politnews – Pressefreiheit in der Pandemie

[ Mit Meldungen zu: Nannen-Preisträger stehen fest, Demokratie weltweit auf dem Rückzug, Grüne erstmals über 100.000 Mitglieder, Neuauflage von StudiVZ & PR-Preis während Umsatztief verliehen ]

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Der gestrige Internationale Tag der Pressefreiheit stand in diesem Jahr ganz im Zeichen der Corona-Krise, denn diese “bündelt bestehende repressive Tendenzen weltweit wie ein Brennglas”, so Katja Gloger von Reporter ohne Grenzen. Die NGO hat auch in diesem Jahr wieder einen Index der weltweiten Pressefreiheit erstellt. Ergebnis: Global betrachtet legt der extreme Rückgang der Pressefreiheit eine Pause ein, die Entwicklung der letzten Jahre bleibt dennoch besorgniserregend (-12 % seit 2013). Der Erhebungszeitraum lag jedoch vor den ersten spürbaren Auswirkungen der Pandemie.

In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit führen Norwegen, Finnland und Dänemark – China, Eritrea, Turkmenistan und auf dem letzten Platz Nordkorea stehen am anderen Ende. Deutschland verbesserte sich leicht um zwei Plätze auf den 11. Rang. Hierzulande wurden vor allem Gesetzesinitiativen kritisiert, die den Quellen- und Informantenschutz kriminalisieren, sowie nachrichtendienstliche Überwachungen. Die Süddeutsche mit einem umfangreichen und lesenswerten   Dossier zum Stand der Pressefreiheit weltweit.

Besonders dramatisch ist die Lage für JournalistInnen im Iran. Natalie Amiri, die Iran-Korrespondentin des BR, berichtet in einem TV-Interview, warum sie nach einer Warnung des Auswärtigen Amts vorerst nicht mehr aus dem Staat berichten kann. Karl Doemens blickt in die USA, wo die Krise der Zeitungsbranche von Trump gefeiert und durch Corona noch verschärft wird.

Dort spitzt sich währenddessen auch der Protest gegen den Corona-“Lockdown” zu: Im Bundesstaat Michigan drangen bewaffnete DemonstrantInnen und Bürgerwehren in das Parlamentsgebäude von Lansing ein und mussten von der Polizei aufgehalten werden. Zuvor hatte Trump zur “Befreiung” von Michigan aufgerufen, wo die Demokratin Gretchen Whitmer Gouverneurin ist.

In den nächsten Pressefreiheitsreport wird mit Sicherheit die Attacke auf ein ZDF-Team am Rande der “Hygiene-Demo” in Berlin einfließen. Die AngreiferInnen, die sechs Teammitglieder der “Heute-Show” verletzten, werden dem linken Spektrum zugeschrieben. Die Versammlungen von “Corona-SkeptikerInnen”, die trotz Ausgangsbeschränkungen stattfinden, erfreuen sich eines immer stärkeren Zulaufs. Dort kommt von VerschwörungstheoretikerInnen bis hin zu Rechts- und LinkspopulistInnen eine breites Spektrum zusammen, dessen kleinster gemeinsamer Nenner die fundamentale  Ablehnung  der  staatlichen Schutzmaßnahmen ist.

Diese Bewegung hat nun auch eine eigene Partei: Unter dem Namen “Widerstand2020” wollen die GründerInnen laut eigener Aussage “gegen das Außerkraftsetzen unserer Grundgesetze und die Machtausnutzung unserer Regierung” vorgehen. Der Website (die zur Zeit wegen Überlastung nicht erreichbar ist) zufolge zählt die Organisation bereits über 100.000 “Mitglieder”, was aufgrund der Zählweise des Antragsformulars aber mehr als zweifelhaft. Die Partei mit Sitz in Lehrte bei Hannover wurde u. a. vom Arzt Bodo Schiffmann gegründet, der auf YouTube mit tendenziösen Videos gegen die Corona-Maßnahmen Stimmung macht, die sogar von Prominenten wie Til Schweiger geteilt werden. Eine Einschätzung zur neuen “Mitmach-Partei” mit Hintergrund-Infos.

Dass die Corona-Partei es in den Bundestag schafft, ist zwar kein realistisches Szenario, daher haben bereits einzelne AfD-Stimmen eine Zusammenarbeit ins Spiel gebracht. Die dort vertretenen Parteien beschäftigen sich derweil mit anderen Themen:

