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19. Februar 2024 11 Minuten

Die Hoffnung stirbt in Sibirien

Liebe Leserin, lieber Leser,

zu Beginn ein Transparenzhinweis in eigener Sache, den treue Leser:innen dieses Newsletters vielleicht schon kennen oder erahnen: Ich kann mit Karneval, Fasching und deren Derivaten wenig bis nichts anfangen und halte es mit der emotionalen Involvierung da wie Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in dieser Szene. Eine Ausnahme ist aber der politische Aschermittwoch, der als diskursiver Kristallisationspunkt aktueller politischer Debatte als Untersuchungsobjekt jedes Jahr wieder sehr aufschlussreich ist.

  • Die besten Sprüche des rhetorischen Schaulaufens hat die Rheinische Post zusammengestellt.
  • Warum sich Markus Söder ein paar Seitenhiebe gegen Friedrich Merz nicht verkneifen konnte, erklärt Nikolaus Doll bei der Welt. Kritik bekam er zudem für seinen Margot-Honecker-Vergleich gegenüber Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
  • Wenn Sie noch Bedarf an politischen Spitzen haben, können wir das traditionelle Aschermittwochskabarett von Arnulf Rating (hier zum Nachhören) empfehlen.
  • Auch Jens Spahn hat dieses Jahr im Karneval eine Rolle gespielt, wie unser Fundstück der Woche weiter unten dokumentiert.

Was sich jedoch im baden-württembergischen Biberach an der Riß abspielte, war weder pointiert noch witzig:  Die Grünen mussten ihre dortige Aschermittwoch-Veranstaltung wegen gewaltsamer Proteste absagen. Parteivorsitzende Ricarda Lang wurde außerdem bei einer Veranstaltung in Schorndorf beschimpft und bedrängt. Auch Robert Habeck bekam auf seiner dreitägigen Reise durch Sachsen, Thüringen und Bayern viel Ablehnung zu spüren. Kurzzeit-FDP-Ministerpräsident Thomas Kemmerich bediente unterdessen besonders geschmacklos Anti-Grünen-Narrative und verglich die grünen Spitzenpolitiker:innen mit „Kühen beim Schlachten“. 

  • Wie die Grünen zu so einem Feindbild wurden, analysiert Björn Dake.
  • Katrin Göring-Eckardt erklärt im Stern, wie sie die Partei neu ausrichten würde – mit einem Fokus auf ländliche Räume.

Ganz und gar ernst wurde es Ende der Woche in Berlin. Zeitgleich fanden zwei Staatsbesuche statt, die bedeutender kaum sein könnten: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der israelische Präsident Jitzchak Herzog kamen in die Hauptstadt. Für beide Staatsgäste galt die höchste Sicherheitsstufe 1, ähnlich wie beim Besuch eines amerikanischen Präsidenten. Gerade bei Selenskyj als meist gefährdeter Mann der Welt ist die Anschlagsgefahr omnipräsent, weshalb tausende Polizisten, teilweise mit Jetskis, im Einsatz waren.

  • Die Auswirkungen der hohen Sicherheitsstufe bekamen auch die Menschen in Berlin zu spüren, wie der Tagesspiegel weiß.
  • Warum die Stimmung zwischen Scholz und Selenskyj mittlerweile besser, aber trotzdem ernst ist, analysiert Gabor Halasz von der ARD.
  • Was die verabredeten Sicherheitsgarantien Deutschlands für die Ukraine bedeuten, erklärt ntv.

Für Selenskyj  ging es von Berlin weiter nach Bayern zur Münchner Sicherheitskonferenz. Die MSC hat seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine neue Bedeutung erlangt – seit dem 7. Oktober und der Gefahr einer Trump-Wiederwahl umso mehr. Die zentralen Takeaways der letzten Tage:

  • Über das “Speed Dating der Diplomatie” berichtet Holger Möhle für die Rheinische Post.
  • Drei außenpolitische Erkenntnisse beobachtete Thomas Reichert vom ZDF zum Abschluss der Konferenz.
  • Wie Russland versucht, Einfluss auf die innere Sicherheit Deutschlands zu nehmen, zeigt eine Analyse der Konrad Adenauer Stiftung.
  • Den Wandel von einer Friedens- zu einer Konfliktordnung thematisiert zudem unser Buch der Woche.

Dass der Tod von Alexei Anatoljewitsch Nawalny, dem wichtigsten Putin-Kritiker, genau an dem Tag, an dem seine Frau Yulia in München sprechen sollte, über die Nachrichtenticker auf der ganzen Welt lief, ist mit großer Wahrscheinlichkeit genauso wenig  Zufall wie der Zeitpunkt einen Monat vor der Wahl in Russland. Das Moskauer Regime hat seinen bekanntesten Kritiker in Gefangenschaft im besten Falle sterben lassen und im wahrscheinlicheren feige umgebracht. Was man bisher weiß und was nicht, fasst der Spiegel zusammen. Ein Mithäftling berichtet vom “Wahnsinn”, der kurz vor Nawalnys Tod in dem sibirischen Straflager eingesetzt hat. Weitere Hintergründe zum Tod Nawalnys:

  • Ein Nachruf auf den Mann, vor dem Putin so große Angst hatte, bei der Tagesschau.
  • Sein Leben in Bildern von Protest bis Gefängnis zeigt die Frankfurter Rundschau.
  • Ein Video seines letzten Auftritts gibt es beim Stern.
  • Nawalnys letzte Botschaft für den Fall seiner Ermordung dokumentiert der Spiegel.
  • Die internationalen Reaktionen auf den Tod hat das ZDF gesammelt.
  • Bereits vergangene Woche hatte Russland hunderte europäische Politiker:innen zur Fahndung ausgeschrieben, darunter auch einen FDP-Politiker aus Frankfurt am Main.
  • CIA und MI6? Nawalnys Frau mit ihrer Affäre? Oder doch der gute alte Covid-Impfstoff? Im Netz gibt es bereits genügend Verschwörungserzählungen zu dem Todesfall.
  • Ein Video-Ansprache (mit englischen Untertiteln) von Yulia Navalnaya ging heute auf dem YouTube-Kanal des Verstorbenen online.

Von Gerhard Schröder war zum Tod des Oppositionellen und Widersachers des “lupenreinen Demokraten” Putin bisher nichts zu vernehmen. Vielleicht ist der ehemalige Kanzler zu sehr mit seinem Prozess gegen die Bundestagsverwaltung beschäftigt, die ihm seine Rechte auf ein eigenes Büro aberkannt hatte. Der Prozess wird nun neu aufgerollt.

Mit den besten Grüßen zum Wochenstart

Philipp Sälhoff


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