Liebe Leserin, lieber Leser,
die schärfsten politischen Schwerter wirken im Waffenschrank besser als im Einsatz. Zeigt letzterer doch auch immer, dass man gezwungen ist, auf sie zurückzugreifen. Aber genau das tat Olaf Scholz in der letzten Woche, als er den Atom-Streit zwischen Grünen und FDP beziehungsweise Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner qua Richtlinienkompetenz beendete. Selbst mehrfache, vom Kanzler höchstselbst durchgeführte, Mediationen brachten vorher keinen Erfolg. Erstaunlicherweise wirkten alle Beteiligten nach dem Machtwort des Kanzlers aber fast erleichtert und gelobten Besserung.
War Scholz’ politischer Schachzug am Ende keine einsame Entscheidung, sondern ein Schachzug, der Habeck und Lindner ermöglichte, einigermaßen gesichtswahrend aus der Atomstreit-Nummer herauszukommen? Der SPIEGEL (€) hat den gesamten Disput im Detail rekonstruiert und auch diese Interpretation steht im Raum. Mehr Hintergründe zum „Machtwort”:
- Die Tagesschau mit einer juristischen Einordnung, was Richtlinienkompetenz eigentlich bedeutet.
- Die Richtlinienkompetenz kommt aus den genannten Gründen selten zum Einsatz. Michael Hesse erklärt für die Frankfurter Rundschau, wer sie bisher ausgeübt hat.
- Kristina Dunz sieht für das RND durch Scholz’ Ansage alle Ampel-Partner beschädigt.
- Der offizielle Brief, den das Bundeskanzleramt an die beiden Minister und Kollegin Lemke schickte.
- Brigitte Fehrle kommentiert für den Deutschlandfunk, welches Risiko Scholz mit seinem Machtwort eingegangen ist.
Wie eine formvollendete Regierungskrise aussieht, bei der auch keine Machtworte mehr helfen, konnte man in den letzten Wochen bzw. Monaten bzw. Jahren in Großbritannien beobachten. Es ist keine zwei Monate her, dass Liz Truss als neue Premierministerin vereidigt wurde und schon ist sie wieder Geschichte. Mit dem zweifelhaften Rekord der kürzesten Amtszeit in Number 10. Ihr zuvor unterlegener Konkurrent und ehemaliger Finanzminister Rishi Sunak wird nun Nachfolger. Florian Pütz mit allem, was man über den Millionär und neuen Regierungschef wissen muss. Zu welch rhetorischer Höchstleistung die Dauerkrisen-Berichterstattung aus Westminister Korrespondentin Dittert führte, zeigt unser Tweet der Woche (siehe unten).
Der im Juli zurückgetretene Churchill-Verehrer Boris Johnson brachte sich, wie sein Vorbild, auch kurzzeitig für eine Rückkehr ins Amt in Stellung. Gestern Abend gab er aber schon wieder auf. Selbst vielen Tories wäre das dann doch zu absurd gewesen.
- Internationale Pressestimmen zum Rücktritt von Liz Truss hat eurotopics gesammelt.
- Die verrückte Wette des Daily Star: Ein Salatkopf hielt länger durch als Truss.
- Der Verfassungsblog erklärt, was eine vor dem High Court klagende Schildkröte namens Archie mit dem katastrophalen Zustand der Tories zu tun hat.
