AfD in der Radikalisierungsspirale

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Editorial: AfD in der Radikalisierungsspirale +++ Meldungen: Bundeskanzler startet neues Video-Format, Neue Netflix-Politserie Rein Privat, Das Progessive Zentrum stellt sich neu auf, Wie Paare über Politik sprechen, EDITION F Award für Frauen in der Politik u.v.m.  +++ Wahltrend: Grüne weiter im Aufwind +++ Buch: 100 Karten über die Ukraine +++ Tweet: DJs aus Moskau +++ Jobs: Bereichsleitung “Umwelt und Nachhaltigkeit” (DLR), Projektmanager:in Bereich Europa in der Welt (Stiftung Mercator), Werkstudent*in Kommunikation & Projektmanagement (More in Common) u.v.m.+++ Events: Bürgerräte in Ost und West (Es geht LOS) +++ Stakeholder: Bundesamt für Verfassungsschutz

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Liebe Leserin, lieber Leser,

das sächsische Riesa ist kein schlechtes Pflaster für die AfD: 29,1 % holten die Rechtsnationalen hier bei der letzten Bundestagswahl. Selbst für sächsische Verhältnisse beachtlich. Nun sollte aus der Elbstadt als Schauplatz des 13. AfD-Bundesparteitags ein Aufbruchsignal ausgehen.

Denn es sieht nicht gut aus für die AfD. Nicht nur, dass die politische Agenda gerade wenig Raum für ihre Themen bietet. Bei neun Landtagswahlen in Folge setzte es Verluste, in Schleswig-Holstein ist die Partei sogar erstmals wieder aus einem Landesparlament geflogen. Fast 10.000 Mitglieder haben die Partei seit November verlassen. Auch bekannte Köpfe warfen das Handtuch, darunter der Ex-Parteivorsitzende Jörg Meuthen, der jetzt in der Zentrumspartei ist. Inzwischen sind vier von fünf ehemaligen Bundesvorsitzenden aus der AfD ausgetreten.

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Einen kleinen Sieg gab es aber im Vorfeld des Parteitags. Das Bundesverfassungsgericht rügte eine Aussage von Angela Merkel aus dem Jahr 2020: Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich ließ sich damals mithilfe von AfD-Stimmen zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen. Die damalige Kanzlerin nannte den Vorgang “unverzeihlich”. Die AfD klagte wegen Verletzung der Neutralitätspflicht, Karlsruhe gab der Partei Recht. Verfassungsrechtler Florian Meinel argumentiert hingegen in der ZEIT: “Wer regiert, sollte alles sagen dürfen”.

Am vergangenen Wochenende stand die Wahl des neuen Vorstands im Fokus. Doch bevor es dazu kam, war am Freitag eine Satzungsänderung erfolgreich, für die sich Rechtsaußen Björn Höcke stark gemacht hatte: Zukünftig kann es auch eine Einzelspitze geben.

Dieses Mal blieb es noch beim Duo: Tino Chrupalla musste mit gerade einmal 52,45 % eine Schlappe hinnehmen. Sein Gegenkandidat Norbert Kleinwächter kam auf beachtliche 36,3 %. Wie sich Chrupalla als beschädigter Sieger in das neue Machtgefüge einer immer radikaleren AfD einpasst, analysiert Kai Küstner für das ARD-Hauptstadtstudio. Alice Weidel wurde mit etwas besseren 67,3 % an seine Seite gewählt.

  • Auch ohne neues Amt war der Thüringer Rechtsextremist Björn Höcke Strippenzieher und großer Gewinner in Riesa. Torben Lehning analysiert für den MDR die Hintergründe und Folgen.
  • Die frühere CDU-Politikerin Erika Steinbach wollte sich schlagartig in ihrer neuen Partei etablieren – und scheiterte mit 42,2 % bei einer Kampfabstimmung um den Vizeparteivorsitz.
  • Mit Carlo Clemens sitzt jetzt auch ein Vertreter der Jungen Alternative im Bundesvorstand. Johannes Leithäuser erklärt für die FAZ, was das für die Machtstatik in der Partei bedeutet.
  • Für eine recht seltsame Überraschung sorgte der stellvertretende Bundessprecher der Partei und Teil des “aufgelösten” ultrarechten Flügels Stephan Brandner.
  • in aufschlussreiches Interview gab Alice Weidel Martin Schmidt von der Tagesschau (Video in Gesamtlänge). Als der Moderator ihr auf dem Parteitag verteilte Werbung für SS-Andenken und -Erotica vorlegte, fehlten der Neu-Vorsitzenden die Worte (Video).

Auch darüber hinaus konnte das Lager des ehemaligen “Flügels” den Parteitag als Machtdemonstration verbuchen: Von 14 neuen Bundesvorständen sind neun von Chrupalla unterstützt, zwei von Höcke, drei weitere verstehen sich als “Flexible”. Kein einziger Vertreter des “moderaten” Lagers um den ehemaligen Vorsitzenden Meuthen schaffte es. Ann-Katrin Müller mit den Hintergründen der Kandidat:innensuche für den SPIEGEL.

