stellte angesichts der Pandemie kein genügendes Mobilisierungspotenzial mehr, so die Autor:innen.

Friedrich-Ebert-Stiftung (Studie)


[ Reporter ohne Grenzen: „Noch nie dagewesene Dimension von Gewalt gegen Journalist:innen in Deutschland“ ]

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2021 verliert Deutschland den Status „gut“ und rutscht vom 11. auf den 13. Platz. Der jährlich von Reporter ohne Grenzen herausgegebene Bericht sieht „eine noch nie dagewesene Dimension“ von Gewalt gegen Journalist:innen in der Bundesrepublik. Demnach hat sich mit 65 Vorfällen die Zahl der gewalttätigen Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht. Insbesondere Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen zeichnen dafür verantwortlich, so die NGO. Die Spitze des Rankings wird von nordeuropäischen Ländern dominiert (Norwegen, Finnland, Schweden), Schlusslichter sind Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.

Netzpolitik (Zusammenfassung) | Reporter ohne Grenzen (Rangliste und Bericht)


[ Grüne mit Neumitglieder- und Umfrage-Hoch nach Baerbock-Kandidatur ]

Die Grünen haben nach der Bekanntgabe der Kandidatur Baerbocks mit mehr als 2.000 Parteieintritten so viele Neumitglieder verzeichnet wie noch nie zuvor in einer Woche. In  jüngsten Umfragen macht die Partei einen Satz und zieht teilweise mit der Union gleich. Auch Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung favorisieren Baerbock. Währenddessen gab der unterlegene Co-Vorsitzende Habeck in einem Interview persönliche Hintergründe über die Entscheidung zu seinen Ungunsten.

ZEIT (Habeck im Interview) | Wirtschaftswoche (Umfrage deutscher Entscheidungsträger:innen) | n-tv (Bericht über Parteieintritte)


[ Neues Printmagazin für Demokratie startet Crowdfunding-Kampagne ]

Das neu gegründete Magazin Demos Mag hat eine Crowdfunding-Kampagne initiiert. Sollte die Fundingschwelle von 10.000 € innerhalb der nächsten 23 Tage überschritten sein, wird das Blatt ab August 2021 im Print-Format erscheinen. Die Gründer:innen sind der Demokratieaktivist Shai Hoffmann, Journalistin Linda Rottler und Kommunikationsdesignerin Katha Schmidt. Sie wollen „partizipativen Journalismus“ pflegen und über Initiativen, Organisationen, Unternehmen und Menschen berichten, die sich für eine inklusive Gesellschaft und demokratische Werte einsetzen.

Startnext (Crowdfunding-Kampagne) | Demos Mag (Website)


politticker


Parteien und Parlamente

Politische Kommunikation und Journalismus

Personalien

International

Podcast

Paper


Buch der Woche


Unwetter in digitalen Netzwerken, die sogenannten Shitstorms, überziehen regelmäßig Akteure des öffentlichen Lebens mit Hass und Häme. Wer steckt hinter solchen Kampagnen? Wie werden sie inszeniert? Und welche Ziele sollen damit erreicht werden? ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann zeigt in „Die Shitstorm-Republik“, wie Politik und Journalismus dazu beigetragen haben, dass Facebook, Twitter & Co. kaum etwas gegen den digitalen Mob unternehmen, warum die Öffentlichkeit die Netzwerke noch immer unterschätzt und was man gegen den Hass im Netz tun kann.


polittweet


Im Auftrag der Reptiloiden-Weltregierung

Als Reaktion auf die #allesdichtmachen-Kampagne hat sich der ZDF-Journalist Johannes Hano ebenfalls mit Ironie zu Wort gemeldet. Ob ihm das besser gelungen ist als den Schauspieler:innen, kann jeder selbst entscheiden. 

