politnews – Linkspartei, Gleichstellung in Parteien und NRW-Kommunalwahl

[ Mit Meldungen zu: Parteimitgliedschaften, gesellschaftliche Stimmung während Corona, neuer Podcast zum US-Wahlkampf, Studie zu 30 Jahre Deutscher Einheit und sinkender Populismus in Deutschland ]

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Um die Linke war es lange Zeit ruhig geworden. Wie für alle Oppositionsparteien ließ die Coronakrise kaum Platz zur Profilierung, die Umfragen pendelten sich auf bescheidenem Niveau unterhalb der 10-Prozent-Marke ein. Nun soll der Neustart her: Nach acht Jahren Doppelspitze von Katja Kipping und Bernd Riexinger steht ein Führungswechsel an der Parteispitze an. Alban Werner blickt im Freitag auf die Amtszeit des Duos zurück und sieht nur in einer „Häutung“ der Partei einen Ausweg aus der derzeitigen Lage.

Die Frage ist nur, wer diese Erneuerung verantworten soll. Bisher haben Susanne Hennig-Wellsow, Fraktionschefin aus Thüringen und bundesweit spätestens durch ihre klare Kante während der Causa Kemmerich und den Blumenstrauß-Wurf bekannt geworden, sowie ihre Amtskollegin aus Hessen, Janine Wissler (jüngst in den Schlagzeilen, weil sie Opfer von rechtsextremen Morddrohungen geworden ist), ihren Hut in den Ring geworfen. Damit ist theoretisch sogar eine weibliche Doppelspitze möglich, es wäre die erste in der bundesrepublikanischen Geschichte. Hennig-Wellsow erklärt ihre Strategie für den Parteivorsitz und ihre Bedingungen für Rot-Rot-Grün im Bund im SPIEGEL-Interview. Wissler ist hingegen keine Freundin von Regierungsbeteiligungen und steht „Marx21“, einem trotzkistischen Netzwerk, nahe. Markus Wehner berichtete im Februar in der FAZ (Paywall) schon ausführlich über die radikale Gruppe.

Während sich die Kandidatinnen in Stellung bringen, zeigt der Fall Nawalny ein altes Problem der Linken: Hörbare Kritik an der russischen Führung findet so gut wie nicht statt. Nicht nur Gregor Gysi beeilte sich, die Unschuldsvermutung hochzuhalten. Auch Außenpolitikerin Sevim Dağdelen verbreitete gestern krude Theorien bei Anne Will (Video-Mitschnitt). Anders der 27-jährige Bundessprecher der Linksjugend Solid, Michael Neuhaus, der seinem Ärger über False-Flag-Fantasien von ParteifreundInnen auf Twitter Luft machte. Junge Parteimitglieder wie Neuhaus werden die Linie der Partei in Zukunft stärker prägen, gerade auch, weil die Partei sich verjüngen wird und muss (siehe politnews #1).

Die Linke diskutiert über die erste weibliche Doppelspitze, unterdessen gehen der FDP mehr und mehr Frauen von Bord: Nachdem vor wenigen Wochen FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg auf Drängen von Parteichef Lindner zurückgetreten ist, kündigte nun die nächste liberale Spitzenpolitikerin ihren Rückzug an. Katja Suding, die in Hamburg lange Zeit auf schwierigem Terrain den Landesverband führte und auch über die Hansestadt hinaus Impulse setzte, wird sich aus der Politik zurückziehen (persönliches Twitter-Statement). Die FDP verliert damit einen ihrer bekanntesten Köpfe und eine weitere potenzielle Führungskraft für die Zeit nach Christian Lindner. Andreas Niesmann analysiert für das RND den eklatanten Mangel an weiblichen Führungskräften bei den Liberalen.

Auch die CDU ist nicht bekannt für viele Frauen in Spitzenämtern. Nun hat Jesse Jeng, Vorsitzender der Jungen Union Hannover, für Schlagzeilen gesorgt. Um eine konservative Spitzenkandidatin zu ermöglichen, verzichtete der 32-Jährige auf seine eigene Chance auf einen Einzug in den Bundestag. Mit Vice spricht Jeng über seine Entscheidung, Vorwürfe der Eigen-PR und die Reaktionen aus der Partei.

Am nächsten Sonntag stehen im bevölkerungsreichsten Bundesland die Kommunalwahlen an. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Düsseldorf, wo FDP-Kandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann – ein paar liberale Spitzenfrauen gibt es also noch – mit einer mutigen Kampagne den Sprung ins Rathaus schaffen will. Die Verteidigungsexpertin ist eine graue Eminenz des sozialliberalen Flügels und momentan eine der wenigen Lichtblicke der FDP. Es wäre eine kleine Sensation: Derzeit liegt die Herausforderin bei 17 %, während SPD- und CDU-Kandidaten sich mit je 31 % ein Kopf-an-Kopf-Rennen in der Landeshauptstadt liefern.

