Frauen in der Landespolitik

Frauen machen einen verhältnismäßig kleinen Anteil aller Politiker:innen aus, insbesondere auf Landesebene und in Führungspositionen. Woran liegt das, wie hat sich die Lage historisch entwickelt und wohin führen aktuelle Entwicklungen? Darüber möchte dieses Dossier einen Überblick bieten.


Wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Frauen in der Politik historisch und aktuell stark unterrepräsentiert. Insbesondere auf Landesebene sind Männer deutlich in der Mehrzahl vertreten, weibliche Ministerinnen und Ministerpräsidentinnen stellen nur einen geringen Anteil dar. So ist etwa das Saarland das einzige Bundesland, in dem seit Gründung der BRD mehr als eine Ministerpräsidentin im Amt war.

Allmählich lassen sich jedoch Fortschritte beobachten: Das Berliner schwarz-rote Kabinett ist beispielsweise das weiblichste in der Geschichte der Hauptstadt, hier überwiegt der Frauenanteil sogar. Doch warum sind derartige Konstellationen so selten – und was lässt sich tun, um mehr Frauen in der Landespolitik zu Erfolg zu verhelfen und so eine angemessene Repräsentation herzustellen?

Sie werden als Frau immer nur dann etwas, wenn Männer eine Sache in den Sand gesetzt haben.

Heide Simonis

Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren lediglich acht Ministerpräsidentinnen im Amt – im Gegensatz zu 142 Männern. Die Gründe dafür sind vielfältig und lassen sich laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung vor allem in drei verschiedene Faktoren unterteilen. Zum einen beeinflussen traditionelle Geschlechterrollen und geschlechtsspezifische Sozialisationsstrukturen die Berufswahl und damit die Entscheidung von Frauen für bzw. gegen eine politische Karriere.

Weiterhin spielen männlich geprägte Parteistrukturen eine große Rolle: Hierzu zählen Punkte wie der hohe Zeitaufwand, die mangelnde Familienvereinbarkeit und weit verbreitete geschlechtsspezifische Stereotype, gegen die Frauen ankämpfen müssen. Ebenfalls sind Kommunikations- und Umgangsformen regelmäßig grundlegend sexistisch und erschweren Frauen den Zugang zu politischen Institutionen.

Wir fordern Sie alle auf, den alltäglichen Sexismus hier im Parlament einzustellen!

Waltraud Schoppe

Abschließend wird auch das Wahlrecht als Einflussfaktor genannt, der Frauen tendenziell benachteiligen kann: Bei reinem Verhältniswahlrecht lassen sich durch Quotenregelungen leichter höhere Frauenanteile erreichen als bei Mehrheitswahlrecht. Da in Deutschland mit dem personalisierten Verhältniswahlrecht eine Mischform vorliegt und Frauen seltener für Direktmandate nominiert werden, entstehen schlechtere Wahlchancen.

So zeigt sich, dass die Parteien letztendlich die entscheidenden Akteure sind, die einen höheren Frauenanteil erreichen könnten.

Doch welche Maßnahmen und Regelungen können Parteien und andere Akteur:innen implementieren, um Frauen zu mehr Chancengleichheit zu verhelfen? Am häufigsten finden sich in der deutschen Parteipolitik Quotenregelungen und Paritätsgesetze. Die Geschichte der Paritätsgesetze ist bisher jedoch eine erfolglose: Nachdem 2019 gleich zwei Bundesländern solche Regelungen einführten – Brandenburg als Vorreiter und kurz darauf Thüringen – wurden beide Gesetze im Jahr 2020 durch das jeweilige Landesverfassungsgericht gekippt. Begründet wurden diese Entscheidungen durch die Berufung auf die Wahlvorschlagsfreiheit und Chancengleichheit der Parteien sowie die passive Wahlrechtsgleichheit. Im April 2023 unternahm das sächsische Kabinett einen neuen Versuch und legte einen Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz vor, das jedoch keine Paritätsvorschriften enthält.

Ausschlaggebend sind daher eher parteiinterne Regelungen zur Wahllistenaufstellung. Hier geht jede der großen deutschen Parteien einen eigenen Weg: Grüne, Linke und SPD streben durch ähnliche Regelungen einen Frauenanteil von 50% an, Regelungen der CDU sehen zumindest ein Quorum von einem Drittel vor. Im Falle der CSU sind 40% der Parteiämter an Frauen zu vergeben, keine Quotierungsregelungen haben dagegen FDP und AfD.

