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23. September 2024 16 Minuten

Wahl-Spezial: Brandenburg & Merz’ Kanzlerkandidatur

Liebe Leserin, lieber Leser,

Dietmar Woidke oder die AfD? 

Auf diese Frage kann man die Brandenburger Landtagswahl am Ende runterbrechen. Und diese Frage konnte der amtierende und hoch pokernde SPD-Ministerpräsident am Ende für sich entscheiden. Die SPD wird – wie jedes Mal seit 1990 – stärkste Kraft in Brandenburg, kann die Kenia-Koalition aber nicht fortsetzen. Die CDU holt das drittschlechteste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte und die Grünen halbieren sich nicht nur, sondern fliegen mit 4,1 % aus dem Landtag. Die letzte Hoffnung auf den Parlamentseinzug durch ein Direktmandat war Potsdam, doch dort unterlag Marie Schäffer bei fast 84 % Wahlbeteiligung SPD-Ministerin Manja Schüle. 

Die AfD holt ihr nächstes Rekordergebnis und auch in Brandenburg zieht das BSW aus dem Stand zweistellig ins Parlament ein. Anders als in Sachsen, aber wie in Thüringen erreicht die AfD zudem knapp die Sperrminorität. Was das für die Brandenburger Parlamentsarbeit bedeutet, erklärt die Märkische Allgemeine. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse wird es wohl auf eine SPD-BSW-Koalition in einem sehr übersichtlichen Vier-Parteien-Parlament hinauslaufen. Aber trotz eines fehlenden Mandats möchten SPD und CDU in dieser Woche erste Sondierungsgespräche führen.

Im Rennen zwischen Woidke und der AfD hatten viele das Nachsehen: Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler flogen aus dem Landtag. Auch aufgrund der Zuspitzung zwischen demokratischer Mitte und der RechtsaußenparteiDas Ganze bei – mittlerweile schon fast gewohnt– hoher Wahlbeteiligung von 72,9 %. Wie in Sachsen und Thüringen die höchste seit der Wiedervereinigung.

Fünf Lehren aus der Landtagswahl, insbesondere zu den Konsequenzen des taktischen Wählens, ziehen Tina Handel und Nicole Kohnert vom ARD-Hauptstadtstudio. Weitere Hintergründe zum Abschneiden der einzelnen Parteien:

  • Wie die SPD die Wahl im Endspurt mit 30,9 % noch gewinnen konnte, analysiert Fabian Grabowsky für die Tagesschau. Warum dies einen High Noon für Olaf Scholz bedeutete, erklärt Kristina Dunz vom RND.
  • Die AfD hat mit 29,2 % den ersten Platz zwar knapp verpasst, legt aber weiter zu. Wie lange das ihren Wähler:innen noch reicht, beleuchten Bianca Schwarz und Gabor Halasz vom ARD-Hauptstadtstudio. Was die Stadt Berlin mit dem Brandenburger Wahlergebnis zu tun hat, thematisiert Hendrik Lehmann vom Tagesspiegel auf LinkedIn.
  • Das BSW feiert mit 13,5 % den dritten Erfolg in Serie. Welche Fragen sich daraus ergeben, erklärt Rasmus Buchsteiner vom Spiegel (€).
  • Die CDU erreicht mit 12,1 % ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl im Osten. Unmut gibt es bei der Brandenburger Partei weiterhin über die Wahlempfehlung von Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer für Woidke.
  • Die Grünen scheitern mit 4,1 % klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Warum die Bundespartei nun nach der neuerlichen Niederlage ins Risiko gehen sollte, kommentiert Georg Löwisch bei der Zeit (€).
  • Mit 3,0 % erreicht die Linke (wieder mal) das schlechteste Ergebnis in Ostdeutschland – und damit gibt es in Brandenburg den ersten ostdeutschen Landtag ohne die Partei. Der RBB analysiert die Gründe für den Absturz.
  • Die Brandenburger Vereinigten Bürgerbewegungen/Freie Wähler halbieren ihr Ergebnis und fliegen mit 2,6 % aus dem Landtag. Damit sitzen die Freien Wähler nur noch in Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen im Parlament.
  • Ohne Chance blieb die FDP, die auf desaströse 0,8 % kam und damit noch schlechter abschnitt als in Sachsen und Thüringen. Bundestagsvize Wolfgang Kubicki sieht die Probleme der Liberalen mal wieder vor allem bei der Ampel.
  • Bei den Sonstigen können nicht nur die Tierschutzpartei (2 %), sondern auch die Listenvereinigung Plus (0,9 %) die Liberalen auf die Plätze verweisen. Dieses Bündnis aus Piratenpartei, ÖPD und Volt trat in diesem Jahr erstmalig zur Wahl an.
  • Die übersichtlichen Ergebnisse von Grünen, Linken und FDP bei den letzten Ost-Wahlen haben wir weiter unten visualisiert.

