Der Demokratie vergeht das Lachen

Liebe Leserin, lieber Leser,
“Politische Morde zu feiern, ist in keiner Welt demokratisch“, um mit Sascha Lobo zu sprechen. Sie für die eigene Agenda zu nutzen, aber ebenso wenig.
Die Trump-Regierung dreht im Kampf gegen die Pressefreiheit nach dem Mord an Charlie Kirk gerade auf: Kritische Berichterstattung über den Präsidenten sei „illegal“, Lizenzen könnten entzogen, Berichte mit Militärbezug sollen vorher vom Pentagon genehmigt, die Antifa soll als Terrororganisation eingestuft, politische Gegner stärker juristisch verfolgt und die New York Times verklagt werden. Dazu kommt die Absetzung der Show von Trump-Kritiker Jimmy Kimmel auf dem Disney-Sender ABC. Allesamt Repressionen direkt aus dem Handbuch zur Abschaffung der Demokratie. Ein Überblick zur Situation in den USA:
- Die gestrige Trauerfeier für Kirk wurde zu einer politischen Rally: Kirks Witwe klang versöhnlich, Trump aber schwor Rache.
- Welche Auswirkungen der Mord auf die Anhänger:innen von Kirk hat, beschreibt die Zeit in einer Reportage.
- Die Rolle von Memes und Netzkultur für den Täter Robinson zeigt ntv.
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Ein offizieller deutscher Ableger der Turning Point Bewegung ist noch nicht bekannt, auch wenn ein Instagram-Account das suggerieren will.
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Was Jimmy Kimmel tatsächlich gesagt hat, weiß der Stern.
- Die amerikanischen Late Night Comedians sind ein wichtiger politischer Faktor und Jimmy Kimmel nicht der erste, der seine Show verliert. Was die Fälle Colbert und Kimmel gemein haben, analysiert die Tagesschau.
- Ein niederländischer Komiker landet derweil einen viralen Hit mit einer Persiflage auf “Disneys Unterwerfung”. Nicht das erste Mal, dass er Trump auf die Schippe nimmt.
Gerade mal 245 Tage ist Trump im Amt, 1.220 Tage MAGA folgen noch. Mindestens.
Die toxischen Folgen des Kirk-Attentats für den politischen Diskurs erleben wir auch in Deutschland. Zuerst wurden die ZDF-Journalist:innen Elmar Theveßen und Dunja Hayali Opfer massiver Hasswellen. Hayali zog sich daraufhin vorerst aus der digitalen Öffentlichkeit zurück. Dann wurde bekannt, dass der NDR Julia Ruhs vom Format “Klar” abzieht – wohl wegen interner Kritik an ihren politischen Standpunkten und den bisherigen Sendungen. Plot Twist ein paar Tage später: Die des linken Aktivismus relativ unverdächtige ehemalige BILD-Chefin Tanit Koch soll nun Ruhs nachfolgen. Zur Entscheidung des NDR gibt es valide Pro- und Contra-Argumente, in der Wirkung ist Entscheidung und Timing fatal und rief von CDU über Wagenknecht bis hin zu Reichinnek Kritik hervor. Nun äußert sich der NDR-Intendant selbst.
- Wie steht es um die Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Eine Studie des Ersten hinterfragt ihre eigene Institution (siehe auch politticker).
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Die Anatomie der X-Diskurse zu Hayali, Theveßen und Ruhs haben wir analysiert.
- Table.Briefings setzt sich im Interview mit Ruhs mit der Frage auseinander, ob ARD & Co. zu links seien. Wie die Journalistin auf dieses Thema blickt, hat sie aber schon vorher in einem t-online Interview deutlich gemacht.
- Sie wollen sich Ihr eigenes Bild machen? Finden wir gut: Die “Klar”-Folgen von Ruhs gibt es in der Mediathek.
- Rechtsextrem? Ultrakonservativ? Radikal? Auch hier könnte eine Übersicht der umstrittensten Aussagen von Charlie Kirk bei der unaufgeregten Bildung der eigenen Meinung helfen.
Bei der AfD ist man hingegen hocherfreut über den wieder entflammten Kulturkampf und die grassierenden Narrative von der Meinungsdiktatur. Laut den neuesten Umfragen steht die Partei gut da, nun erstmal auch im ZDF-Politbarometer gleichauf mit der Union.
- Dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht zu deren Mäßigung, sondern zur Schwächung der demokratischen Parteien führt, zeigt eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Boris Palmer sieht das wenig überraschend anders.
- Die SWP erklärt die Gatekeeper-Rolle der Konservativen bei der Integration von Rechtsaußenparteien.
- Auch Vermieter lehnen eine Zusammenarbeit ab: Die Entscheidung um den Rauswurf der AfD aus ihrer bisherigen Parteizentrale wurde nun auf Freitag vertagt.
- Zugangsprobleme gibt es auch im Bundestag: Drei AfD-Mitarbeitenden wurden Hausausweise verweigert – aus Sorge vor Missbrauch.
Mit ihrer alten Partei hat Frauke Petry schon lange nichts mehr zu tun. Nun hat sie aber neue Gesellschaft in ihrem “Team Freiheit”. Der ehemalige thüringische Kurzzeit-MP Thomas Kemmerich übernimmt nun die Führung im Verein. Sein Original-Mimimi gibt es auf Instagram.
Bei alldem wundert es nicht, dass Spitzenpolitik krank machen kann. Zwei haben das am eigenen Leib erlebt: Michael Roth und Peter Tauber. Ersterer hat nun ein Buch geschrieben, Zweiterer es rezensiert (€).
Gegen Toxizität war meist auch Peter Altmaier ein vehementer Streiter. Der Großmeister des Kurznachrichtendienstes und Ex-Wirtschaftsminister ist nun auf die Plattform X zurückgekehrt. Vielleicht ein kleiner Lichtblick in dunkler werdenden Tagen.
Auch ein anderer großer Konservativer kehrt zurück: Berlin bekommt eine Helmut-Kohl-Alle. Dafür wird die Hofjägerallee in Mitte umbenannt. Die benachbarte Konrad-Adenauer-Stiftung und die CDU-Zentrale wird es freuen.
Mit den besten Grüßen zum Wochenstart
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