Was Fluktuation an der Regierungsspitze angeht, liegt Großbritannien damit aber immer noch nicht auf italienischem Niveau. Dort übernahm am Samstag Giorgia Meloni als neue Regierungschefin – die 7. in den letzten 10 Jahren. Unter befreundeten Staaten verlangt die Gepflogenheit Glückwünsche bei Amtsantritt. So tat es – neben vielen anderen – auch Olaf Scholz. Auf diplomatisch formulierte Kritik an der Ultrarechten, wie sie Altkanzlerin Angela Merkel in ihre Glückwünsche an US-Ex-Präsident Donald Trump einbaute, verzichtete der Kanzler. Andererseits machte er implizit deutlich, dass er eine Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene erwarte und baute – ungewöhnlicherweise – ein Lob des Vorgängers Draghi in seine Glückwünsche ein. Scholz war mit seiner Gratulation an die „Postfaschistin” freilich nicht allein. Ursula von der Leyen ließ genauso wie andere Regierungschef:innen, darunter auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wissen, dass sie der neuen Regierung gutes Gelingen wünsche. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte zwar nicht Scholz, sondern von der Leyen, machte aber mit seinem Tweet sehr deutlich, was er von Glückwünschen an Meloni, für deren Bündnis eine Mehrheit der Italiener:innen in freien Wahlen stimmte, hielt.

In China sind solche Machtwechsel undenkbar, erst recht nach dem Kongress der Kommunistischen Partei, die eine Machtdemonstration von Staatspräsident und Generalsekretär Xi Jinping war. Xi hat die Partei noch weiter unter seine Kontrolle gebracht. Wie sehr, demonstrierte er auch mit der Demütigung des früheren KP-Chefs Hu Jintao, den er vor laufenden Kameras abführen ließ (Video). Stefan Kornelius kommentiert in der Süddeutschen (€), warum dieses Schauspiel nur für die Weltöffentlichkeit, nicht aber für die innerchinesischen Dynamiken von Belang war und wonach Xi als Nächstes zu greifen versuchen wird: Nämlich nach der Weltmacht.
Um China geht es auch, wenn Olaf Scholz demnächst ein weiteres Machtwort sprechen könnte, orakelt Philipp Eckstein. Dabei geht es um nichts Geringeres als seinen Heimathafen.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff
- Studentische Hilfskraft (w/m/d) ProjektZentrum BerlinStudentische Hilfskraft (w/m/d) ProjektZentrum BerlinStiftung Mercator | Berlin, Deutschland | Remote | Bewerbungsfrist: 27.06.2023 | Administration & Büromanagement, Eventmanagement, Projektmanagement
- Projektleitung (m/w/d) im Stiftungsbereich PlanetProjektleitung (m/w/d) im Stiftungsbereich PlanetAllianz Foundation | Berlin, Deutschland | Bewerbungsfrist: 21.06.2023 | Leitung & Management
- Mitarbeiter:in für Content- und Social-Media-Management (m/w/d)Mitarbeiter:in für Content- und Social-Media-Management (m/w/d)Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung (BKHS) | Hamburg, Deutschland | Bewerbungsfrist: 29.05.2023 | Kommunikation & Social Media
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- Praktikant:in (m/w/d) im Bereich Public AffairsPraktikant:in (m/w/d) im Bereich Public AffairsBertelsmann | Berlin, Deutschland | Remote | Bewerbungsfrist: laufend | Research
- Mercator Fellowship-ProgrammMercator Fellowship-ProgrammStiftung Mercator | Remote | Bewerbungsfrist: laufend | Kreation, Projektmanagement
- (Senior) Communications Manager (m/w/d)(Senior) Communications Manager (m/w/d)JoinPolitics | Berlin, Deutschland | Bewerbungsfrist: laufend | Kommunikation & Social Media
Die 96 deutschen Abgeordneten sind die im Verhältnis zu ihrer Größe die einflussreichste und aktivste Delegation des Parlaments. Das geht aus einer Studie der Forschungsplattform EU-Matrix hervor. Demnach haben die hiesigen MdEP insbesondere durch viele leitende Positionen in Verwaltung, Fraktionen und Ausschüssen besonderen Einfluss. Als einflussreichste Abgeordnete wurden Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und EVP-Chef Manfred Weber eingestuft.
