politnews – Korruptionsskandale in der Unionsfraktion

[ Mit Meldungen zu: App-Relaunch von Diskutier Mit Mir, extremistischen Feindeslisten, Bewerbungsstart für Innovation in Politics Awards, Linksextremismus-Definition der bpb und parlamentarischem Covid-19-Begleitgremium ]

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Vor einer Woche erschütterte der Fall Georg Nüßlein (CSU) das politische Berlin und insbesondere die Unionsfraktion. Keine sieben Tage später haben die Schwesterparteien nun mit zwei weiteren Korruptionsverdachtsfällen zu kämpfen. Diesmal traf es zwei Bundestagsabgeordnete der CDU:

  • Axel E. Fischer, 54, wurde von der Aserbaidschan-Affäre eingeholt. Diese wurde auch schon Fraktionskollegin Karin Strenz zum Verhängnis. Wie sie soll er Geld vom Regime aus Baku angenommen haben, um sich im Gegenzug für die autoritäre Regierung im Europarat einzusetzen. Unter anderem hat er die allgemein als unfair kritisierten Wahlen auffallend deutlich gelobt. Laut Business Insider liegen den Behörden Chatverläufe vor, in denen Fischers Vergütung besprochen worden sei.
  • Nikolas Löbel, 34, soll über seine Firma Provisionen von rund 250.000 € für die Vermittlung von Maskengeschäften eingenommen haben. Die Staatsanwaltschaft Mannheim prüft nun ein Ermittlungsverfahren. Löbels Immunität wurde bisher nicht aufgehoben.

Sowohl Löbel (Direktmandat Mannheim) als auch Fischer (Direktmandat Karlsruhe-Land) kommen aus dem CDU-Landesverband Baden-Württemberg, der am Sonntag um die Regierungsbeteiligung kämpfen muss. Zwei mutmaßliche Korruptionsfälle auf höchster parlamentarischer Ebene im Wahlkampfendspurt sind da alles andere als hilfreich. Auch für die CDU im benachbarten Rheinland-Pfalz, das ebenfalls am Sonntag wählt, kommen die Skandale zur Unzeit.

Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte derweil an, die Namen aller Parlamentarier:innen, die im vergangenen Jahr mit Vorschlägen zur Vermittlung von Schutzmasken an das Ministerium herangetreten sind, veröffentlichen zu wollen. Der Bundestagsverwaltung obliegt hier aber die endgültige Entscheidung.

Eine Chronik der Ereignisse der letzten Tage:

  • Donnerstag, 4. März 2021: Der Bundestag hebt die Immunität von Axel Fischer auf. Seine Büros und Wohnungen werden durchsucht.
  • Freitag, 5. März 2021: Nikolas Löbel räumt die Vorwürfe gegen seine Person ein. Georg Nüßlein legt sein Amt als Fraktionsvorsitzender nieder und kündigt an, bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr zu kandidieren, bis dahin aber sein Bundestagsmandat ausüben zu wollen.
  • Sonntag, 7. März 2021: Sowohl Löbel als auch Nüßlein erklären ihre Austritte aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Business Insider hat das Schreiben von Nüßleins Anwalt veröffentlicht. Löbel verkündet außerdem, dass er sein Bundestagsmandat Ende August niederlegen will.
  • Montag, 8. März 2021: Löbel kündigt an, dass er sein Bundestagsmandat doch unverzüglich niederlegt und erklärt zeitgleich seinen Austritt aus der CDU. Auch Nüßlein ist mittlerweile aus der CSU ausgetreten, wie Generalsekretär Markus Blume mitteilt. Parteichef Söder fordert, dass Nüßlein seine erhaltene Provision spenden soll. Sein Bundestagsmandat will er nach wie vor bis zum Ende der Legislatur behalten.

Besonders die Ankündigungen von Nüßlein und Löbel, ihre Mandate nicht unverzüglich niederzulegen – und somit beträchtliche Diäten und Pensionsansprüche einzustreichen –, riefen überdeutliche Reaktionen von sowohl Opposition als auch Partei- und Fraktionsführung hervor. Der ohnehin schon immense Imageschaden drohte sich weiter auszuwachsen. Ob CDU-Generalsekretär Ziemiak, Vorsitzender Laschet („Es ist jetzt Zeit, reinen Tisch zu machen. Wenn nicht, machen wir das“), Fraktionschef Brinkhaus oder JU-Vorsitzender Kuban: Unionsvertreter beeilten sich, klare und harte Konsequenzen zu fordern. Brinkhaus will darüber hinaus „weitere Zweifelsfälle klären“, mehr Verdachtsfälle sind nicht auszuschließen. Außerdem hat er zusammen mit CSU-Landesgruppenchef Dobrindt einen Brandbrief an die Fraktion geschrieben, in dem ein neuer Verhaltenskodex für die Unionsparlamentarier:innen angekündigt wird. Die Einhaltung soll ein Compliance-Beauftragter sicherstellen.

