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14. April 2025 12 Minuten

Meilenstein für die Marienkäfer

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Ende ging es ganz schnell.

Die 144 Seiten Koalitionsvertrag unter dem überschaubar inspirierenden Titel „Verantwortung für Deutschland“ wurden am Mittwoch von den Parteivorsitzenden im Paul-Löbe-Haus vorgestellt. Weniger Text (z. B. knapp 30 Seiten weniger als die Ampel), noch weniger Euphorie, aber viel Erleichterung standen am Ende zu Buche. Denn kurz vor Schluss stand die „Marienkäfer-Koalition“ noch mal vor dem Aus: Die Steuer-Ideen der SPD brachten Merz fast zur Weißglut und ins Schloss Bellevue. Bei Mindestlohn und Steuern gibt es seit dem Wochenende wieder Irritationen, da Merz und Klingbeil die entsprechenden Verabredungen anders interpretieren. Lieferketten- und Heizungsgesetz werden aber auf jeden Fall rückabgewickelt. Was sonst noch drin steckt oder eben nicht, hat die Tagesschau in einem FAQ zusammengestellt.

Während die CSU bereits ihre Zustimmung gegeben hat und die CDU dies am 28. April bei einem kleinen Parteitag tun wird, startet der SPD-Mitgliederentscheid morgen. Die Jusos haben sich schon gegen den Vertrag ausgesprochen, genau wie die SPD-Arbeitsgruppe „Migration und Vielfalt“. Eine Zustimmung der knapp 360.000 SPD-Mitglieder gilt dennoch als sicher. Der Berliner CDU-Landesverband ließ sich wohl von den Genossen inspirieren und startet seinerseits eine Mitgliederbefragung – Merz wird mäßig angetan sein. Aber der will sich nun eh erstmal ein paar Tage wohlverdienten Urlaub gönnen.

  • Die jeweiligen Lesarten der Verhandlungspartner sind natürlich vom eigenen Erfolg geprägt: Die internen Argumentationspapiere von CDUCSU und SPD.
  • Die Reaktionen internationaler Medien hat der Tagesspiegel zusammengefasst.
  • Mit dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen steht auch der neue Sitzungswochen-Kalender des Bundestages fest (Download). Vorerst aber der wichtigste Termin: Am 6. Mai soll Friedrich Merz zum Bundeskanzler gewählt werden, einen Tag nach der formalen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. Die 365 Sherpas haben einen Zeitplan erstellt.
  • Die Koalitionsverhandlungen gingen ohne große Aufreger zu Ende. Aber auch ohne glamouröse Selfies. Verkehrsminister Wissing plauderte jedoch kürzlich darüber, wie es zu dem legendären Selfie während der Ampel-Sondierungsgespräche kam.
  • Markus Söder wäre nicht Markus Söder, wenn er den Verhandlungen nicht seine Note aufdrücken würde, ob als Enfant Terrible bei öffentlichen Auftritten oder aber als potenziell inoffizieller Vizekanzler. Die Christsozialen können schon mal eine Rekordzahl an Staatssekretärs-Posten verbuchen.

Die neue Bundesregierung sortiert auch die institutionelle Ordnung des politischen Maschinenraums um: Ein neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung, neue Zuschnitte der bestehenden Häuser (haben Sie schon BMFTR auswendig gelernt?), Nationaler Sicherheitsrat, nationales Lagezentrum und viele Kommissionen. Dabei gehen sieben Ministerien an die 16,4 % starke SPD, drei an die CSU und der Rest an die CDU: Die Aufteilung der Häuser und die entsprechenden Personalspekulationen.

  • Das neue Digitalministerium soll Faxgeräten den Kampf ansagen und sowohl den Staat als auch die Verwaltung (endlich)  ins digitale Zeitalter führen.
  • Wie Merz‘ Schaltzentrale im Kanzleramt besetzt werden könnte, hat Table.Media recherchiert.
  • Mehr zu den Kompetenzen des ressortübergreifend agierenden Nationalen Sicherheitsrats und wer dem vorsitzen könnte, von der Frankfurter Neuen Presse.
  • Was die neue Regierung gegen Desinformation und hybride Bedrohungen plant und wo es Lücken gibt, hat sich polisphere-Desinformationsanalystin Hannah Schimmele angeschaut.
  • Warum die hohe Anzahl der Kommissionen ein Zeichen für Uneinigkeit darstellt und wie dies die Arbeit der künftigen Regierung beeinflussen könnte, kommentiert Andreas Niesmann für das RND.
  • „Ministerium für oder der“? Mehr Hintergrund zu den Bezeichnungen der Ministerien und was das über deren Relevanz aussagt hat der Tagesspiegel.

Historisches gab es in der vergangenen Woche auch für die AfD zu vermelden: Sie wurde erstmals in einer bundesweiten Umfrage stärkste Kraft mit 25 % und verwies die schwächende Union auf 24 % und ihren schlechtesten Wert seit drei Jahren. Der wohl zukünftige Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn plädiert derweil für einen normalisierten parlamentarischen Umgang mit den Rechtsnationalen. Auf den Otto-Wels-Saal der SPD-Fraktion werden sie wohl dennoch verzichten und sich als Nachmieter der FDP-Fraktion begnügen müssen. Wie menschenfeindlich das Plenar-Verhalten einiger AfD-Abgeordneter ist, zeigt unser Fundstück der Woche

Auf der anderen Seite des Atlantiks standen in der vergangenen Woche nicht nur neue Volten in der Zollpolitik, sondern auch der jährliche Gesundheitschecks des Präsidenten an. Blutdruck, Cholesterin, Ruhepuls: Das Attest bescheinigt ihm eine ausgezeichnete Gesundheit mit Ausnahme von ein paar „Sonnenschäden“ und den Narben des Anschlags. 

  • Diese „Presidential Physical“ wird meist jährlich durchgeführt und als offizieller Gesundheitsbericht veröffentlicht – als Zeichen von Transparenz und Vertrauensbildung gegenüber der Bevölkerung. Mehr zur US-amerikanischen Besonderheit.
  • Die Nachwirkungen des Anschlags bilden sich auch im Weißen Haus ab: Ein neues, heroisches Gemälde von Donald Trump kurz nach dem Attentatsversuch ersetzt nun das offizielle Porträt von Barack Obama im Grand Foyer.
  • Wie weit es wirklich mit Trumps kognitiven Fähigkeiten her ist, daran lässt ein anderer Vorfall Zweifel aufkommen. Trump rief versehentlich einen seiner Intimfeinde an. Der reagierte ruhig, wurde dann aber auch wieder prompt beleidigt

Auch Ihnen viel Gesundheit und die besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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