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13. Januar 2025 15 Minuten

Parteitagstriple

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Bundestagswahlkampf geht auf seine letzten 41 Tage und damit in die Vollen.

Die Wahlplakate hängen (in Schleswig-Holstein gibt es deswegen schon Stress), die Wahlbenachrichtigungen (und damit auch Anträge zur Briefwahl) werden ab heute verschickt und das Wochenende hatte es mit drei „Krönungsparteitagen“ in sich.

Die AfD kürte in Riesa die erste Kanzlerkandidatin ihrer Geschichte. Es war nicht das erste Mal, dass Alice Weidel in der letzten Woche im Blickpunkt stand: Ihr X-Interview mit Elon Musk generierte zwar Aufmerksamkeit, blieb aber weitgehend evidenzfrei und gespickt mit Falschinformationen („Hitler war Kommunist!“), analysiert die Tagesschau. Ob das Gespräch schon als illegale Parteienfinanzierung oder Wahlkampfbeeinflussung einzuordnen ist, prüfen nun die Bundestagsverwaltung und die EU-Kommission. Wichtige Takeaways aus dem nördlichen Sachsen:

  • Weidel hielt eine ultranationalistische Rede und weiß die Partei damit hinter sich. Nicht nur die „Remigration“, auch die Forderung nach einer Wehrpflicht hat es ins Wahlprogramm geschafft. Die Zusammenfassung hat der Spiegel.
  • Die AfD-Jugendorganisation wird neu gegründet, künftig soll die “Patriotische Jugend” die bisherige Junge Alternative ersetzen. Mehr Details zum Streit mit dem Nachwuchs kennt das ZDF.
  • Bei ihrem Parteitag traf die AfD auch auf diverse Gegendemonstrationen, rund 15.000 Menschen sollen in Riesa gewesen sein. Einen Überblick über die Protestaktionen bietet der Spiegel.  In diesem Zuge wurde der Linken-Abgeordnete Nam Duy Nguyen, der als parlamentarischer Beobachter vor Ort war, offenbar von Polizisten bewusstlos geschlagen.

Die SPD kam in Berlin zu ihrem Parteitag zusammen, um Olaf Scholz auch formal die erneute Kanzlerkandidatur zu übergeben. Das lief so reibungslos und erwartbar ab wie die vehement vorgetragenen Durchhalteparolen angesichts einer knapp doppelt so starken Union.

  • Mit welchen fünf Strategien die Sozialdemokraten eine Wahlniederlage doch noch abwenden wollen, erklärt das ZDF.
  • Auch Scholz war in einem Netzformat zu Gast: In der YouTube-Show World Wide Wohnzimmer, die besten Momente hat Watson zusammengefasst.
  • Alle Live-Termine des Kanzlers gibt es hier in der Übersicht bei der SPD.
  • Der grundsätzlichen Lage der Partei widmet sich zudem unser Buch der Woche.

Das BSW komplettiert das Parteitagstriple. Der erst zweite Bundesparteitag der vor einem Jahr gegründeten Partei fand ausgerechnet im Herzen der alten BRD in Bonn statt. Mit gemischter Stimmungslage: Nach dem Hype um die Ostwahlen muss die Partei nun wieder um den erstmaligen Einzug in den Bundestag fürchten. Selbst wenn Sahra Wagenknecht sich jetzt ebenfalls „Kanzlerkandidatin“ nennt – wenn auch eher als Persiflage auf die Konkurrenz.

  • Die zentralen Forderungen im Wahlprogramm des BSW listet die Tagesschau auf.
  • Die von Dauerstreitigkeiten geplagte Partei könnte sich im gerade erst gegründeten Hamburger Landesverband nun komplett zerlegen, berichtet der Spiegel.
  • Zumindest dem Namen nach dürfte das BSW bald weniger auf Wagenknecht ausgerichtet sein: Nach der Wahl will sich die Partei umbenennen.

Die Grünen tagten nicht, starten nach dem rohrkrepierenden Böller-Post der Jugend-Vorsitzenden und der Causa Stefan Gelbhaar nicht besonders gut ins neue Jahr – stabilisieren sich dafür aber als einziger Ampel-Partner zumindest grob auf dem Niveau des letzten Bundestagswahlergebnisses (siehe Wahltrend).

Deutlich besser würde derzeit die Union abschneiden und bis auf ein paar Scharmützel zwischen Markus Söder und Daniel Günther, bleibt es auch nach der Bundesvorstandssitzung in Hamburg relativ ruhig. Nur die Themenwahl des Kanzlerkandidaten könnte laut manchem Parteifreund breiter aufgestellt sein, wie der Tagesspiegel berichtet.