Die Bundestagsabgeordneten der CDU weisen im Schnitt knapp 44.000 € Nebeneinkünfte pro Kopf aus, bei der CSU sind es fast 130.000 € seit Beginn der Legislatur. Dabei ist zu beachten, dass die genannten Einkünfte Bruttobeträge sind. Neben Steuern stehen denen gerade bei Unternehmer:innen oft hohe Ausgaben für Personalkosten und Betriebsführung gegenüber. Etwa ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten geben für die aktuelle Wahlperiode Nebeneinkünfte an. Statista listet die Einkünfte nach Parteien auf.

Die Fälle kamen kurz nach der Einigung zwischen Union und SPD zum neuen Lobbyregister auf, welches durch die Nüßlein-Affäre zurück auf die Tagesordnung gebracht wurde. Das Verzeichnis soll Einflussnahmen auf Abgeordnete und die Bundesregierung transparent machen. Der „exekutive Fußabdruck“, der Einfluss und Teilhabe von Interessensgruppen im Gesetzgebungsprozess offenlegen würde, hat es durch die Blockade der Union jedoch nicht in den Entwurf geschafft. Sowohl die Opposition als auch Interessensverbände wie die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung kritisieren das Papier als unzureichend bzw. am Problem vorbeigehend, denn Tatbestände wie bei Nüßlein, Löbel und auch Amthor sind vom Register nicht abgedeckt. Corinna Budras fasst die Kritik in der FAZ zusammen.

Mit besten Grüßen
Philipp Sälhoff

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politnews


[ Relaunch der App von Diskutier Mit Mir ]

Rechtzeitig zu den ersten Wahlen im Superwahljahr 2021 launcht Diskutier Mit Mir eine neue Version der gleichnamigen Dialog-App mit verbesserter Nutzeroberfläche. Seit der Gründung 2017 stellt die im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie Leben! und von der Schöpflin Stiftung geförderte Initiative kostenlos 1:1-Chaträume für Politik-Interessierte zur Verfügung. Dabei beantworten User:innen zunächst politische Thesen, anschließend sucht die App ein Gegenüber, das politisch möglichst konträr gelagert ist, um einen Meinungsaustausch jenseits der eigenen Meinungsblase zu ermöglichen.

Diskutier mit mir (Website)


[ Extremist:innen veröffentlichten mindestens 24 Feindeslisten seit 2010 ]

Seit 2010 haben deutsche Sicherheitsbehörden mindestens 24 sogenannte „Feindeslisten” identifiziert. Demnach veröffentlichten Extremist:innen aus rechten und linken Lagern Adressdaten sowie persönliche Angaben vermeintlicher politischer Gegner:innen zusammen mit „ausdrücklichen oder subtilen Drohungen“. Das Bundesjustizministerium stellte kürzlich einen Gesetzesvorschlag vor, welcher die Veröffentlichung von Feindeslisten zu einem gesonderten Straftatbestand erklärt.

WELT (Bericht)


[ Bewerbungsverfahren für die Innovation in Politics Awards eröffnet ]

Das Innovation in Politics Institute eröffnete am 4. März das Bewerbungsverfahren für die Innovation in Politics Awards 2021. Seit 2017 zeichnet das Institut jährlich kreative europäische Politiker:innen aus, die innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen finden. Eine Bürger:innen-Jury bestehend aus mehr als tausend Juror:innen wählt die je besten Projekte in neun Kategorien von „Digitalisierung“ bis „Covid-19-Strategien“ aus. Die Bewerbungsfrist ist der 1. Juli. Die siegreichen Projekte werden bei einer Gala im Dezember verkündet.

Innovation in Politics Institute (Twitter-Ankündigung) | Innovation in Politics Institute (Website)


[ Innenministerium greift in der Linksextremismus-Definition der bpb ein ]

Auf Drängen des Innenministeriums änderte die ihm unterstellte Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) einen Text über Linksextremismus, der bereits seit mehr als 10 Jahren auf der bpb-Website veröffentlicht ist. Die Aussage eines Politikwissenschaftlers „Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ könne als „Relativierung und Verharmlosung von Kommunismus verstanden werden“, so das BMI. Die bpb ersetzte die Passage.

taz (Analyse) | fragdenstaat.de (Veröffentlichter Briefwechsel)


[ Covid-19-Begleitgremium soll Bundestag mehr Mitspracherecht verschaffen ]

Die Große Koalition plant die Schaffung eines neuen Unterausschusses für Corona-Maßnahmen. Demnach soll das aus 21 Abgeordneten zusammengesetzte „Parlamentarische Begleitgremium Covid-19-Pandemie“ mithilfe externer Sachverständiger Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung von Virus-Mutationen, Impfstoffbeschaffung oder Bildungsangelegenheiten während der Pandemie erarbeiten.

Redaktionsnetzwerk Deutschland (Bericht)


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9. März 2021