Die späte Genugtuung des Friedrich Merz

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Editorial: Die späte Genugtuung des Friedrich Merz +++ Meldungen: #Fehlerkulturchallenge, staatliche Transparenz nur gegen Gebühren, politisch motivierte Straftaten auf Höchststand, Kandidat:innen für Brand New Landtage und Diskurse über den ländlichen Raum +++ Wahltrend: Leichte Verluste bei SPD und FDP +++ Buch: Final Call. Wie Europa sich zwischen China und den USA behaupten kann +++ Tweet: Boris is naughty +++ Jobs: Geschäftsführung (D64), Referent:in für Public Affairs (bitkom), Referent:in für Business Development (ifok), Fellowship „Thinking of Europe“, u.a. +++ Events: New Generation of German MPs Take Charge (GMF), Korruptionsbekämpfung (Wie ambitioniert ist die Ampel? (Transparency International), u.a. +++ Stakeholder: Christlich Demokratische Union (CDU)

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Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie das Gefühl der späten Genugtuung? Wenn die lange ausgebliebene Bestätigung eine Durststrecke an Enttäuschung und Frustration auslöscht? Vielleicht sind Sie aber ein ausgeglichener Mensch, dem Machtspiele und Ego-Fehden fremd sind. Was dann nur die Frage auftun würde, was Sie im Politikbetrieb verloren haben. Doch ernsthaft: Die großen politischen Geschichten zeichnen sich oft durch langanhaltende und emotionale Duelle aus, ob parteiintern oder zwischen den Lagern.

Fast genau 20 Jahre ist es nun her, dass Friedrich Merz von einer gewissen Angela Merkel um den Fraktionsvorsitz gebracht worden ist. Der SWR2 rekonstruiert die Geschehnisse in einem Kurzbeitrag in seinem Audio-Archiv.

Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag 2019. Foto: Olaf Kosinsky

Man muss Merz nicht mögen, um anzuerkennen, dass es eine gehörige Portion Ausdauer und Leidensfähigkeit braucht, um von dieser Niederlage und mehreren erfolglosen Anläufen seinen Weg bis zum 22. Januar 2022 zu gehen.

Denn am Samstagmittag endete Merz’ Leidensweg mit 94,6 % bei der Wahl zum zehnten Vorsitzenden der CDU. Ein sehr gutes Ergebnis, auch wenn man einberechnet, dass die Union nicht dazu neigt, Vorsitzenden bei Wahlen Denkzettel zu verpassen. Denn die Partei ist beziehungsweise war zwischen dem konservativen Merz-Lager und seinen ehemaligen moderateren Gegenkandidat:innen Röttgen, Laschet, Kramp-Karrenbauer und Braun gespalten. Wie emotional Merz seine Wahl annahm im Video.

An so einem Wochenende wird ihn auch eine Absage seiner Parteifreundin Angela Merkel nicht zu sehr betrübt haben. Einem von ihm ausgerichteten Dinner mit ehemaligen CDU-Vorsitzenden blieb sie – genauso wie ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer – aus „terminlichen Gründen“ fern. Auch den Ehrenvorsitz der CDU wollte Merkel nicht. Es „passe nicht mehr in die Zeit“. Der letzte Ehrenvorsitzende war übrigens Helmut Kohl, bis er im Zuge der Spendenäffäre im Jahr 2000 auch dieses Amt zurückgeben musste. Damit legte die ehemalige Kanzlerin einen respektablen Korb-Hattrick hin: Denn ein Job-Angebot des UN-Generalsekretärs für die Leitung eines Beirats für globale Fragen konnte sie ebenfalls nicht überzeugen.

Doch nicht nur der Vorsitz wurde auf dem CDU-Parteitag neu bestimmt, sondern auch….