Weitere Hintergründe zur Wahl:

  • Das offizielle amtliche Endergebnis inklusive Klein- und Kleinstparteien und Wahlbeteiligung gibt es hier.
  • Eine interaktive Wahlkreiskarte bietet der Tagesspiegel.
  • Reaktionen der internationalen Presse versammelt die Frankfurter Rundschau. Auf die deutschen Reaktionen geht die Tagesschau ein.
  • Die Wählerwanderungen zwischen den Parteien zeigt der Tagesspiegel.
  • Den Wahltag in Bildern gibt es beim RBB.
  • Der Wert selbst weniger demokratischer Stimmen zeigte sich im Wahlkreis Spree-Neiße I, wo Dietmar Woidke sein Direktmandat mit lediglich sieben (!) Stimmen Abstand zum siegreichen AfD-Politiker Steffen Kubitzki verlor.
  • Gerade unter jungen Menschen verfängt die Rhetorik der AfD. Wie man als Elternteil am besten darauf reagiert, wenn das eigene Kind nach rechts driftet, erklärt Sönke Matschurek beim Tagesspiegel (€).
  • Das Erstarken der AfD macht sich insbesondere auch in den brandenburgischen Kleinstädten und Dörfern bemerkbar. Wie man damit umgeht, überlegt Susanne Boden beim Tagesspiegel (€).
  • Die Pläne der demokratischen Parteien für antifaschistische Arbeit, aber auch für entsprechende Kontrollinstrumente, fasst Martin Schwarzbeck bei Netzpolitik zusammen.
  • Neben Wahlauftritten hatte ein AfD-Kandidat auch ganz andere Termine – und diskutierte auf einem Seminar des rechten Think Tanks Metropol einen “Regime Change”, wie die taz berichtet.
  • Tilmann Steffen schildert bei der Zeit, wie ihm die Security bei der AfD-Wahlparty ein AfD-Wahlkampfgeschenk abnahm, weil es zu gefährlich ist.
  • Derweil feierten Parteianhänger:innen der AfD mit einem Lied für Abschiebungen.
  • Welche Themen im Wahlkampf dominierten, berichtet Anke Hahn bei der Tagesschau. Das Vorgehen der Klein- und Kleinstparteien nimmt ihr Kollege Hasan Gökkaya unter die Lupe.

Die nächste Landtags- bzw. Bürgerschaftswahl steht nun im März 2025 in Hamburg an, wo es für die SPD ganz gut aussieht, bevor am 28. September der nächste Bundestag und danach auch der Bundeskanzler gewählt wird.

Das soll aus Sicht der Union Friedrich Merz werden. Seit Dienstag ist die “K-Frage” beantwortet. Vorher erklärten zuerst Hendrik Wüst und dann Markus Söder ihren Verzicht. Dass Merz nicht sonderlich beliebt ist, ist kein Geheimnis, doch der laut Zeit “unpopulärste CDU-Kanzlerkandidat dieses Jahrhunderts” muss nach der Kür nicht nur das schlechteste CDU-Ergebnis im Osten, sondern auch eine erste Umfrage verdauen: Olaf Scholz schießt nach oben und liegt in der direkten Kanzlerpräferenz nun gleichauf mit Merz. Einsam auf Platz 1 bei der Beliebtheit liegt jedoch ein anderer: Boris Pistorius bleibt aber standhaft und dementiert eigene Ambitionen – und machte seinem Chef am Freitag ein “vergiftetes Kompliment”.

  • Die Pressekonferenz von Söder und Merz in voller Länge hier im Video.
  • Die entscheidenden Stunden vor der Pressekonferenz rekonstruiert der Tagesspiegel.
  • Die Erklärung von Wüst im Wortlaut gibt es bei Table.Media.
  • Die Grünen reagierten auf Social Media mit einer neu zusammengeschnittenen Version der Merz-Söder-Rede, die gleichzeitig Komik und Kritik ausdrückte. Details kennt Focus Online.
  • Warum Söders Kalkül nicht aufging, erläutern Petr Jerabek und Achim Wendler bei der Tagesschau.
  • Der Verkündung der Merz-Kandidatur voraus ging ein Treffen der schwarz-grünen Kabinette in Kiel: Worüber Wüst und Günther sprachen, weiß die Borkener Zeitung.
  • Hendrik Wüst positioniert sich derweil im Spiegel mit klarer Botschaft: “Es wäre brandgefährlich, ständig nur schwarzzumalen.”
  • Wie sich Merz, Scholz und Pistorius in den Umfragen schlagen, zeigt der Tagesspiegel.

Unabhängig davon, wie aussichtsreich eine Kandidatur für die Grünen bei derzeit knapp 11 %  ist (siehe Wahltrend), will auch Robert Habeck ins Kanzleramt. Dafür hat er sich letzte Woche schon mal etwas Beratung bei jemanden geholt, der sich mit Kraftakten auskennt: Arnold Schwarzenegger war in Berlin zu Gast, weil ihm der Ehrendoktortitel der Hertie School verliehen wurde. Was die beiden miteinander verbindet und wie Habecks Aussichten bei den Grünen sind, erläutert Johannes Bebermeier bei t-online.

Ein „Hasta la vista, Baby“ der etwas anderen Art gab es zudem in Brüssel, wo die Kandidat:innen für die neue EU-Kommission vorgestellt wurden: Thierry Breton, der bisherige Kommissar für den digitalen Binnenmarkt, verabschiedete sich mit einem offenen Brief und Seitenhieb gegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von seinem Amt, wie Netzpolitik.org weiß.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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