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10. Februar 2025 14 Minuten

Unentschieden nach Rollentausch

Liebe Leserin, lieber Leser,

es war wohl die letzte Chance von Olaf Scholz, das Ruder im Wahlkampf noch einmal rumzureißen.

Genutzt hat er sie sicherlich ein Stück weit, erste Umfragen sehen den Bundeskanzler mit minimalem Vorsprung aus dem TV-Duell mit Friedrich Merz gehen. Aber ob das reichen wird, eine Trendwende einzuleiten, darf bezweifelt werden, dafür war der Schlagabtausch mit den Schwerpunkten Migration und Wirtschaft zu ausgeglichen. Kein Protagonist leistete sich Patzer, beide traten selbstbewusst auf – wenngleich mit vertauschten Rollen: Der gemeinhin zu Impulsreaktionen neigende Merz blieb fast stoisch ruhig, Olaf Scholz war so energisch, dass Markus Söder ihm “fünf Red Bull” unterstellte. Trotz offenkundiger Geistesgegenwart hatte er aber vor dem Duell mit Startschwierigkeiten zu kämpfen und fand den Eingang ins Studio kurzzeitig nicht, berichtet die Morgenpost.

Somit ist es bei keinem klaren Sieg eher eine Ernüchterung für Scholz und die SPD: Merz hat keine Fehler gemacht und sich auch nicht aus der Reserve locken lassen. Zudem musste die Union auch in den mit Spannung erwarteten Umfragen nach dem gemeinsamen Bundestagsbeschluss mit der AfD keine Federn lassen. Warum die Migrationsdebatte dabei kaum Einfluss auf die Wahlumfragen hat, erklärt der Wahlforscher Stefan Merz bei der ARD.

  • Eine kurze Analyse des Duells können Sie beim Deutschlandfunk hören.
  • Ein Vergleich der Pressereaktionen und -bewertungen hat der SPIEGEL.
  • Alle Werte einer anschließenden Zuschauerumfrage versammelt das ZDF. Spannend zu beobachten sind dabei insbesondere die Unterschiede je nach Alter und Geschlecht.
  • Das RND unterzieht die Aussagen der Kandidaten einem Faktencheck.
  • Nach Inhalt, Rhetorik und Körpersprache hat der Tagesspiegel analysiert (€).
  • Einen Überblick zu den noch ausstehenden TV-Formaten mit den Spitzenkandidat:innen vor der Wahl gibt es hier.
  • Ob TV-Duelle Wahlen entscheiden können, überlegt Lisa Westhäußer beim BR. Auch SINUS-Direktorin Silke Borgstedt stellt dazu in einem LinkedIn-Post eine klare datenbasierte These auf.
  • Denkwürdige Momente aller bisheriger Kanzler-Duelle (und -Trielle) versammelt der Tagesspiegel (€).
  • Beim „Schlagabtausch“ trafen sich letzte Woche Vertreter:innen der Parteien abseits von CDU und SPD. Kritik gab es dabei am angeblich voreingenommenen “Casting” des Publikums – worauf das ZDF jedoch keinen Einfluss nehmen konnte, wie der Spiegel weiß.
  • Direkt im Anschluss setzte das Twitch-Format der Tagesschau das Duell fort und bat Scholz und Merz zu einem virtuellen Q&A. Dort hatte Friedrich Merz einen kurzen „Neuland-Moment„.

Gerade die Grünen sind bereits länger stark auf der Streaming-Plattform vertreten, so gab Habeck etwa bereits im Januar ein Twitch-Interview. Gerade beschäftigen jedoch andere Sorgen die Partei: In mehreren Bundesländern wurden Sabotagen an Autos durchgeführt, die den Eindruck erwecken sollten, dass Klimaaktivisten bzw. Grünen-Anhänger dahinter stecken. Mittlerweile geht die Polizei dem Verdacht nach, ein russischer Geheimdienst sei der Auftraggeber. Robert Habeck äußerte sich heute außerdem per Video zu Plagiatsvorwürfen zu seiner Doktorarbeit. Unterstützung erhalten die Grünen dagegen von einer Initiative aus rund 60 Unternehmer:innen und Manager:innen. 

Die SPD kann sich derweil über unerwartete Wahlkampf-Unterstützung freuen: Die Agentur Media Force steuert eine Social-Media-Kampagne im Wert von 1,5 Millionen € bei. Über die Hintergründe äußert sich Geschäftsführer Max Oehl auf LinkedIn. Weiterhin verfolgt wird die Partei jedoch noch von der Hängepartie in der K-Frage. Die SPD-Spitze dementiert nun Recherchen, dass sie lieber mit Pistorius als Kanzlerkandidat angetreten sei.  Mit dessen Werdegang und Überzeugungen beschäftigt sich auch unser Buch der Woche.

Die Linke kommt hingegen pünktlich zum Wahltag in Form – wenngleich auf niedrigem Niveau. Warum sie die Partei der Stunde ist, hat der Tagesspiegel (€) analysiert. Das liegt auch an Heidi Reichinnek, die mit ihrer „Brandmauer-Rede“ einen Social-Media-Hit landete. Ob der Aufruf von Wissenschaftler:innen spürbar hilft, mag zwar zu bezweifeln sein, aber wenn es mit den 5 % nicht klappt, gibt es ja immer noch die Silberlocken.

Die FDP hat ihren gestrigen Parteitag in Potsdam dafür genutzt, sich als zuversichtlich und kämpferisch (siehe Wahlaufruf) zu präsentieren, analysiert die Tagesschau – was bliebt auch anderes übrig, wenn im Hintergrund die APO droht. Nicht nur Wolfgang Kubicki sieht die Existenz der Partei in Gefahr.  Dass Merz ihnen auch noch die letzten 4 Prozent abspricht, hat erwartungsgemäß für Unmut gesorgt. 

Der Wahl-O-Mat ist online – und wie.  Schon in den ersten 24 Stunden brach er alle Rekorde und verzeichnete mehr Aufrufe als im gesamten letzten Bundestagswahlkampf. Hier können Sie sich selbst durch die 38 Fragen klicken.

  • Wie die Thesen zustande kommen, weiß das ZDF.
  • Wenn Chatbot-KIs wählen könnten, würden sie wohl die Grünen wählen – zumindest kommt der Online-Marketing-Berater Felix Beilharz zu dieser Erkenntnis.
  • Weitere Orientierung bei der Wahl bieten etwa der “Wahlbuddy” zum Vergleich von Wahlprogrammen und das KI-Fragetool “wahl.chat”.
  • Die Positionen der einzelnen Kandidierenden lassen sich bei „#wählbar25“ überprüfen, zudem schafft auch ein neues CORRECTIV-Projekt Transparenz und überprüft Behauptungen sowie Hintergründe der Kandidierenden.

Während die sogenannten Wahlkreiskönige einer Datenanalyse von Table.Media zufolge eine bedrohte Spezies sind, sterben Wahlpannen wohl nie aus – so kam es etwa in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bereits zu Tippfehlern auf Stimmzetteln. Wie währenddessen der Wahlkampf der Spitzenkandidat:innen geführt wird, hat die ARD für die Lamby-Dokumentation “Die Vertrauensfrage” beobachtet.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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