politnews – Bundestag nach der Sommerpause und NRW-Wahlanalyse

[ Mit Meldungen zu: Neuer Think Tank für Ökologie & Demokratie und Studien zu Ängsten der Deutschen, dem AfD-Abstimmungsverhalten sowie Repräsentationsdefiziten in Polit-Talkshows ]

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Die erste Sitzungswoche ist vollbracht und dem politischen Berlin mangelt es nicht an Gesprächsstoff. Die Affäre um Philipp Amthor hat den Stein um das Lobbyregister wieder ins Rollen gebracht, nun liegt ein Gesetzentwurf der Großen Koalition für ein verpflichtendes Verzeichnis vor. Nach Protesten von LobbyControl, Abgeordnetenwatch und der Opposition wurde nun auch das Kanzleramt und die Bundesministerien in den Entwurf eingeschlossen. Sabrina Winter hat für den Spiegel einen umfassenden Überblick zur Debatte verfasst.

Die Folgen des versuchten Sturm auf den Reichstag beschäftigen den parlamentarischen Betrieb auch noch zwei Wochen später. Die drei Polizisten, die dem anstürmenden Mob – darunter bekannte Rechtsextreme und viele Reichs(kriegs-)flaggen (politnews-Zusammenfassung) – Paroli boten, wurden im Bundestag mit stehenden Ovationen aller Parteien geehrt. Aller Parteien bis auf einer: Die AfD verwehrte den Applaus für die “Show-Veranstaltung” und erntete darauf harsche Kritik von PolizistInnen. Eine Schelte der empfindlicheren Sorte für die RechtspopulistInnen, da die AfD sich gern als Fürsprecherin der Polizei und Garant von Recht und Ordnung inszeniert.

Eine weitere Folge der Ausschreitungen: Der Bundestag diskutiert wieder verstärkt über einen Graben um das Reichstagsgebäude. Darüber gibt es bisher jedoch wenig Auskunft, was die Plattform „Frag den Staat“ zu einer Klage gegen den Bundestag gebracht hat. Auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes forderte die Initiative bereits im letzten Jahr mehr Transparenz “in Sachen Graben”. Die Verwaltung ist aber der Meinung, der dafür zuständige Ältestenrat sei nicht auskunftspflichtig, und so soll es auch bleiben: Die Gerichtskosten würden übernommen, wenn „Frag den Staat“ die Klage zurückziehe, so die taz über ein Angebot der Bundestagsverwaltung.

In Nordrhein-Westfalen stand ein wichtiger Stimmungstest an: In Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland fanden die Kommunalwahlen statt. Die CDU von Ministerpräsident Armin Laschet (-3,2 Prozentpunkte auf 34,3 %) und die Grünen (+8,3 auf 20 %) gingen als Sieger hervor, die SPD wurde zwar zweitstärkste Kraft, setzte aber den Abwärtstrend aus vorherigen Wahlen fort (-7,1 auf 24,3 %). Linke, AfD und FDP kamen auf Ergebnisse zwischen 3,8 % und 5,6 %.

Die Wahl war in vieler Hinsicht besonders: wegen der Corona-Pandemie wurde der Präsenzwahlkampf stark zurückgefahren, vor den Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen und das Abstimmen war nur mit Maske möglich. Der Anteil an BriefwählerInnen stieg auf 19 % (im Vergleich zu 13 % bei der Europawahl) – so hoch wie noch nie in NRW.

Für Armin Laschet stand am Sonntag vor allem seine Corona-Politik und damit auch seine Chancen auf CDU-Vorsitz und Kanzleramt auf dem Wahlzettel – und der Ministerpräsident kann zufrieden sein. Anfang Dezember entscheiden die Christdemokraten auf dem Parteitag in Stuttgart über den Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer.

Bei der SPD war man sich zuerst noch nicht ganz einig, wie das Ergebnis zu bewerten ist. Parteichef Norbert Walter-Borjans sprach von einer „Trendwende” und sieht „das Tal durchschritten“ (er bezog sich auf die Europawahl 2019). Co-Vorsitzende Saskia Esken scheint mit der Analyse eines „enttäuschenden Ergebnisses” in der ehemaligen sozialdemokratischen Herzkammer aber realistischer zu sein.

Alle Reaktionen der Parteien hat der Spiegel zusammengefasst und Ferdinand Otto zieht für die Zeit fünf Lehren aus der Kommunalwahl. Analysen des WDR zeigen das Wahlverhalten nach Altersgruppen und wahlentscheidenden Themen.

Mit besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff

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  • [ Maja Göpel gründet neuen Think Tank in Hamburg ]
    Die Politökonomin und Nachhaltigkeitsexpertin Maja Göpel wird wissenschaftliche Co-Direktorin des neuen Think Tanks „THE NEW INSTITUTE“, das Impulse für eine nachhaltige Wirtschaftsweise und die Zukunft der Demokratie entwickeln soll. Göpel ist eine der bekanntesten Stimmen für die ökologische Transformation. Geschäftsführer des in Hamburg ansässigen Instituts wird Wilhelm Krull, ehemaliger Direktor der Volkswagen-Stiftung. Finanziert wird das Projekt vom Unternehmer Erck Rickmers, der politisch bereits für die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft in Erscheinung getreten ist. ➡️ The New Institute (Website) | Süddeutsche (Meldung)
  • [ Deutsche trotz Corona so angstfrei wie seit mind. 30 Jahren nicht mehr ]
    Mit 37 % erreicht der durchschnittliche Index aller Ängste den niedrigsten Wert seit Beginn der Umfrage 1992. 53 % fürchten sich die meisten Deutschen vor den Folgen der Trump-Politik. Angesichts Corona hat die Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage stark zugenommen (48 %). Um 12 % sank der Anteil der Menschen, die Spannungen durch Migration erwarten, auf derzeit 43 %. Die im Auftrag der Raiffeisen- und Volksbanken Versicherung R+V durchgeführte Studie erfasst die Angst vor bestimmten Szenarien. ➡️ DW (Meldung) | R+V (Studie)
  • [ Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag ]
    Eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigt, dass das tatsächliche Wahlverhalten der AfD im Bundestag nicht der Fundamentalopposition entspricht, die sie nach außen hin kommuniziert. Das Ergebnis von 160 analysierten Abstimmungen ist eindeutig: 16 von 43 Drucksachen seitens der Bundesregierung wurde zugestimmt. Inhaltlich sind die Überschneidungen mit den Vorschlägen der FDP-Fraktion am höchsten. Die AfD lehnte nur die Hälfte der Vorschläge der Liberalen ab. Im Gegensatz dazu stimmte keine der anderen Fraktionen auch nur einem einzigen Vorschlag der AfD-Fraktion zu. ➡️ Süddeutsche (Meldung) | Rosa-Luxemburg-Stiftung (Studie)
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    Wie kann eine öffentliche Debatte geführt werden, nur eine kleine privilegierte Gruppe daran beteiligt ist? Diese Frage steht über den Ergebnissen einer Studie von Das Progressive Zentrum, die die Gäste und Themen von 1.208 Talkshows analysiert. Zwei Drittel der Teilnehmer:innen kommt aus Politik und Medien. Wiederum 70 % davon kommen aus dem Bereich der Bundespolitik, während EuropapolitikerInnen mit 7 % sowie die kommunale Ebene mit 2 % besonders selten vertreten sind. ➡️ NDR (Meldung) | Das Progressive Zentrum (Studie)


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14. September 2020