  • Hans-Peter Bartels von der SPD ist seit fünf Jahren Wehrbeauftragter des Bundestags und würde das auch weiterhin gerne sein. Seine Fraktion sieht das jedoch anders und schlug die Berliner Bundestagsabgeordnete Eva Högl als Nachfolgerin vor. Das löste nicht nur beim Koalitionspartner, sondern auch in der eigenen Partei Befremden aus. Bartels sei erst informiert worden, nachdem die Entscheidung schon feststand. Darüber hinaus gilt Högl zwar als Expertin für Rechts- und Innenpolitik, verteidigungspolitisch ist sie hingegen ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.
  • Die Grünen sind wohl der größte politische Verlierer der Krise. Gut 10 Prozentpunkte stürzte die vorher von den Klimaprotesten beflügelte Partei in den letzten Wochen auf nun ca. 15 % ab. Die Mitgliederentwicklung knackt dennoch weiter Rekorde (siehe Shortnews 3). Mit dem ersten rein digitalen Parteitag wollten sie am Wochenende Aufbruchsstimmung wecken. Der Tagesspiegel über die digitalen Reaktionen der Parteien auf die Corona-Krise.
  • Auch die AfD sieht politisch derzeit wenig Land. Nun folgte die nächste Negativ-Schlagzeile: Der langjährige Partei- und Fraktionssprecher Christian Lüth wurde fristlos entlassen. Lüth bezeichnete sich wiederholt selbst als Faschist und prahlte mit seiner “arischen Abstammung”. Auch die “Auflösung” des rechtsextremen “Flügels” soll das Bekenntnis zur Bürgerlichkeit stärken. Die Website ist bereits abgeschaltet, ein theatralisches Abschiedsvideo von Björn Höcke bleibt. Der politischen Ausrichtung der Partei wird das keinen Abbruch tun, kommentiert Katja Thorwart in der Frankfurter Rundschau.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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  • [ Nannen-Preis für Aufdeckung Ibiza-Video und Rezo ]
    Beide Veröffentlichungen erschütterten die politische Landschaft bis ins Mark. Nun wurde die Investigativ-Recherche und der YouTuber mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet, der herausragende Arbeiten im deutschsprachigen Journalismus ehrt. Die Recherche von Spiegel und SZ brachte die österreichische Regierung im letzten Sommer zu Fall. Der YouTuber entfachte eine Debatte über “Influencer-Journalismus” und die Klimapolitik der Volksparteien, allen voran der Union. ➡️ Süddeutsche (Bericht) | Süddeutsche (Dossier zum Strache-Video) | Youtube (Rezo-Video) | Nannen-Preis (Überblick alle Preisträger)
  • [ Globaler Demokratie-Index sinkt ]
    Weltweit gibt es laut Transformations-Index der Bertelsmann Stiftung immer weniger funktionierende Demokratien. Der Anteil an demokratischen Staaten ist demnach weltweit in den letzten zehn Jahren von 57 % auf 54 % gesunken. Gerade auch in stabil geglaubten Demokratien werden zunehmend Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und politische Freiheitsrechte eingeschränkt – durch die Corona-Krise noch mal in verschärfter Form. Zum ersten Mal wird auch die Türkei als Autokratie gelistet. Positiv haben sich u. a. Ecuador, Armenien und Malaysia entwickelt. ➡️ Süddeutsche (Meldung) | Bertelsmann Transformations-Index (Website)
  • [ Grüne verzeichnen erstmals über 100.000 Mitglieder ]
    Bündnis 90/Die Grünen hat erstmals in der Geschichte der Partei über 100.000 Mitglieder. Das gab Bundesgeschäftsführer Michael Kellner bekannt. Die genaue Zahl beträgt nach seinen Angaben 101.561. Bereits 2019 hatten die Grünen gegen den Trend rund 28 % neue Mitglieder hinzugewinnen können. An die Mitgliederzahlen von CDU und SPD reichen die Grünen dennoch nicht heran: Beide Parteien verzeichnen Mitgliederzahlen von über 400.000, jedoch mit abnehmender Tendenz. Auf dem 4. Platz steht die FDP mit rund 65.000 Mitgliedern. ➡️ SPIEGEL ONLINE (Meldung)
  • [ Aus StudiVZ und meinVZ wird VZ ]
    Totgesagte leben länger: Das Gruppennetzwerk VZ tritt die Nachfolge der in die Jahre gekommenen Plattformen StudiVZ und meinVZ an. Lieferando-Gründer Jörg Gerbig hatte die Netzwerke 2018 aus der Insolvenzmasse des Unternehmen „Poolworks“ gekauft und will nun einen Neuanfang wagen. Ab sofort startet die Plattform in der Beta-Version. Der Fokus soll dabei, wie in den Vorgängerversionen, weniger auf Selbstdarstellung und mehr auf der Kommunikation in Gruppen liegen. ➡️ Heise (Meldung) | VZ (Website)
  • [ Ranking und Preise für die PR-Branche ]
    Nach dem Rekordjahr 2019 brechen auch bei den PR-Agenturen die Bilanzen ein: Im März und April 2020 hatten 80 % der Agenturen zum Teil drastische Umsatzrückgänge zu vermelden, so das 24. Agenturen-Ranking von Gerhard Pfeffer, dem Gründer und Herausgeber des PR-Journals. Die Agenturengruppe fischerAppelt ist mit einem Jahreshonorar von über 80 Millionen neuer Spitzenreiter. In Berlin kletterten u. a. ressourcenmangel, MSL und APCO nach oben. Auch beim PR-Preis der Deutschen Public-Relations-Gesellschaft (DPRG) wurden Ehrungen in 22 Kategorien vergeben. ➡️ PR-Journal (Gesamtranking und Spezialrankings) | PR-Journal (Ranking für Hauptsitz Berlin) | DPRG (Liste der Preisträger)


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Happydemie

Man nehme einen Synchronsprecher mit Langeweile, ein Video-Conferencing-Tool und die Bundespressekonferenz…

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4. Mai 2020