Weltweit leben nur noch 11 % der Menschen in Staaten mit ungehinderter Meinungsfreiheit, so der diesjährige Atlas der Zivilgesellschaft. Demnach leben 88 % aller Menschen in Staaten, in denen die Zivilgesellschaft „beschränkt“ (18 %), „unterdrückt“ (44 %) oder „geschlossen“ (26 %) ist. 14 Staaten wurden herabgestuft, darunter Belgien und Tschechien (von „offen“ zu „beeinträchtigt“), Polen (von „beeinträchtigt“ zu „beschränkt“) und Belarus (von „unterdrückt“ zu „geschlossen“). Lediglich die Mongolei konnte sich…
Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre hat einen nachhaltigen Effekt auf die Wahlbeteiligung, so eine Analyse der London School of Economics. Junge Menschen, die bereits im Alter von 16 oder 17 Jahren wählen konnten, beteiligen sich auch nach ihrem achtzehnten Lebensjahr überdurchschnittlich an Wahlvorgängen. So verzeichnen Bundesländer mit einem Wahlalter von mindestens 16 Jahren einen durchschnittlichen Anstieg der Wahlbeteiligung von 4,6 Prozentpunkten bei den 18- bis 20-Jährigen und 8,6…
Die politischen Ränder fühlen sich besonders stark durch steigende Heizkosten belastet. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (€) gehören 19 % derjenigen, die sich stark bis sehr stark durch steigende Heizkosten belastet fühlen, dem rechtsradikalen oder ausgeprägt rechten Spektrum an. 14 % werden der ausgeprägt linken oder linksradikalen Wähler:innenschicht zugeordnet. Lediglich 35 % der durch die Heizkosten stark Belasteten gehören der politischen Mitte an. Thomas Petersen, Herausgeber der Umfrage,…
Ein Text über das Metaverse hat den Medienpreis für digitale Aufklärung gewonnen. Am 19. Oktober wurden insgesamt sechs herausragende journalistische Beiträge zur digitalen Transformation der Gesellschaft ausgezeichnet. Gewinner der Kategorie Geschriebenes Wort ist Gabriel Rinaldi mit „Leben wir bald im Metaverse“. SWR-2-Reporter David Beck setzte sich in der Kategorie Gesprochenes Wort mit „Wie sich das Internet abschalten lässt“ durch. Mit dem Sonderpreis „Bewegtbild“ ehrte die 7-köpfige Jury einen Faktencheck zu…
- Nächster Todesfall in Putins Umfeld: Russischer Rekrutierungschef tot aufgefunden
- SPD: Mützenich fordert mehr Diplomatie von Baerbock & Lars Klingbeil gesteht Fehler in der Russland-Politik ein
- Anhörung im Bundestag: Deutsche Geheimdienste warnen laut Bericht vor russischen Aktionen
- Dokumentation: Occupied – Drei Monate im besetzten Cherson (Video, englisch)
- Kommentar: Was sind die richtigen Begriffe und Bezeichnungen im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine?
- Hintergrund: Olena Selenska über das Leben und den Alltag ihrer Familie im Krieg
- Analyse: Russlands diffuse Nuklearrhetorik im Krieg gegen die Ukraine
- Analyse: Warum die Cybertruppen Russlands verschwunden sind
- OB-Wahl in Tübingen: Boris Palmer erringt absolute Mehrheit im ersten Wahlgang
- AfD: Verfassungsschutz darf hessische AfD vorerst nicht beobachten & Parteikandidat scheitert nochmals bei Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten
- CDU: Baden-Württembergs Innenminister Strobl will wegen sogenannter Brief-Affäre Geldauflage annehmen
- Linke: 13 Vorstandsmitglieder in NRW kündigen Rückzug an & Abgeordnete im EU-Parlament verzichten auf Diätenerhöhung
- Wiederholung der Bundestagswahl: In zwei Berliner Wahlkreisen wird es knapp
- Bundestag: Nebeneinkünfte von Abgeordneten werden zum Teil erst 2023 öffentlich & So heißt das Maskottchen der Kinderkommission
- Analyse: Statt Klassenkampf führt die AfD einen Kulturkampf
- Kevin Kühnert spricht über seine Beziehung: „Diese jungen Menschen brauchen Vorbilder, und sie müssen erfahren, dass es völlig okay ist, einen Mann oder eine Frau gleichen Geschlechts zu lieben.”
