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30. September 2024 13 Minuten

Grüne (Generationen-)Krise

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit einem Tweet von Table-Journalist Michael Bröcker ging es am Mittwochmorgen los.

Der Überraschungseffekt war groß, als der gesamte Bundesvorstand der Grünen um die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour geschlossen zurücktrat. Am Abend folgte dann die Grüne Jugend. Wie von Jugendverbänden gewohnt, setzte deren Vorstand aber noch einen drauf und verließ auch gleich die Partei (Brief an Partei- und Fraktionsspitzen im Original).

Nun steht in der Bundespartei die Suche nach der Nachfolge im Fokus: BMWK-Staatssekretärin Franziska Brantner (Porträt beim Stern) und Ex-NRW-Chef und MdB Felix Banaszak (porträtiert bei der Berliner Morgenpost) haben ihre Kandidatur bereits bekannt gegeben. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch soll den kommenden Wahlkampf leiten, während BMWK-Staatssekretär Sven Giegold als möglicher Nachfolger von Emily Büning im Amt des politischen Bundesgeschäftsführers gilt. Alle Personalspekulationen im Überblick hat die Süddeutsche

  • Wie konnte es zu so einer Krise kommen? Der Spiegel mit einer Chronologie des Abstiegs der Grünen in Bildern.
  • Wie die Bürger:innen die Entscheidung des scheidenden Vorstands bewerten, zeigt eine Umfrage von t-online.
  • Der Begriff vom “Bündnis Habeck / Die Grünen” macht die Runde. Robert Habeck scheint nun alles auf eine Karte zu setzen, wie Markus Decker vom RND analysiert.
  • Auch die Jugend-Vorstände aus NRW, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bayern kündigten ihre Austritte an. Das war in einer „emotionalen“ internen Video-Schalte Thema – übrigens nicht die einzige Parteijugend, die in der letzten Woche austrat (siehe Ticker).
  • Renate Künast hält die ehemaligen Parteifreund:innen für “nicht realitätstauglich”, weitere Reaktionen darauf  versammelt die Tagesschau.
  • Ob der Weg der ehemaligen Grünen Jugend nun zur Linken führt, überlegt Kerstin Palzer, eine eigene Bewegung sieht Carolina Schwarz.
  • Die eigene Jugend beklagt einen „massiven Rechtsruck“, der von den Grünen mitgetragen werde, auf der anderen Seite wandern Jungwähler:innen in Scharen zur AfD. Caspar Schwietering (€) über die ehemalige Jugendpartei, die junge Menschen nun nach links und rechts verliert.

 

Und die Ampel-Partner? Die FDP in Person von Parteichef Lindner begrüßte die personellen Konsequenzen bei den Grünen. Was bei einer Partei, die in den letzten drei Wahlen selbst zusammengenommen die Fünf-Prozent-Hürde nicht genommen hat, nicht ganz ohne Ironie ist. Humorvoll gab sich Lindner auch beim Jubiläum der SPD-Netzwerker und scherzte über die eigenen Ergebnisse. Im Bundestag brachen die Liberalen mit ihrem Widerspruch zum eigentlich schon intern beschlossenen Rentenpaket II einen neuen Koalitionsstreit vom Zaun. Ob das ein Vorgeplänkel zum geplanten Exit aus der Ampel, eine parteiinterne Revolte gegen Lindner, wie auf dem RND-Flurfest kolportiert wurde, oder beides ist, bleibt offen. Auch Friedrich Merz verstehe Lindner „immer weniger.“

Sehr viel konkreter spürbar waren bereits die Auswirkungen der Landtagswahlen letzte Woche im Thüringer Parlament. Die AfD in Person von Alterspräsident Jürgen Treutler (der laut Geschäftsordnung immer die konstituierende Sitzung leitet) blockierte am Donnerstag Anträge der anderen Parteien und die Wahl des bzw. der Landtagspräsident:in so lange, bis es zum Abbruch kam. Das Landesverfassungsgericht musste einschreiten, erst dann hatte Erfurt am Samstagvormittag mit Thadäus König von der CDU einen neuen Landtagspräsidenten. Heute starten zudem die offiziellen Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD. Mehr Hintergründe aus Erfurt:

  • Das Chaos bei der konstituierenden Sitzung rekonstruiert die Tagesschau.
  • Die wichtigsten Szenen vom Donnerstag zeigt die Zeit im Video.
  • Über die Strategie der AfD hat der WDR mit dem Juristen Maximilian Steinbeis gesprochen.
  • Die Geschehnisse gaben den Rufen nach einem AfD-Verbotsverfahren neues Futter, wie die Tagesschau weiß.
  • Die AfD scheitert zudem mit ihrem Kandidaten für den MDR-Rundfunkrat, wie die FAZ berichtet, benannte nun aber Alice Weidel offiziell als Kanzlerkandidatin.

In Brandenburg ging es weniger spektakulär zu. Die CDU erklärte ganz nüchtern, dass sie nicht für weitere Koalitionsgespräche mit der SPD zur Verfügung stehe (mit der es aber auch eh nicht gereicht hätte). Ministerpräsident Woidke ist also auf das BSW als Partner angewiesen. Wie es innerhalb dieser immer noch neuen Partei aussieht, zeigt eine neue Dokureihe des ZDF. Im Rahmen der Dreharbeiten flog übrigens auf, dass sich ein AfD-Politiker mit Perücke ins BSW einschleichen wollte, wie der Spiegel berichtet.

Gegen einen Rechtsruck wollen sich auch fast alle Parteien in Österreich wehren, denn bei der gestrigen Nationalratswahl konnte die rechtsnationale FPÖ mit 29,2 % erstmals stärkste Kraft werden. Die bisher regierende ÖVP erreicht mit einem Minus von 11 Punkten und 26,5 % nur Platz 2, gefolgt von der SPÖ mit 21 %. FPÖ-Chef Herbert Kickl, der aus dem Alpenland ein „zweites Ungarn“ machen will, wird wahrscheinlich dennoch nicht Kanzler:

  • Mögliche Regierungsoptionen und die Rolle von Bundespräsident Van der Bellen erklärt der ORF.
  • Eine interaktive Wahlkreiskarte gibt es hier.
  • Einen Überblick über internationale Reaktionen bietet der österreichische Kurier.
  • Mit 1,99 % der Stimmen scheitert die Bierpartei an der Vier-Prozent-Hürde. Wofür diese Partei eigentlich steht, fasst die Stuttgarter Zeitung zusammen.
  • Wie sich die politische Kultur in unserem Nachbarland im vergangenen Jahr entwickelt hat, zeigt unser Buch der Woche. Für gute diplomatischen Beziehungen nach Wien sorgt unser Stakeholder der Woche.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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