 

Do, 29.04.2021 – Summit on European Cultural Politics and New Digital Solutions
Progressives Zentrum & Goethe-Institut | Europa & Digitalisierung | online | 14.00-17.45 Uhr

Mo, 26.04.2021 – Als Erstakademiker:in aufs diplomatische Parkett
arbeiterkind.de | Demokratie | online | 18:30-20:00 Uhr

Di, 27.04.2021 – GIGA DSLS – Digital Diplomacy: Shaping Global Transformation
GIGA Hamburg | Digitaldiplomatie | online | 14.30-15.30 Uhr

Mi, 28.04.2021 – Digitale Zivilcourage
Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz | Digitalisierung | online | 16.00-16.45 Uhr

Mi, 28.04.2021 – Engagiert, politisch, digital? Online-Petitionen als Partizipationsform der digitalen Zivilgesellschaft
Friedrich Ebert Stiftung | Zivilgesellschaft | online | 19.00-20.30 Uhr

Mi, 28.04.2021 – Strategic autonomy and the transformation of the EU
Hertie School – Jacques Delors Centre | Europapolitik | online | 14.00-15.30 Uhr

Do, 29.04.2021 – Compliance in der Politik – politische Compliance?
Transparency International Deutschland | Politische Integrität | online | 17.00 Uhr

Do, 29.04.2021 – Games & Politik – Der große E-Sports & Politik Stream
Konrad-Adenauer-Stiftung | Digitalisierung | online | 15:00-20:00 Uhr

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Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft sucht Leiter:in (m/w/d) der Abteilung „Leitstelle Klima“
Hamburg | Bewerbungsfrist: 06.05.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Unterstützte die Stadt Hamburg bei der Umsetzung ihrer ambitionierten Klimaziele! In Deiner Leitungsfunktion verantwortest Du die Umsetzung des Klimaplans und entwickelst neue Wege und Strategien für eine klimaneutrale Stadt. Dazu solltest Du mindestens sechs Jahre relevante Berufserfahrung und Führungsexpertise mitbringen. Optimalerweise verfügst Du zusätzlich über fundierte Kentnisse im Bereich Klimapolitik und Klimawissenschaft.

GIZ sucht für den Standort Bonn eine:n Berater:in für Digitale Pandemie und One Health Tools (m/w/d)
Bonn | Bewerbungsfrist: 28.04.2021 | Arbeitsbeginn: 01.06.2021 | Teil- oder Vollzeit

SPD-Parteivorstand sucht eine:n Referent:in Dialogmarketing (w/m/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: 02.05.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

die raumplaner suchen Mitarbeiter:in (m/w/d) im Bereich Kommunikation / Social Media / Öffentlichkeitsarbeit
Berlin | Bewerbungsfrist: 03.05.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

game – Verband der deutschen Games-Branche sucht Referent:in Public Affairs (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: 05.05.2021 | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Lu Yen Roloff – #EinfachMachen sucht Kampagnen- & Projektmanager:in Wahlkampf 2021 #EinfachMachen (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Fraktionsvorsitzender der FDP/DVP-Landtagsfraktion von Baden-Württemberg sucht Referent:in für Wahlkreisarbeit und kommunale Mandate (w/m/d)
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Norwegische Botschaft sucht Referent:in (m/w/d) für Politik, Wirtschaft, Kultur und Kommunikation
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Bitkom sucht eine:n Referent:in Startups (m/w/d)
Berlin | Bewerbungsfrist: laufend | Arbeitsbeginn: ab sofort | Vollzeit

Ressourcenmangel sucht eine:n Kolleg:in im Bereich Online-Marketing (m/w/d)
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SOS-Kinderdorf sucht für Repräsentanz in Berlin eine:n Referent:in (m/w/d) für Advocacy
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Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, seit 2013 Prof. Monika Grütters, hat ihren Amtssitz im Bundeskanzleramt. Kontrolliert und beraten wird sie vom Ausschuss für Kultur und Medien im Bundestag. Mit rund 380 Mitarbeiter:innen in Berlin und Bonn obliegen der Staatsministerin 5 Aufgabenbereiche.

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26. April 2021