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15. Januar 2024 12 Minuten

Neurechte Deportationsphantasien

Liebe Leserin, lieber Leser,

dass die – in Teilen selbst rechtsradikale – AfD sich auf oberster Ebene mit Rechtsextremen austauscht, ist nichts Neues. Ebenso wenig, dass diese Kräfte es mit ihren völkischen Plänen ernst meinen. Dennoch platzte am Mittwoch eine Correctiv-Investigativrecherche über ein Geheimtreffen von Rechtsextremen im Landhaus Adlon bei Potsdam wie eine Bombe in den Politikbetrieb: Millionen von Menschen sollen aus Deutschland ausgewiesen werden, weil sie ausländische Wurzeln haben, Ausländer:innen oder Andersdenkende sind. Solche Pläne hat eine hochkarätige Runde um den österreichischen Identitären Martin Sellner, AfD-Bundestagsgeordnete Gerrit Huy und den persönlichen Referenten von Alice Weidel relativ konkret diskutiert. Weitere Hintergründe zum „Geheimplan gegen Deutschland“: 

  • Wie sich die Journalist:innen Zugang verschafft haben, hat Correctiv in einem “Making-Ofdokumentiert.
  • Außerdem gibt es einen News-Ticker zu allen Entwicklungen im Nachgang der Recherche.
  • Wenn Sie die Arbeit von Correctiv unterstützen möchten, geht es hier zur Spendenseite.
  • Das ZDF hat die zentralen Köpfe des Treffens in einem Überblick zusammengestellt.
  • Das involvierte „Düsseldorfer Forum“ wird beim RND genauer vorgestellt.
  • Das Hotel, das nicht weit vom Haus der Wanseekonferenz gelegen ist, hat eine politische Vorgeschichte: Bereits seit Jahren finden hier Treffen der rechten Szene statt, schreibt t-online.
  • Die zentrale Forderung der “Remigration”, das heute zum Unwort des Jahres gekürt wurde, ordnet der Bayerische Rundfunk als Kampfbegriff der rechten Szene ein. Matthias Quendt macht es etwas ausführlicher hinter der FAZ-Paywall.
  • Die Pläne der AfD liegen trotz öffentlicher und politischer Empörung im “Trend der herrschenden Meinung”,  kommentiert Patrick Bahners bei der FAZ.
  • Matthias Brodkorb schreibt (€) im Cicero, dass der Wannsee-Scoop gar keiner ist und in den eigenen Narrativen verfangen ist.
  • Warum das Aufdecken des Treffens für die Beteiligten jetzt schon ein Erfolg ist, kommentiert Daniel Bax.
  • Die Tagesschau fasst die gestrigen Demonstrationen gegen Rechts zusammen.

Mit den Enthüllungen erlebt auch die Debatte um ein AfD-Verbot ein Revival. Eine Partei zu verbieten, die in einigen Bundesländern mit Abstand stärkste Kraft ist, ist gesellschaftlich eine Herausforderung und auch die formalen Hürden sind zu Recht hoch. Die Deutschen blicken ebenfalls gespalten auf ein solches Verbot: 42 % Ja- zu 42 % Nein-Stimmen ergaben sich in einer Ipsos-Umfrage, wobei sich je nach Parteizugehörigkeit große Schwankungen zeigen. Welche Erfolgsaussichten so ein Verfahren hätte, ordnet die taz ein.

Die Ampel-Regierung sinkt derweil auf ein neues Stimmungstief: Nach neuester FGW-Umfrage käme sie mit 31 % auf genauso viele Stimmen wie die Union. Die FDP rutscht mit 4 % unter die 5-Prozent-Hürde und wäre gleichauf mit Linker und BSW. Die Wagenknecht-Partei soll sogar ein Wählerpotenzial von bis zu 21 % haben. Mit welchen Köpfen, Themen und Strategien sie zur Volkspartei werden will, hat Karin Christmann analysiert.

Um das zu verhindern und seiner Regierung neuen Elan zu verleihen, will der Kanzler offensiver kommunizieren und den “Fraktions-Olaf” zum “Draußen-Olaf” machen, versprach er seiner Bundestagsfraktion. Selbst Bundespräsident Steinmeier zählte die Regierung schon wegen mangelhafter Kommunikation an. Bei der Eröffnung des neuen ICE-Werks ins Cottbus ließ Scholz eine erste Gelegenheit für mehr Bürgernähe aus, meint Kristina Dunz. Warum eine Besserung aber bitter nötig ist und warum Boris Pistorius dafür die bessere Wahl wäre, hat Hendrik Wieduwilt aufgeschrieben.

Zumindest eine Kommunikationsart funktioniert in der Ampel aber immer noch bestens: Die Rohrpostanlage im Kanzleramt. Warum das betagte System auch weiterhin in Betrieb sein wird, hat die dpa zusammengefasst.

Mit viel politischem Gesprächsstoff kann auch unser benachbartes Ausland dienen:

  • Frankreich hat nach dem Rücktritt von Premierministerin Élisabeth Borne seine Regierung umgebildet und nun das kleinste Kabinett der jüngeren Geschichte und mit Gabriel Attal den jüngsten Premierminister. Das ZDF hat ein Porträt von „Macrons Musterschüler“, ein Überblick des neuen Kabinetts die Tagesschau.
  • In Polen kam es in der vergangenen Woche zu Verhaftungen zweier ehemaliger Minister wegen Amtsmissbrauchs. Den aktuellen Konflikt zwischen Präsident Duda und dem neuen Regierungschef Tusk ordnet die Tagesschau ein.
  • Von solchen Konflikten ist Dänemark weit entfernt. Seit gestern hat die älteste Monarchie Europas ein neues Oberhaupt. Die wichtigsten Fakten zum Wechsel von Margrethe II. auf ihren Sohn Frederik X. (Porträt) in einem Kurzvideo aufbereitet.

Auch in Brüssel gab es überraschende News: Ratspräsident Charles Michel will für das Europäische Parlament kandidieren und wird daher vorzeitig zurücktreten. Wer ihm nachfolgen könnte und warum das – zumindest interimsmäßig – Viktor Orbán sein könnte, erläutert der Tagesspiegel.

Auch in den USA stehen diesen Herbst wieder Präsidentschaftswahlen an. Wer hier im Duell zwischen Trump und Biden aktuell die besten Chancen hat, analysiert der Deutschlandfunk. Klimagesandter John Kerry tritt nun zurück und wechselt in Bidens Wahlkampfteam. Ex-Präsident Trump ist unterdessen noch anderweitig beschäftigt: Der aktuell gegen ihn geführte Prozess wegen Vorwürfen des Finanzbetrugs mutierte vergangene Woche zum Wahlkampfauftritt Trumps, als dieser sein Abschlussplädoyer für eine Wutrede gegen das Justizsystem nutzte.

Ein Superwahljahr steht auch in Asien an. Mirco Günther, FES-Asien-Experte, erklärt im IPG-Journal die Auswirkungen auf Deutschland, wenn fast 60  % der Weltbevölkerung neue Amtsinhaber:innen wählen. Einen Anfang machte bereits Taiwan, wo in den Präsidentschaftswahlen vergangenes Wochenende der chinakritische Lai Ching-te siegte. Erste internationale Reaktionen hat das Handelsblatt zusammengestellt.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

 

Philipp Sälhoff

 


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