- Engagiert und attackiert: Wenn Politiker zur Zielscheibe werden (Video)
- Innovative Sozial-Unternehmer:innen: Die neuen Ashoka Fellow stehen fest: u. a. mit Fragdenstaat.de und Brand New Bundestag
- FDP-Kontakte mit Porsche: Bundesministerium für Digitales und Verkehr will Lobbyist:innen vor Transparenz bewahren
- Sahra Wagenknecht: Linken-Politikerin nennt Grüne gefährlichste Partei im Bundestag, sorgt für Proteste
- „Stop scanning me“: Europaweite Kampagne gegen Chatkontrolle gestartet
- Bundestagspräsidentin Bärbel Bas: Was sie gegen die wachsende Entfremdung zwischen Bürger:innen und Politiker:innen tun will
- Kommentar: Interessenkonflikte im Journalismus offenlegen
Oliver Schröm & Oliver Hollenstein
Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht
Die derzeit diskutierte Entscheidung des Kanzleramts, Teile des Hamburger Hafens gegen den Widerstand von sechs Bundesministerien an einen chinesischen Staatskonzern zu verkaufen, wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die Führungsweise von Olaf Scholz, sondern auch auf seine Beziehung zur Hansestadt. Seine Zeit als Hamburger Bürgermeister zwischen 2011 und 2018 wird nämlich immer noch vom Warburg-Skandal überschattet, den Oliver Schröm und Oliver Hollenstein in ihrem aktuellen Buch chronologisch aufarbeiten. Im Zentrum steht die Frage, ob die Inhaber der stadtbekannten Warburg-Bank damals in mehreren Treffen Einfluss auf Olaf Scholz genommen haben, um mit Cum-ex-Geschäften ergaunerte Steuermillionen nicht an den Staat zurückzahlen zu müssen.
Die beiden Journalisten beschreiben zum einen den Fall Warburg, inklusive vieler Indizien und Merkwürdigkeiten – und entfalten dabei ein eindrückliches Panorama der Verbindungen von Politik, Behörden und Wirtschaft in der Hansestadt. Zum anderen geben sie aber auch spannende Einblicke in den Kreis der Vertrauten um den heutigen Bundeskanzler und in die „Methode Scholz”: Akten fressen, Coolness zur Schau stellen, Niederlagen an sich abperlen lassen. Aber die Schilderungen seines politischen Wirkens in Hamburg sowie der Reaktionen auf die Warburg-Enthüllungen zeigen ebenso, was passiert, wenn er und sein Umfeld unter Druck geraten. Ein Must-read für alle politischen Beobachter der Bundesregierung.
Benjamin Triebe
Frau Dittert flucht
Im Vereinigten Königreich liegen die Nerven blank. Wie blank, das konnte man in der Tagesschau besichtigen. Annette Dittert, ARD-Korrespondentin in London, fluchte in ihrer Schalte wie ein Bierkutscher. Es waren allerdings nicht ihre Worte, sondern sie zitierte lediglich, was sich kurz vor Liz Truss’ Rücktritt in den Räumen des britischen Unterhauses abspielte. Nicht nur die Briten feierten es; Frau Dittert ging viral.
Mareile Ihde
Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung
Das 2014 gegründete Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) hat die Aufgabe, den sicheren Umgang mit hochradioaktiven Hinterlassenschaften zu bewerkstelligen. Zu den Aufgaben von BASE gehören Regulierungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsaufgaben im Bereich Endlagerung und Zwischenlagerung sowie die Koordination von Forschungsprojekten. Das Amt wird von Wolfram König geleitet. Im Rahmen der aktuellen AKW-Debatte hat sich BASE vor allem mit Fragen der Sicherheit beschäftigt.
Gregor Bauer
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