Editorial: Grüne Neuaufstellung +++ Meldungen: Radikalisierung bei Coronaprotesten, Pandemie als Antisemitismus-Treiber, Demokratieförderung in Ostdeutschland, Barrierefreiheit in digitaler Verwaltung, Nachhaltigkeitskodex für Stiftungen +++ Wahltrend: Union holt auf +++ Buch: Das wird unsere Stadt. Bürger:innen erneuern die Demokratie +++ Tweet: Not so beautiful – James Blunt droht Spotify +++ Jobs: Referent:in Business Development (ifok), Humanity in Action Fellow, Praktikant:in (streitgut), u.a. +++ Events: TikTok und Politik, wie passt das zusammen? (Konrad-Adenauer-Stiftung), Neue Regierung – Neue Außen- und Sicherheitspolitik? (Deutsche Atlantische Gesellschaft), Digitale Barrierefreiheit (CDR), u.a. +++ Stakeholder: Stiftung Bürger für Bürger
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Zeiten, in denen Grünen-Parteitage stürmische Angelegenheiten waren, sind vorbei. In Berlin wurde es am Wochenende nur über dem Tagungsort Velodrom ungemütlich. Das Format selbst hat seine postpubertären Zeiten (vorerst) hinter sich.
So wurden die Parteilinke Ricarda Lang aus Baden-Württemberg (75,93 %) und der hessische Realo Omid Nouripour (82,58 %) wie erwartet zur neuen Parteispitze gewählt. Lang ist mit 28 Jahren die bisher jüngste Vorsitzende der Grünen und auch historisch gesehen aller fraktionsstarken Parteien im Bundestag (siehe Grafik). Sie musste ihre Kür aber vor der Webcam zu Hause erleben, denn kurz vor der “#dbdk” wurde sie positiv auf das Coronavirus getestet.
- Was ihre Wahl für die Klimaschutzpartei bedeutet, hat der SWR in einem ausführlichen Podcast-Portrait besprochen.
- Wolfgang Weimer hat Nouripour, den “Außenminister in Reserve”, für n-tv portraitiert.
- Nicht nur die jüngste, auch die erste bekennende bisexuelle Parteivorsitzende ist Lang. Das Szenemagazin Schwulissimo hat deshalb analysiert, was die LGBTQ-Community von ihr erwarten kann.
- Tobias Schulze beleuchtet die sozialpolitische Glaubwürdigkeit und persönliche Armutserfahrungen der neuen Spitze (taz)
- Wie die neue Grünenspitze ihre Partei positionieren will, hat Constanze von Bullion ausführlich für die Süddeutsche analysiert.
- Felix Hackenbruch stellt alle neuen Gesichter des “BuVos” im Tagesspiegel vor.
- Über das lässige Adieu der Ex-Vorsitzenden berichtet Markus Decker (RND).
Ganz ohne Querschläger geht es bei den Grünen aber auch als Regierungspartei nicht: Mathias Ilka, der die Bewerbung Nouripours “halbherzig” und den Ampelvertrag als “Verrat an grünen Idealen” bezeichnete, stellte sich ebenfalls zur Wahl. Prompt gab es eine Watsche aus seinem eigenen Kreisverband Bergstraße: Ob er sich in diesem denn als Vorsitzender “zum ersten Mal” einbringen wolle, fragte ein Mitglied. t-online hat mit Ilka gesprochen.
Aber es gab noch mehr Personalentscheidungen: Emily Büning war zehn Jahre lang Organisatorische Bundesgeschäftsführerin und hielt in der Bundesgeschäftsstelle die Fäden zusammen, während Michael Kellner seit 2013 die politischen Strategien (mit)entwickelte. Nachdem er nun Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wurde, folgt ihm Büning als neue Politische Geschäftsführerin der Grünen. Constanze von Bullion hat sich für die SZ angeschaut, was auf die 36-jährige Hamburgerin jetzt zukommt.
Die Grünen regeln Personalfragen relativ reibungslos und bei der Union tobt ein Machtkampf? Ja, diese Zeile hätte auch vor ziemlich genau einem Jahr hier stehen können. Doch dieses Mal lassen die Konservativen es nicht darauf ankommen. Ralph Brinkhaus zieht im Kampf um den Fraktionsvorsitz gegen Friedrich Merz zurück.
- Dennoch: Keine guten Nachrichten für Merz meint Daniela Vates im RND.
- Noch mehr Rückendeckung für den neuen Parteichef analysiert Kristin Schwietzer hingegen für die ARD.
- Beide müssen aber die inhaltliche Neuausrichtung der CDU vorantreiben, die selbst vor der “C-Frage” nicht mehr zurückschreckt, beleuchtet Robert Roßmann für die Süddeutsche.