Die Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.

Käte Strobel

Es zeigt sich also, dass auf dem Weg zur Gleichstellung noch einiges geschehen muss – und dass der ideale Weg, Barrieren für Frauen in der Politik zu beseitigen, noch gefunden werden muss. Erst durch die angemessene Repräsentation von Frauen auf jeder politischen Ebene lässt sich sicherstellen, dass die Interessen und Anliegen von Frauen angemessen vertreten und beachtet werden.

An dieser Stelle zum Thema Repräsentation noch ein Disclaimer: Über die Mann-Frau-Dichotomie hinausgehend ist es von ebenso großer Relevanz, die Belange von nicht-binären Menschen auf politischer Ebene angemessen zu repräsentieren. Der Fokus dieser Seite auf Frauen soll nicht implizieren, dass sich Geschlechtsidentitäten auf weiblich und männlich reduzieren lassen.


Aktuelle Lage in den Landesregierungen

Spannend ist nun der Blick auf aktuelle Landesregierungen hinsichtlich der Rolle von Frauen bei der Minister:innen-Besetzung und in den Parteien.

Im Vergleich der Bundesländer zeigen sich starke Schwankungen hinsichtlich des Anteils an Ministerinnen: Besonders in Berlin und Rheinland-Pfalz überwiegt der Frauenanteil eindeutig, in Bayern und Sachsen dagegen machen Frauen lediglich ein gutes Fünftel der Minister:innen aus.

Untenstehende Grafik zeigt den insgesamten Vergleich von Frauen vs. Männern in Ministerpositionen: Mit 54.5% überwiegt der Männeranteil noch immer.

Wie viele weibliche Ministerinnen stellen die verschiedenen Parteien in allen Bundesländern zusammengenommen? Spitzenreiter sind die Grünen und die Linken – beides Parteien mit paritätisch geregelter Listenaufstellung.

Geschichte

Neben dem Blick auf die aktuelle Lage ist es ebenso relevant, einen Blick auf die historische Entwicklung und die Meilensteine der letzten Jahrzehnte zu werfen.

Wie hat sich die Zahl der Ministerpräsidentinnen seit 1990 entwickelt? Es zeigen sich im zeitlichen Vergleich starke Schwankungen – die Zahl ging jedoch nie über vier gleichzeitig hinaus.

In welchen Bundesländer diese Ministerpräsidentinnen an der Macht waren, zeigt diese Karte. Ganz vorne liegt das Saarland, wo bereits drei Ministerpräsidentinnen regierten.

Die ersten Minister- und Landtagspräsidentinnen, die ersten Oberbürgermeisterinnen, der höchste Frauenanteil: Von Frauen wurden in den vergangenen Jahrzehnten viele Meilensteine gesetzt und noch immer gibt es viele Frauen in Vorreiter:innen-Positionen. Unsere Timeline gibt einen Überblick über ausgewählte Ereignisse seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Louise Schroeder als kommissarische Oberbürgermeisterin von Groß-Berlin und damit erste Frau an der Spitze einer Landesregierung

Grüne beschließen die Frauenquote bei der (Bundes- und Landes-)Listenaufstellung (Teil des Frauenstatuts)

erste Landtagspräsidentinnen in Hamburg (Elisabeth Kiausch, SPD) und Schleswig-Holstein (Lianne Paulina-Mürl, SPD)

Wiedervereinigung und daher Wachstum des Anteils weiblicher Abgeordneter

Heide Simonis (SPD) als erste Ministerpräsidentin in der Geschichte der BRD

höchster Frauenanteil im Berliner Abgeordnetenhaus (bis 2023)

Christine Lieberknecht (CDU) als zweite Ministerpräsidentin

Hannelore Kraft (SPD) als erste Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen und als dritte Ministerpräsidentin in der Geschichte der Bundesrepublik

Annegret-Kramp-Karrenbauer (CDU) als erste Ministerpräsidentin im Saarland und als vierte In der Geschichte der Bundesrepublik

Malu Dreyer (SPD) als erste Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz

Anteil der weiblichen Mandatsträgerinnen in vielen Landesparlamenten rückläufig

Manuela Schwesig (SPD) als erste Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern

Paritätsgesetze in Brandenburg (Februar) und Thüringen (Juli)

Paritätsgesetze durch Landesverfassungsgerichte gekippt

Franziska Giffey (SPD) erste Regierende Bürgermeisterin in Berlin

Höchster Frauenanteil im Berliner Abgeordnetenhaus (40%)

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