  • …der neue Generalsekretär Mario Czaja mit 92,89 % Zustimmung. n-tv über den „Linken-Schreck“ aus Ost-Berlin.
  • …die neuen stellvertretenden Vorsitzenden: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer fährt das stärkste Ergebnis mit 92,65 % ein, dahinter Carsten Linnemann (82,06 %), Silvia Breher (81,95 %) und Andreas Jung (80,59 %). Mit einem schwachen Ergebnis (70,83 %) konnte sich auch die Schleswig-Holsteinische Bildungsministerin Karin Prien knapp durchsetzen.
  • … weitere 7 Mitglieder des Präsidiums: Karl Josef Laumann (83,66 %), Reiner Haseloff (82,83 %), Bernd Althusmann (81,57 %), Ines Claus (71,94 %), Ronja Kemmer (70,05 %), Ina Scharrenberg (68,38 %) und Jens Spahn (60,21 %). Für den ehemaligen Bundesgesundheitsminister ist das Ergebnis eine Klatsche. Julia Klöckner ist neue Schatzmeisterin (72,69 %).
  • Alle Ergebnisse hat die CDU aufgelistet.
  • Mit der Vorsitzenden der Frauenunion Annette Widmann-Mauz (45,45 %) und der ehemaligen Bildungsministerin Anja Karliczek scheiterten zwei Spitzenfrauen mit ihren Kandidaturen.
  • Im Hintergrund schwelt weiter der Machtkampf zwischen Merz und Fraktionschef Ralph Brinkhaus, dessen Job der Neuvorsitzende auch übernehmen möchte. Wie es um das Kräftemessen um die Oppositionsführerschaft steht, weiß n-tv.
  • Merz kommt, Laschet geht: Wie Armin Laschet letztlich mit Anstand scheiterte, zeigt Uli Hauck für die Tagesschau.

In ausführlichen 44 Minuten hat der SWR2 in Audio beleuchtet, wohin der neue Captain den alten christdemokratischen Tanker führen könnte. Der Frage, ob er Mann des Aufbruchs oder One-Hit-Wonder wird, hat sich Daniela Vates für das RND angenommen.

Bei den Grünen wird man nicht unglücklich über das Timing des CDU-Parteitags gewesen sein, nimmt er doch ein wenig von den eigenen Negativschlagzeilen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen des Verdachts auf Untreue aufgenommen. Es geht um Zahlungen eines Coronabonus in Höhe von 1.500 Euro des Bundesvorstands an sich selbst. In einem Gastbeitrag für den SPIEGEL analysiert Thomas Fischer den Fall ausführlich.

Und es gibt Neuigkeiten von der Zentrumspartei. Ja, genau. Denn der (jetzt) ehemalige AfD-Abgeordnete Uwe Witt hat seinen Austritt aus der Rechtsaußen-Partei und Eintritt in die Deutsche Zentrumspartei (DZP) erklärt. Die Traditionspartei ist damit erstmals seit 1957 wieder im Bundestag.

Uwe Witt (DZP). Foto: Olaf Kosinsky
So sind im aktuellen zwanzigsten Bundestag so viele Parteien (nämlich neun) vertreten wie seit dem ersten nicht mehr. Wie Stefan Seidler für den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) ist Witt nun das Ein-Mann-Sprachrohr einer ganzen Partei im wichtigsten Parlament des Landes. Die FAZ berichtet über den Fall.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
Philipp Sälhoff
ckpt2022
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#Fehlerkulturchallenge: Konstruktiverer Umgang mit Fehlern in der Politik

Gibt es eine politische Entscheidung, von der Sie rückblickend sagen würden, sie war falsch? Das sollen Politiker:innen per selbstgedrehtem Smartphone-Video für die #Fehlerkulturchallenge eingestehen. Zudem sollen sie erklären, was daraus gelernt wurde. So will die Initiative der gemeinnützigen Hertie Stiftung einen Austausch über den lernenden Umgang mit Fehlern in der Politik anregen.

Transparenz: Verwaltung verhindert Auskünfte durch hohe Gebühren

Bundesbehörden verhindern die Umsetzung des Informationszugangsrechts systematisch durch hohe Gebühren. So sieht es die Transparenz-NGO FragDenStaat. Laut einer Auswertung der Initiative ist Deutschland eines von wenigen EU-Ländern, das Gebühren für rechtlich garantierte Auskünfte verlangt. Rund zwei Drittel der Personen, denen Gebühren angekündigt werden, ziehen ihre Anfrage zurück. FragDenStaat hat auf Basis dieser Daten eine Verfassungsklage eingereicht und fordert kostenlose staatliche Informationsauskunft.