Auch inhaltlich konnten die Extremisten Erfolge verzeichnen: In der Debatte darum, ob das mit der rechtsradikalen Szene verbundene Zentrum Automobil von der Unvereinbarkeitsliste (hier zum Nachlesen) gestrichen werden sollte, setzte sich Höcke durch. “Wir bestimmen selbst, wer als Extremist gilt. Nicht irgendwelche Behörden”, so der Thüringer Landeschef. Die Hans-Böckler-Stiftung ordnet ein, was das Zentrum Automobil ist

Doch es wurde kein Durchmarsch für die Ex-Flügel-Leute: Letztlich hat sich die Partei am Sonntag dergestalt über eine von Höcke unterstützte pro-russische und antieuropäische Resolution zerstritten, dass es zu einem vorzeitigen Abbruch des Parteitags kam. Alexander Kissler für die mit den Hintergründen.

An all dem hatten Berliner AfD-Delegierte übrigens gar keinen Anteil: Die 25 Delegierten aus der Hauptstadt wurden ausgeschlossen. Hintergrund sind Wahlfälschungsvorwürfe gegen Beatrix von Storch. Frederik Schindler erklärt die Hintergründe für die WELT.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart, der übrigens den Beginn der vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause markiert
Philipp Sälhoff

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Gesellschaft: Neue Netflix-Politserie

Die Kommunalpolitikerin Malen steht kurz davor, Bürgermeisterin von Bilbao zu werden. Bis ein Sex-Video von ihr auftaucht. Verhindert dieses private Video ihre politische Karriere? Die neue spanische Netflix-Serie “Rein Privat” thematisiert die patriarchale Doppelmoral, unter der Frauen in der Politik häufiger leiden als Männer. Kulturjournalist Oliver Armknecht bewertet die neue Serie in einer Rezension.

Politische Kommunikation: Bundeskanzler startet neues Video-Format

Seit Regierungsantritt hörte Olaf Scholz ständig den selben Vorwurf: Er erkläre und kommuniziere zu wenig oder gar nicht. Nun gibt es ein neues Format auf Twitter, in dem der Kanzler in jeweils neunzig Sekunden seine Politik erklärt. In der ersten Folge von #KanzlerKompakt geht es um seine Haltung zum Krieg in der Ukraine und einem möglichen ukrainischen EU-Beitritt.

Demokratie & Gesellschaft: Das Progessive Zentrum stellt sich neu auf

Der Berliner Think Tank Das Progessive Zentrum stellt sich programmatisch neu auf. Vier neue Schwerpunkte sollen ab sofort die Arbeit des Teams um Geschäftsführer Dominic Schwickert abbilden: Resiliente Demokratie, Green New Deal, Moderner Staat, und Politische Strategie. Der Außenauftritt und die Website wurden in diesem Zuge ebenfalls überarbeitet. Ein Blog “Progressives Regieren”, der die Ampel-Regierung konstruktiv-kritisch begleiten soll, wird demnächst folgen. Die Neuaufstellung wird am kommenden Donnerstag auf dem „Progressiven Sommerfest“ vorgestellt.

Demokratie & Gesellschaft: Paare sprechen häufiger über Politik

Paare sprechen häufiger über Politik. So lautet das Ergebnis einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung über die Diskussionsfreudigkeit in Partnerschaften im Vorfeld der Bundestagswahl 2021. Im Vergleich zu 2019 wurde häufiger über politische Themen gesprochen, besonders bei den Anhänger:innen der Grünen und der FDP: 81% der grünen Wähler:innen gaben an, sich “sehr oft” oder “oft” mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner über Politik auszutauschen, bei den Liberalen waren es 80%. Das Schlusslicht bilden mit 65% die Wähler:innen der AfD.

Demokratie & Gesellschaft: EDITION F Award für Frauen in der Politik

Am 17. Juni wurden im Berliner Kino International die Preisträger:innen des EDITION F Award geehrt. Die diesjährigen Preise standen unter dem Motto “Mut“ und wurden in den Bereichen „Gesellschaft“, „Wirtschaft“ und „Politik“ vergeben. In letzterem wurden Außenministerin Annalena Baerbock, Journalistin Samira El Ouassil, Schriftstellerin Asal Dardan, Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer und Aktivistin Julia Probst (@augenschmaus) ausgezeichnet.

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Der pollytix-Wahltrend zur Sonntagsfrage, Vorwochenvergleich in gefärbten Zahlen. Die Angaben berechnen sich aus dem gerichteten Mittel aller Sonntagsfragen der letzten 20 Tage. Den kompletten Wahltrend und alle Einzelumfragen finden Sie hier, mehr zur Methodologie hier.

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Was wissen wir in Deutschland eigentlich über die Ukraine? Wer sich anders als Bundeskanzler Olaf Scholz aktuell nicht selbst ein Bild von dem Land machen kann, dem/der sei das vor Kurzem erschienene Buch des Katapult-Verlags empfohlen. Darin finden sich in Karten und Schaubildern sowohl traurige als auch positive und überraschende Fakten zur Ukraine. Etwa, was durch Russlands Krieg dort momentan alles zerstört wird oder zum Digitalisierungsgrad, der zum Teil wesentlich höher ist als hierzulande. Die Mitwirkung von ukrainischen Journalist:innen an dem Buch trägt zudem dazu bei, eigene „westliche“ Sichtweisen auf das Land infrage zu stellen.

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Die Geschäftsführung von Gazprom Germania wurde jüngst ausgetauscht durch zwei Discjockeys aus Moskau. Das sind Inhalte, die man in einer halbwegs normalen Welt einen Wirtschaftsminister in den Tagesthemen nicht sagen hören würde. Aber wir leben derzeit in keiner normalen Welt. @Gertz68 hat den Beweis. 

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20. Juni 2022