Alle Jahre wieder… verliert die AfD Vorsitzende, weil die Partei sich unter ihm oder ihr wegradikalisiert: Nach Konrad Adam, Bernd Lucke und Frauke Petry hat sich nun auch Jörg Meuthen verabschiedet. Einen Tag, nachdem er seine parlamentarische Immunität verlor (das RND berichtet), verkündete Meuthen, dass ihm seine Partei “sektenmäßig” erscheint. Die “totalitären Anklänge” würden ihn stören, verriet er der ARD (Video). Warum das scheinheilig ist, kommentiert Lothar Lenz für die Tagesschau. Weil “das” die AfD nicht verdient, verkündete übrigens Erika Steinbach ihren Beitritt in die Partei. Korrekt, sie, die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, war bisher noch kein Mitglied.
Bei dem freischwingenden Personalkarussell dieser Woche (mehr im politticker unten) könnte man fast vergessen, dass ganz nebenher auch noch regiert wird. Die Ampel feiert ihr fünfzigstes Tagejubiläum. Seit dem Tag der Wahl hat die ARD einige ihrer Protagonist:innen in ihrem Alltag bei der Regierungsbildung begleitet. Wer das ist und was Lars Klingbeil in seinem Büroschrank versteckt, erfährt man in der neuen Dokureihe “Die Gewählten” – frei verfügbar in der ARD-Mediathek.
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Radikalisierung: ISD besorgt über “Anti-Lockdown-Activity” in Deutschland
Die rasante Radikalisierung rechtsextremistischer und Verschwörungstheorien anhängender Gruppen ist eine besorgniserregende Entwicklung in Deutschland. Zu diesem Schluss kommt der Länderprofil-Report Deutschland des Institute for Strategic Dialogue (ISD). Insbesondere Angriffe auf die Wissenschaft, Misstrauen in demokratische Institutionen und die wachsende Gewaltbereitschaft prägen inzwischen die Anti-Corona-Maßnahmen-
Antisemitismus: Pandemie Brandbeschleuniger für Judenhass
Die Pandemie hat nach Einschätzung des Jüdischen Weltkongresses (WJC) antisemitische Tendenzen in Deutschland rasant verstärkt. In einer Umfrage des WJC zeigten 29 % der unter 30-jährigen Deutschen antisemitische Einstellungen, unter allen Erwachsenen waren es 21 %. “Die Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Menschen vergleichen den Holocaust verharmlosend mit Impfungen”, sagte WJC-Präsident Ronald Lauder der FAZ (€).
Handbuch: Handlungsperspektiven für Demokratieförderung in Ostdeutschland
Die Stiftung Bürger für Bürger hat ein Handbuch für Demokratieförderung in Ostdeutschland veröffentlicht. Darin werden sechs demokratische Säulen von einer repräsentativen Vertretung bis zur “Alltagsdemokratie”, wie sie beispielsweise im familiären Rahmen gelebt werde, definiert. Zu jeder Säule wurden Handlungsempfehlungen für die ostdeutschen Länder formuliert, u. a. mehr Beteiligungsangebote auf kommunaler Ebene und innerparteiliche Demokratiestärkung.
Studie: Digitale Verwaltung hat Probleme bei Barrierefreiheit
Die Barrierefreiheit der digitalen Verwaltung in Deutschland hat laut einer Kurzstudie des Kompetenzzentrums Öffentliche IT mit großen Mängeln zu kämpfen. Es gebe unter anderem Defizite in den Bereichen Wissen, der Priorisierung und der Regelgestaltung, so der Autor. Als Lösung werden vier Maßnahmencluster vorgeschlagen: “Kompetenz” soll unter anderem durch Fortbildungen erhöht, “Regeln” durch Vereinheitlichung verbessert, “Bewusstsein” durch höhere Diversität der Verwaltung geschaffen und “Ressourcen” in höherem Maß zur Verfügung gestellt werden.
Leitfaden: Nachhaltigkeitskodex für Stiftungen
Anhand des Deutschen Nachhaltigkeitskodex‘ (DNK) sollen Stiftungen ihr Nachhaltigkeitsmanagement künftig bewusster gestalten können. Darin hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen 20 Kriterien formuliert. Unter anderem sollen diese auf strategischer Ebene die “Tiefe der Wertschöpfungsketten” besser im Auge behalten. Der Kodex bietet außerdem Tipps, wie durch “Regeln” “Kontrolle” und “Anreizsysteme” ein besseres Prozessmanagement realisiert werden kann und berät in Umweltbelangen ebenso wie in gesellschaftlichen Fragen.