Weitere Meldungen zur Bundestagswahl:

  • Termine und wichtige Fristen gibt es hier.
  • Einen tagesaktuellen Umfrage-und Mehrheiten-Tracker bietet der Spiegel.
  • Genügend Wahlhelfer:innen wird es wohl geben, berichtet das RND. Berlin und Bremen melden bereits grünes Licht, in Brandenburg und Sachsen führen die Schulferien um den Wahltag dazu, dass die Rekrutierung schwieriger ist. Teilweise wird dem nun auch mit höheren Entschädigungen begegnet.
  • Deutlich weniger Abgeordnete und damit auch weniger Mitarbeiter:innen wird es im neuen Bundestag geben. Was das für das aktuelle Personal bedeutet, beleuchtet die Süddeutsche.
  • Ohne den Wahl-O-Mat geht natürlich auch bei dieser Wahl nichts, ab dem 6. Februar soll er online verfügbar sein.
  • KI-Creator Max Mundhenke hat die Wahlprogramme anders verarbeitet: Mit acht KI-generierten Bildern zeigt er, wie eine Welt aussehen würde, in der 100 % des Wahlprogramms einer Partei umgesetzt wurden.
  • Eine Chance von 89 % für einen Kanzler Merz, 18 % für eine FDP im Bundestag: Die unterschiedlichsten Wetten zur Wahl gibt es bei Polymarket.
  • Warum bei der Briefwahl dieses Jahr gravierende Probleme drohen, erklärt Table.Media.
  • Und auch die Wahlsoftware könnte potentiell problematisch werden: Einer Analyse des CCC zufolge genügt sie nicht den Sicherheitsanforderungen des BSI.
  • Die Wahlintegrität hat auch die Bundeswahlleiterin im Blick. Sie informiert ab sofort auf ihrem eigenen WhatsApp-Kanal, unter anderem über Desinformation.
  • In eigener Sache: Die neuesten Entwicklungen, Studien und Hintergründe in diesem Bereich tragen wir in unserem neuen wöchentlichen und kostenlosen Desinformations-Briefing zusammen, das Sie hier abonnieren können.

Während die Parteien im Wahlkampf grundsätzlich für sich selbst streiten, gibt es doch auch einige (fast) parteiübergreifende Überzeugungen: So soll es vor allem fair bleiben. Darauf einigten sich alle Parteien mit Ausnahme der AfD vor Weihnachten. Die Rechtsnationalen haben dann auch gleich mit einem Fake-Video von Angela Merkel demonstriert, was sie von derartigen Fairnessideen halten. Doch Künstliche Intelligenz kann auch produktiv genutzt werden: Das ZDF hat sich angeschaut, was in den Parteizentralen an KI-Tools geplant ist.

Auch der „Tortenangriff“ auf Christian Lindner durch eine Linke Nachwuchspolitikerin in Greifswald fällt definitiv nicht unter faire Wahlkampftaktiken und erntete parteiübergreifend Kritik. Lindner reagierte hingegen sowohl auf Social Media als auch vor Ort souverän. Wie sich die Parteien gegen Gewalt im Wahlkampf wappnen, weiß der Tagesspiegel.

International hat sich im noch jungen Jahr ebenfalls bereits einiges getan:

  • Der kanadische Premierminister Trudeau ist vergangene Woche zurückgetreten. Warum die “liberale Ikone” letztendlich derart scheiterte, analysiert die Tagesschau.
  • In Österreich scheiterten die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS. Nun hat der rechtsextreme FPÖ-Politiker Kickl gute Chancen auf das Kanzleramt. Der BR hat ihn porträtiert. Christian Bangel beschäftigt sich mit der Frage, ob das auch in Deutschland passieren kann.
  • In den USA dauert es noch eine Woche bis zur Amtseinführung Trumps. Was Trump an seinem ersten Tag im Amt plant, listet die BBC auf.

Was abseits der Wahl das politische Jahr 2025 prägen wird, hat die BpB analysiert. Gesetzliche Neuregelungen ab Januar versammelt zudem die Bundesregierung auf einer eigenen Übersichtsseite. Die vielen Personal- zum Jahreswechsel gibt es unten im politticker.
 

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart- und Jahresstart (bis Mitte Januar ist das nach landläufiger Meinung wohl noch okay)

Philipp Sälhoff


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