Bundeskriminalamt: Politisch motivierte Kriminalität auf Höchststand

Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland so viele Straftaten mit politischem Hintergrund wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Das gab das Bundeskriminalamt auf eine Anfrage des AfD-Abgeordneten Martin Hess bekannt. Demnach wurden 2021 nach vorläufigen Daten insgesamt 47.303 politisch motivierte Delikte verübt, ein Anstieg um knapp 6 %. Verantwortlich für die Zunahme sind insbesondere Straftaten, die weder dem rechten noch dem linken Spektrum zuzuordnen wären. Der größte Anteil mit mehr als 19.000 Delikten war, wie im Vorjahr 2020, rechts motiviert. Auch die Zahl bewaffneter Rechtsextremer steigt stark an.

Nachwuchsförderung: Brand New Bundestag kürt Kandidat:innen für Landtage

Brand New Bundestag (BNB) hat die sieben Förder-Kandidat:innen für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen verkündet. Darunter der Klimaaktivist Maximilian Reimers (Die Linke) und der aus Syrien geflohene SPD-Politiker Tarek Saad. Weitere Kandidat:innen sind  Stefan Schneidt (SPD), Nelly Waldeck (Grüne), Rupy David (Grüne) sowie Antje Grothus (Grüne). Alle Kandidat:innen werden von BNB mit strategischer Beratung, Workshops und Hilfe bei Crowdfunding unterstützt.

Meta-Studie: Ländlicher Raum als Experimentalraum für Ausgleichspolitik

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 ist der Diskurs über Stadt und Land von Ausgleichskonzepten geprägt. Das geht aus einer Metastudie des Bucerius Lab der ZEIT-Stiftung hervor. Die Autor:innen haben wissenschaftliche Quellen sowie politische Dokumente über die Stadt-Land-Beziehung in Deutschland systematisch ausgewertet. Demnach sind Ausgleichskonzepte wieder in den Vordergrund gerückt. Die zwei dominanten Stränge der letzten Jahre seien die Digitalisierung als Treiber regionaler Entwicklung und die Förderung direkter politischer Teilhabe.

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Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gerichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

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Die aktuelle russische Herausforderung im Ukraine-Konflikt führt wieder einmal vor Augen, wie schwierig die außenpolitische Lage für Europa seit einiger Zeit ist. Zukünftig muss sich die EU zudem noch stärker im heraufziehenden Konflikt zwischen den USA und China positionieren, wie die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer in ihrem Buch “Final Call” analysiert. Die Sonderberaterin des EU-Außenbeauftragten beschreibt schonungslos die Probleme des europäischen Projekts, das politisch und wirtschaftlich unter Druck geraten ist. Es sei aber noch Zeit zu handeln: Die EU müsse endlich ihre innere Handlungsfähigkeit stärken und nach außen strategischer auftreten, so Schwarzer, um im Systemkonflikt mit autoritären Staaten wie China und Russland bestehen zu können.

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Ein altes Sprichwort sagt: “Kindermund tut Wahrheit kund”. Und die Wahrheit hat das kleine Mädchen in unserem Tweet der Woche in jedem Fall gesagt. Partypremierminister Boris Johnson war naughty.

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Job der Woche

Du suchst nach einem Job, bei dem Du einen politischen Impact haben kannst? Beim D64 – Zentrum für Digitale Fortschritt e.V. hast Du die Chance, als Geschäftsführer:in einen gemeinnützigen Verein zu leiten. Zu Deinen Aufgaben gehören organisatorische Tätigkeiten, die Leitung des Tagesgeschäfts und die Teilnahme von Veranstaltungen in Berlin. Voraussetzungen für die Stelle sind Kommunikationsstärke und Organisationstalent sowie digitalpolitische Kenntnisse in Deutschland und Europa.

Fellowship der Woche

Fellowship “Thinking of Europe” – Soziale Gerechtigkeit, Digitalisierung & die Klimakrise

Möchtest Du dazu beitragen, die Demokratie in Europa zu stärken und Jugendlichen politische Bildung näherzubringen? Understanding Europe vergibt sechs Fellowships an junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, die von März bis August 2022 eigene Workshops für Schüler:innen erarbeiten, um deren Demokratieverständnis zu fördern. Die Bewerbungsfrist endet am 31. Januar 2022.

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Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)

Die Partei Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) wurde 1945 gegründet und beschreibt sich selbst als Volkspartei der Mitte, die mit ihren Themen Bürger:innen aus allen Schichten und Gruppen ansprechen möchte. Ihre Grundwerte sind christlich geprägt. Die Bundesgeschäftsstelle befindet sich im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. Seit Januar 2022 ist Friedrich Merz Parteivorsitzender und Mario Czaja Generalsekretär.

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24. Januar 2022