Parteien und Parlamente
- Bundestag: Verfassungsgericht lehnt AfD-Klage gegen 2G-plus-Regel im Plenarsaal ab
- Landtagswahl im Saarland: Frühe Umfragen sehen hohe Gewinne der SPD und knappes Rennen für Ministerpräsident Tobias Hans & Nach Ablehnung der Landesliste: Wahlausschuss lässt eine AfD-Wahlkreisliste für Saarbrücken zu
- Landtagswahl NRW: Ehemaliger Topberater Laschets Nathanael Liminski tritt als “Joker” für die Kölner CDU an & die Rolle von umstrittenen Umfragen (€)
- Bundestagswahl: Die Bundestagswahl könnte in Teilen von Berlin tatsächlich wiederholt werden müssen, so der Verfassungsblog
Personalien
- Bundespräsidentenwahl: Linke stellen Sozialmediziner Gerhard Trabert für Wahl auf & sieben Parteichefs unterschreiben für Steinmeiers Wiederwahl & AfD nominiert Werteunion-Chef Max Otte
- Boris Palmer will bei OB-Wahl in Tübingen als Parteiloser antreten
- Andrea Nahles soll Chefin der Bundesagentur für Arbeit werden
- Yasmin Fahimi soll als erste Frau DGB-Chefin werden
- Laschet zum Vizepräsidenten in Europarats-Gremium gewählt
- Neue Abteilungsleiterin für Gesundheitsschutz: Lauterbach macht Verbandschefin Ute Teichert zur Pandemiemanagerin
- Thomas Sattelberger wird neuer Beauftragter für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft
- Früherer deutscher Botschafter Dieter Haller darf nicht für Nord Stream 2 arbeiten
- Gutachten zu Doktorarbeit von Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey jetzt online einsehbar
Politische Kommunikation und Journalismus
- Diskussion über Gebärdennamen für Politiker:innen: Für Christian Lindner steht der Porsche
- Nach Beschwerden von Redaktion und Leserschaft: Frankfurter Rundschau will keine AfD-Anzeigen mehr bringen
- FragDenStaat hat ein Helpdesk zu Klimafragen für Journalist:innen und Interessierte gebaut
- Volker Banholzer über die Repolitisierung des Journalismus
- Abschied von Gruner + Jahr : Erst Dummheit, dann Mutwillen
Social Media
- Telegram: Innenministerin Faeser distanziert sich von eigener Abschaltdrohung & BKA richtet Taskforce für Strafverfolgung ein
- bitkom-Studie: Internetnutzung von Senior:innen steigt während Pandemie stark
Public Affairs
Gesellschaft
- Verfassungsschutz: “Freie Sachsen” als Verdachtsfall eingestuft
- “Neigungsgruppe G.”: Reservisten und ihr rechtsextremes Netzwerk, eine Recherche
- Medienpreis für digitale Aufklärung: Das sind Deutschlands Digital-Erklärer
- Max-Planck-Studie macht Überwachungslast der Gesellschaft quantifizierbar und warnt vor Überwachung im Übermaß
- Kommentar von Jana Faus: Frauen spielen endlich eine stärkere Rolle in der Bundespolitik. Zu einer wirklichen Gleichstellung ist der Weg aber noch weit. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache.
International
- Italien: Sergio Mattarella als Staatspräsident im achten Wahlgang wiedergewählt
- Portugal: Sozialisten holen absolute Mehrheit bei Parlamentswahl
- Ukraine: Boris Binkowska erklärt, warum die deutsche Debatte über den Konflikt falsch läuft (Twitter-Thread)
- USA: Joe Biden bei Beleidigung eines Fox-News-Reporters ertappt (Video)
- Vereinigtes Königreich: Boris Johnson könnte Party-Skandal wegen zensierten Berichts überstehen
Podcast
Paper
Die Beteiligung von Bürger:innen an politischen Entscheidungen gilt als sinnvolles Mittel, um der viel beklagten Entfremdung und Verdrossenheit gegenüber der Politik entgegenzuwirken. Wie die Partizipation auf kommunaler Ebene konkret aussehen kann, schildern Patrizia Nanz, Charles Taylor und Madeleine B. Taylor in “Das wird unsere Stadt”. Die drei renommierten Wissenschaftler:innen verdeutlichen an Beispielen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA, wie Bürger:innen gemeinsam mit der Lokalpolitik eigene Problemlösungen vor Ort entwickelt und umgesetzt haben. Sie machen klar, dass erfolgreiche und innovative Projekte bottom-up entstehen und ein neues demokratisches Selbstverständnis vor allem vor Ort gefördert werden kann.
Neil Young und Joni Mitchell haben ihre Musik von Spotify zurückgezogen, nachdem der Streamingdienst Aufforderungen, den impfkritischen Podcast von Joe Rogan zu entfernen, nicht nachgekommen ist. Nun hat auch James Blunt auf Twitter eine seine Musik betreffende Drohung ausgesprochen – allerdings sah die etwas anders aus.
Job der Woche
Fellowship der Woche
Humanity in Action Fellow (f/m/d)
Are you a current, full-time student or recent graduate in Europe and speak English fluently? Then become a Humanity in Action Fellow! The journey begins with a year-long Fellowship – starting in June. Apply until February 13, 2022 and become part of a new generation of social, cultural and political leaders.
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Sa, 05.02.2022
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Stiftung Bürger für Bürger
Die Stiftung Bürger für Bürger hat sich zum Ziel gesetzt, freiwilliges Engagement zu stärken, sichtbarer zu machen und einen öffentlichen Diskurs zu ermöglichen. Mit ihrem Sitz in Halle (Saale) fördert sie vorrangig das Engagement in Ostdeutschland. Seit Januar 2020 ist Olaf Ebert der geschäftsführende Vorstand der Stiftung.
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