Der WDR hat kurz vor der Wahl eine groß angelegte Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse in Infografiken und Video. Zudem hat der WDR Sonntagsfragen für die OB-Wahlen in den größten Städten des Landes von Aachen bis Wuppertal in einem Twitter-Thread zusammengestellt.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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  • [ Datenjournalismus-Dossier zu Parteimitgliedschaften ]
    Gabriel Rinaldi stellte für die FAZ ein umfassendes und interaktives Dossier zur Lage der Mitgliederentwicklung der deutschen Parteien zusammen. Neben der allgemein bekannten Negativentwicklung (Halbierung der Mitgliedszahlen aller Parteien seit 1990, durchweg Unterrepräsentation von Frauen), werden interessante Einzelaspekte analysiert: Die jüngsten Neumitglieder können Linke, FDP und Grüne verbuchen. Das Saarland ist das „politischste“ Bundesland: Nirgendwo sonst gibt es mehr Parteimitglieder in Relation zur Bevölkerung. ➡️ FAZ (Dossier) | FU Berlin (Studie)
  • [ More in Common und Adenauer-Stiftung mit Studien zur Coronakrise ]
    Wie die Coronakrise die gesellschaftliche Stimmung verändert hat, haben zwei Studien untersucht. More in Common fokussierte sich auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt: Während die Deutschen mit 53 % (ein Plus von 30 Prozentpunkten zum Vorjahr) besonders zufrieden mit ihrer Regierung sind, sinkt gleichzeitig die Kompromissbereitschaft mit Andersdenkenden (45 % im Vergleich zu 52 % im Jahr 2019). Die Konrad-Adenauer-Stiftung befragte explizit zu Verschwörungstheorien: 30 % glauben „sicher“ oder „wahrscheinlich“, dass es „geheime Mächte“ gibt, die die Welt steuern. ➡️ More in Common (Studie) | Konrad-Adenauer-Stiftung (Studie) | ZDF (Bericht zur KAS Studie)
  • [ Neuer RND-Podcast zum US-Wahlkampf ]
    Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) startet einen neuen Podcast zur anstehenden US-Wahl. Audioredakteur Dennis Pyzik wird in den nächsten Wochen jeden Mittwoch in „Die Schicksalswahl“ mit ExpertInnen zum Duell Trump-Biden diskutieren. Den Anfang machen US-Korrespondent Karl Doemens vom RND und Prof. Dr. Curd Knüpfer von der Freien Universität Berlin. ➡️ Spotify (Podcast)
  • [ Ost- und Westdeutsche vermissen Anerkennung ]
    Wie denken Ostdeutsche, Westdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund über 30 Jahre Deutsche Einheit? Westdeutsche vermissen die Anerkennung ihres finanziellen Beitrags (55 %), Ostdeutsche hingegen die Würdigung der friedlichen Revolution (71 %), so die Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung und des Meinungsforschungsinstituts pollytix. Sowohl Ostdeutsche als auch Menschen mit Migrationshintergrund geben mit 60 % an, sich als “BürgerInnen zweiter Klasse” zu fühlen. Gleichzeitig verliert die Unterscheidung zwischen Ost und West bei Jüngeren an Bedeutung. ➡️ Bertelsmann Stiftung (Studie) | pollytix (Twitter Thread)
  • [ Populismus in Deutschland auf dem Rückzug ]
    Immer weniger Deutsche scheinen anfällig für populistische Botschaften. Das fanden Bertelsmann-Stiftung und das WZB in ihrem jährlichen Populismus-Barometer heraus. Nur noch 20 % der Befragten statt 33 % wie noch vor einem Jahr sind populistisch eingestellt. Die MeinungsforscherInnen erklären den Rückgang durch ein stärker einbeziehendes Regierungshandeln nach der aufgeheizten Migrationspolitik 2015. Die Gefahr: Die geschwächten RechtspopulistInnen gleiten ins Extreme ab, insbesondere der AfD droht ein Prozess der weiteren Radikalisierung. Die Umfrageergebnisse zeigen: bereits 56 % der AfD-AnhängerInnen sind rechtsextrem eingestellt. ➡️ Tagesspiegel (Meldung) | Bertelsmann Stiftung (Studie)


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Botschaftsverlegung aus Versehen

Stellen Sie sich vor, Sie unterschreiben einen Kaufvertrag und lesen das Kleingedruckte nicht. Meist ärgerlich, aber kann passieren. Stellen Sie sich vor, das passiert Ihnen bei einem zwischenstaatlichen Abkommen mit Donald Trump. Dieser Fauxpas ist wohl dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić bei seinem Washington-Besuch unterlaufen, der schon während des Treffens in herabwürdigender Bildsprache dargestellt wurde (Tweet). Erst nachdem der US-Präsident die Verlegung der serbischen Botschaft in Israel nach Jerusalem verkündet hat, wurde Vučić sichtbar nervös.

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Serbische Botschaft Berlin
Die diplomatische Vertretung der Republik Serbien in Berlin-Grunewald. Derzeitige außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin ist seit dem 24. Oktober 2019 Dr. Snezana Janković. Weitere Generalkonsulate befinden sich in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, München und Stuttgart.

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7. September 2020